„Stadtentwicklung in die Hand nehmen, sonst sind wir Nachtwächter“
Stadt Erbach erwirbt Gelände an der Friedrich-Ebert-Straße im südlichen Kernstadtbereich durch Ausübung des Vorkaufsrechts für 930.000 Euro und liebäugelt an dieser Stelle mit einem HotelERBACH. - Allenthalben Einigkeit herrschte in der Erbacher Stadtverordnetenversammlung über die Notwendigkeit eines zweiten Hotels in der Odenwälder Kreisstadt. Allein der Weg dazu schied die Geister am Donnerstagabend in einer Sondersitzung des Parlaments.
Mit den Stimmen von CDU, ÜWG, FDP und einzelnen Stimmen aus den Reihen der SPD votierten die Stadtverordneten bei drei Nein-Stimmen der GRÜNEN und mehrheitlicher Enthaltung der SPD für die Ausübung des Vorkaufsrechts beim Geländeverkauf eines früheren Möbelhauses an der Friedrich-Ebertstraße zum Preis von 930.000 Euro.
„Wir haben hier die sehr seltene Gelegenheit für unsere Stadt, durch die wir positive Stadtentwicklung betreiben können“, sagte Dr. Peter Traub zuvor in der Diskussion. „Das ist ein Standort, der herausragend für ein Hotel geeignet ist.“
Der Bürgermeister warb für Ausübung des städtischen Vorkaufsrechts und den Erlass einer entsprechenden Satzung für ein besonderes Vorkaufsrecht für dieses Grundstück im südlichen Kernstadtbereich.
„Es sind attraktive Grundstücke am Markt, die herausragende Gelegenheit bieten“
Zur Ausübung dieses Vorkaufsrechts bedurfte es weiterer Formalitäten wie der Aufstellung eines Bebauungsplans „Südliche Innenstadt / Friedrich-Ebert-Straße“ im Rahmen der Bauleitplanung Kernstadt der Kreisstadt Erbach, sowie im Rahmen dieses Bebauungsplans wiederum einer Veränderungssperre.
„Es sind zwei attraktive Grundstücke am Markt, die uns die herausragende Gelegenheit bieten, die Stadt positiv zu entwickeln“, verdeutlichte Traub die Situation, bei der es zunächst nur um das eine, bereits verkaufte Areal ging.
Mit dem Verkäufer des Geländes eines früheren Möbelhauses stand der Bürgermeister bereits monatelang ebenso in Verkaufsverhandlungen, wie er parallel dazu Gespräche führte mit einer Frankfurter Investorengruppe, um einen Hotelbau auf diesem Gelände zu realisieren. Die Corona-Pandemie und der damit verbundene Lockdown brachten diese Verhandlungen allerdings zunächst zum Erliegen.
Zeitdruck nach bereits notariell besiegeltem Verkauf
Der Grundstückseigentümer war zwischenzeitlich jedoch erfolgreicher, hatte einen Käufer gefunden, und den Verkauf zum genannten Preis auch notariell besiegelt. Um das Gelände doch noch für die genannten städtischen Zwecke via Vorkaufsrecht zu sichern entstand Zeitdruck, dem mit der Sondersitzung des Parlaments jetzt abgeholfen wurde.
In einer der Parlamentssitzung unmittelbar vorgeschalteten gemeinsamen Sitzung des Haupt- und Finanzausschusses und des Bau-, Umwelt- und Verkehrsausschusses machte Dr. Peter Traub die Wichtigkeit der anstehenden Entscheidung dazu noch deutlicher: „Selbstverständlich ist es Aufgabe einer Stadt die Entwicklung in die Hand zu nehmen, sonst sind wir Nachtwächter im Rathaus.“
„Bisher keinerlei Vorschläge zur Stadtentwicklung unterbreitet“
Es gehe um „sehr viel mehr, als um ein Hotel“. Man wolle hier ein ganzes Areal positiv entwickeln mit Hotel, Wohnungen und Geschäften, um voran zu kommen. Einwänden von Jürgen Müller (GRÜNE), das Regierungspräsidium (RP) könne angesichts der angespannten Finanzlage in Erbach den Grundstückskauf nicht genehmigen, beseitigte der Bürgermeister.
„Das RP hat uns im telefonischen Austausch beglückwünscht, dass wir in angespannter Finanzlage an die Entwicklung der Stadt denken.“ Einer Genehmigung durch die Aufsichtsbehörde stehe nach deren Zusage jedenfalls nichts entgegen.
Den GRÜNEN warf Traub vor, in Sachen Stadtentwicklung bisher keinerlei Vorschläge unterbreitet zu haben. „Wir werden nicht selbst bauen, aber wir geben vor, wie wir die Südstadt sehen“, sagte der Bürgermeister.
„Es geht um den gesamten Flächenbereich“
Bauausschussvorsitzender Michael Gänssle (ÜWG) machte deutlich: „Es geht nicht nur um dieses Grundstück, sondern um den gesamten Flächenbereich in der südlichen Kernstadt.“
Der Bebauungsplan sei eine Möglichkeit, den Raum zu schaffen für eine geplante Entwicklung, „oder wollen wir es hinnehmen wie der Markt es hergibt?“, fragte Gänssle in die Runde.
Peter Trumpfheller (CDU) erkundigte sich nach dem weiteren Werdegang bei einem Grundstückskauf durch die Stadt. Diesen zeigte der Bürgermeister auf: „Wir müssen Investoren und Betreiber finden.“ Dazu würden die durch die Coronakrise unterbrochenen Gespräche mit potenziellen Investoren wieder aufgenommen.
Aus „Wunschkonzert heraus“ könne man eine solche Investition nicht stemmen
Stadtverordnetenvorsteher Antonio Duarte erhob den Einwand, man habe u.a. mit einer Machbarkeitsstudie „ziemlich viel gemacht“ in der Vergangenheit, „aber wir haben bisher nichts – keinen Investor und keinen Betreiber“. Aus einem „Wunschkonzert heraus“ könne man solch eine Investition nicht stemmen.
Selbstverstöndlich wolle man die Stadt entwickeln, „aber welche Marktchancen entstehen dort?“ Das Risiko sei nicht gering, sagte Duarte.
„Andere Kommunen würden sich die Finger danach lecken, wenn sie eine solche Chance hätten“, entgegnete der Rathauschef. Selbstverständlich brauche Erbach ein weiteres Hotel. Es gebe „zwar keine Garantie, dass uns das gelingt, aber es ist unsere Aufgabe das zu versuchen“.
Christa Weyrauch (GRÜNE) warf die Frage auf, ob ein Hotel an dieser Stelle sein müsse. „930.000 Euro in die Hand zu nehmen und nicht wissen, ob wir das Vorhaben realisieren können“, sei eine gewagte Unternehmung.
„Stadt wird das nicht dauerhaft finanzieren müssen“
Michael Gänssle beschwichtigte: „Das wird die Stadt nicht dauerhaft finanzieren müssen.“ Wenn man für diesen Bereich keinen Bebauungsplan aufstelle, „dann geht an dieser Stelle alles“. Dieses Grundstück sei „das Eingangstor, von dem aus wir etwas entwickeln wollen“.
Selbst wenn man das Grundstück später unter dem jetzt fälligen Erwerbspreis für den gewünschten Zweck verkaufen müsse, sei das im Sinne der Stadtentwicklung noch immer zu rechtfertigen, sagte Gänssle.
Während Weyrauch einräumte „ein Hotel wollen wir alle“, sah die GRÜNEN-Fraktionschefin die Stadt gleichwohl nicht in der Pflicht einen Hotelinvestor und -Betreiber zu suchen. „Wir haben nichts gegen Stadtentwicklung, aber ein Problem mit dem Erwerb des Grundstücks“.
Die Frage nach dem Kaufpreis stelle sich fĂĽr die Stadt nicht
Bürgermeister Dr. Traub stellte klar, „ein Bürger unserer Stadt darf auf keinen Fall einen finanziellen Nachteil haben“. Deshalb stelle sich die Frage nach dem Kaufpreis für die Stadt nicht, nachdem der Verkauf bereits abgewickelt war.
Diese Haltung bekräftigte auch Michael Gänssle: „Wir reden nach Vorlage des bestehenden Kaufvertrags nicht mehr über den Preis, denn der steht fest.“ Eine Enteignung stehe außerhalb jeder Diskussion. „Es stellt sich allein die Frage: wollen wir rein in diesen Geländebereich – ja oder nein?“
Auch Karl-Heinz Bless (FDP) sah im Erwerb dieses Grundstücks „die einmalige Chance hier etwas zu entwickeln“, weshalb auch seine Fraktion dieses Vorhaben unterstütze.