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„Herzloses Vorgehen der Behörden“: Familie Dushku aus Beerfelden nach Albanien abgeschoben

Die jetzt in eine ungewisse Zukunft abgeschobenen Isara und Alfred Dushku mit ihrem Baby und den Eltern und Geschwistern von Isara, Familie Qafa (von rechts nach links) bei ihrer Ankunft in Beerfelden im Oktober 2016.

Trauer und Wut zu Ostern bei den „Kümmerern“ in Beerfelden: Alfred, Isara und das einjährige Baby Alvin Dushku um 4.30 Uhr von der Polizei aus dem Bett geholt und in eine ungewisse Zukunft abgeschoben

BEERFELDEN. - Die Polizei fuhr zu nachtschlafender Zeit in der Neustraße 6 in Beerfelden (Odenwaldkreis) vor: Um 4.30 Uhr holten Beamte der Polizeidirektion Erbach am Mittwoch, 12. April, Alfred, Isara und das einjährige Baby Alvin Dushku aus dem Bett, um sie nach Frankfurt zum Flughafen zu bringen und nach Albanien abzuschieben.

Die Polizisten handelten auf unverhoffte Weisung der zentralen Ausländerbehörde beim Regierungspräsidium (RP) in Darmstadt.

Die Familie Dushku gehört zu einer ethnischen Minderheit, den so genannten Balkan-Ägyptern, die in Albanien sowohl von den Moslems als auch von den Roma diskriminiert und ausgegrenzt wird. Sie erhalten keinen Zugang zur Gesundheitsversorgung und bekommen bei der Arbeit weniger Geld als die Albaner. Das Auswärtige Amt in Berlin bestätigte diese Gegebenheiten.

Vor diesem Hintergrund kamen Alfred und Isara Dushku mit ihrem Baby Alwin aus Albanien im Rahmen einer Familienzusammenführung am 31. Oktober 2016 über Freudenstadt nach Beerfelden. Die junge Familie traf hier auf Isaras Eltern, die in der Geisgasse bei einem Wohnhausbrand Anfang Dezember vergangenen Jahres ihre ganze Habe verloren haben.

Alfred Dushku hat mittlerweile im Deutschkurs der „Kümmerer“, einer Helfergruppe für Flüchtlinge in und um Beerfelden, hervorragende Sprachkenntnisse erworben und einen Praktikumsplatz bei der Firma Hartmann in Beerfelden mit dem Angebot einer Ausbildung zum Heizungsbauer.

„Aufgrund der handwerklichen Begabung und des Fleißes des jungen Mannes hätte sich die kleine Familie wirtschaftlich selbst versorgen und einen hilfreichen Beitrag zum gesellschaftlichen Leben in Beerfelden und dem Odenwaldkreis leisten können“, sind die „Kümmerer“ überzeugt.

„Die jetzt erfolgte Abschiebung ist für mich und für alle Helfer ein Schock, denn sie kam überfallartig. Im Telefongespräch mit den Polizisten in Erbach wurde mir erklärt, dass sie als Beamte weisungsgebunden sind und entsprechend handeln müssen, wie die zentrale Ausländerbehörde in Darmstadt angeordnet hat“, erläutert Horst Schnur für die Helfer.

Der frühere Landrat des Odenwaldkreises Schnur, einer der Frontleute der „Kümmerer“ in Beerfelden, versuchte alles, um „den unwürdigen Umgang“ mit der Familie Dushku bei deren Abschiebung abzuwenden. Pfarrer Roland Bahre von der Notfallseelsorge in Beerfelden hatte sich auf Schnurs Bitte unverzüglich vor Ort begeben und versucht ein Kirchenasyl anzubieten.

Die Polizeibeamten lehnten das Ansinnen jedoch ab, da Kirchenasyl nur auf kirchlichem Grund und Boden erfolgen könne. Von den „Kümmerern“ war auch Rolf Scheuermann vor Ort bei der Familie und beobachtete das Vorgehen der Beamten mit Mitgefühl aber ratlos.

Derweil blieben alle Bemühungen, die Horst Schnur in den frühen Morgenstunden des Mittwoch unternahm, erfolglos: Die kontaktierten Verwaltungen waren nicht bereit die Abschiebung auszusetzen und individuell zu überprüfen.

Auch der Versuch einer Online-Petition, um die sich Landtagsabgeordneter Rüdiger Holschuh (Beerfelden) bemüht hatte, wurde im Hessischen Landtag gegen 9 Uhr abgelehnt. Die Familie selbst stand unter Kontaktsperre, Handy und das Bargeld waren ihnen von der Polizei abgenommen worden. Um 12 Uhr hob das Flugzeug dann mit den Dushkus an Bord nach Tirana ab.

Inzwischen ist die Familie in Albanien gelandet, dort in einer Notunterkunft untergekommen, hat aber kein Geld, um sich zu versorgen. Der Helferkreis hält mit ihnen so gut es geht Kontakt. Aus der Verwaltung beim RP wurde bestätigt, dass die verschärften Abschiebungsbedingungen vom Hessischen Innenminister angeordnet und regelmäßig kontrolliert würden.

„Dabei geht es um statistische und nicht um individuelle Entscheidungen“, kritisiert der frühere Landrat Horst Schnur. In Nordrhein-Westfalen beispielsweise würde die ethnischen Minderheit, der die Familie Dushku angehört, nicht abgeschoben.

Die bevorstehende Bundestagswahl trage dazu bei, dass sich die Abschiebepraxis zwar auf einer Rechtsgrundlage bewege, sich jedoch von empfundener Gerechtigkeit weit entferne. „Als ehrenamtliche Helfer in der Flüchtlingsarbeit fühlt sich die Gruppe der 'Kümmerer' diskriminiert, weil sie geduldet ist, wenn sie Beschaffungsaktionen durchführt und Spenden sammelt, die den Steuerzahler entlasten.

Die jetzt praktizierte aktuelle Abschiebepraxis gibt zu denken, weil sie die viel gelobte Menschenwürde, das Gefühl für Gerechtigkeit und Barmherzigkeit, in zunehmendem Maße vermissen lässt“, sagt Schnur. Und ergänzt: „Diese Abschiebung ist besonders deshalb unangemessen, weil die gesamte Familie Qafa in hohem Maße integrationsbereit ist, was für mich als ehrenamtlicher Helfer eine Diskriminierung meiner Arbeit darstellt.

Einen Tag zuvor, am 11. April, hatte ich im Ausländeramt erneut um eine Arbeitserlaubnis für Alfred Dushku bei der Firma Hartmann in Beerfelden nachgesucht. Mein Anfrage wurde nicht beantwortet, offensichtlich wegen der angeordneten Kontaktsperre mit den Bevollmächtigten.“

Der Satz des ehemaligen Bundespräsidenten „Die Freiheit muss täglich verteidigt werden“ klinge als Botschaft wie ein Hohn. „In der radikalisierten Abschiebepraxis gibt es keine individuelle Einzelfallprüfung des jeweiligen Schicksals und der entsprechenden Zusammenhänge. Vielmehr wird mit dem >Rasenmäher< nach einer rücksichtslosen Gleichbehandlungsmethode verfahren.“

Diese politischen Vorgaben würden in die Justiz übertragen. „Mit der Familie Dushku hat es nach allgemeiner Auffassung der Menschen in Beerfelden absolut die Falschen getroffen, was uns Helfern ein trauriges Osterfest beschert.“