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Ein Hoch auf die Ehrenamtlichen

Kabarettpfarrer Hans-Joachim Greifenstein verbringt seinen Ruhestand in Babenhausen und hÀlt Gottesdienste in Langstadt. Foto: Silke Rummel

Kabarettpfarrer Hans-Joachim Greifenstein verbringt seinen Ruhestand in Babenhausen und hÀlt Gottesdienste in Langstadt

ODENWALD / BABENHAUSEN. - Hans-Joachim Greifenstein ist der eine Teil des „Ersten Allgemeinen BabenhĂ€user Pfarrer(!)-Kabarett“. In Babenhausen wurde das Pfarrerkabarett gegrĂŒndet, hierher ist Hans-Joachim Greifenstein in seinem Ruhestand zurĂŒckgekehrt. Aber arbeiten tut er trotzdem noch.

Hinter einem großen Hoftor nahe der BabenhĂ€user Innenstadt wohnen drei Generationen zusammen. Im vorderen die Familie einer seiner Stiefsöhne, im hinteren Haus Hans-Joachim Greifenstein, dazwischen der Hof.

„Wir gehen rĂŒber und nĂŒber, aber gucken uns nicht in den Suppentopf“, sagt Greifenstein. Seine vor drei Jahren verstorbene Frau Doris stammte aus Babenhausen, in der Familie wuchs vor Jahren der Gedanke dieses Drei-Generationen-Wohnprojekts – und so kam es dann auch.

Das Ehepaar kehrte mit der Ruhestandsversetzung vor knapp vier drei Jahren von Schwanheim im Dekanat Bergstraße, wo Hans-Joachim Greifenstein zuletzt zehn Jahre lang Pfarrer war, nach Babenhausen zurĂŒck. Hier konnte seine an Krebs erkrankte Frau noch eine gute Zeit verbringen, „sie konnte gut leben bis zum Schluss“.

Apropos Suppentopf: Hans-Joachim Greifenstein kocht gerne, das macht er zweimal in der Woche fĂŒr die BabenhĂ€user Familie, einmal in der Woche ist er bei der Familie in Jugenheim, wo seine Schwiegertochter Pfarrerin ist.

FĂŒnf Kinder und zehn Enkel sind es insgesamt. „Mein Pluspunkt ist: Ich habe Zeit“, sagt der 66-JĂ€hrige, „und wenn die Enkelkinder sagen: Opa, ich hab Dich lieb, das ist das GrĂ¶ĂŸte!“

„Die Kirche lebt von den Ehrenamtlichen“

Obwohl im Ruhestand und etwa 40 Mal im Jahr auf den KabarettbĂŒhnen unterwegs, hĂ€lt Hans-Joachim Greifenstein immer noch Vertretungsgottesdienste, nicht in Babenhausen, dort trĂ€gt er aber den Gemeindebrief aus, sondern regelmĂ€ĂŸig vor allem in der Kirchengemeinde Langstadt.

„Ich tue es fĂŒr mich und meine spirituellen BedĂŒrfnisse, und im Unterschied zum Ingenieur ist es bei der Kirche doch so, dass unsereiner immer noch an seiner alten ArbeitsstĂ€tte wirken kann.“

In Anbetracht der vielen offenen Pfarrstellen ist die Evangelische Kirche sogar dringend darauf angewiesen, dass Pfarrpersonen im Ruhestand und PrÀdikant*innen, also ehrenamtliche Prediger*innen, Gottesdienste halten.

Bei Greifenstein hat es vor allem mit Dankbarkeit zu tun – gegenĂŒber den Ehrenamtlichen („die Kirche lebt von den Ehrenamtlichen“) und gegenĂŒber denjenigen, die ihn in seiner Dienstzeit vertreten und ihm so einen freien Sonntag im Monat ermöglicht haben –, wie auch damit, seine eigene SpiritualitĂ€t zu pflegen.

„Die LangstĂ€dter Gemeinde mit ihren engagierten Ehrenamtlichen gefĂ€llt mir sehr gut“, sagt der Kabarettpfarrer, „das Ehrenamt ist das A und O.“

Seine „Kirchenkarriere“ hat Greifenstein als Ehrenamtlicher in der Jugendarbeit begonnen. Aufgewachsen in Seligenstadt war er mit dabei, als ein Jugendzentrum, das ein ungezwungener Ort fĂŒr Jugendliche sein sollte und ohne Kontrollen, aufgebaut wurde.

Die Lockerheit aber passte dem Kirchenvorstand nicht, er schmiss die Jugendarbeit raus, der Dekanatssynodalvorstand setzte sie wieder ein. Letztlich wurde dieser Konflikt ausschlaggebend dafĂŒr, „im Machtpoker höher einzusteigen“, erzĂ€hlt Greifenstein schmunzelnd, und nicht Sozialarbeit zu studieren, wie er es ursprĂŒnglich vorgehabt hatte.

Erster Auftritt im Partykeller

Er studierte also Theologie in Frankfurt und Marburg, absolvierte sein Vikariat, also die praktische Ausbildung, in Butzbach, wurde Assistent von Kurt Oeser, Gemeindepfarrer in Mörfelden und als „Umweltpfarrer“ ĂŒberregional bekannt.

Die erste Pfarrstelle war in Dreieich-Sprendlingen, 1986 kam Greifenstein nach Babenhausen, wo er bis 2006 wirkte, die meiste Zeit davon mit Clajo Herrmann, dem anderen Teil des Pfarrerkabaretts.

Am 31. Januar 1997 hatten die beiden ihren ersten Auftritt – in einem BabenhĂ€user Partykeller anlĂ€sslich des 75. Geburtstags einer KirchenchorsĂ€ngerin.

Clajo Herrmann ist ganz aus dem Pfarrberuf ausgestiegen, er war neben dem Pfarrer-Duo auch als Solo-KĂŒnstler unterwegs. Hans-Joachim Greifenstein pausierte mal drei Jahre als Pfarrer, kehrte dann aber ins Pfarrarmt zurĂŒck. Ihm fehlten die GesprĂ€che mit den Menschen, die ihre Leben im Zeitraffer aufblĂ€tterten.

„Durch diesen Schatz der Biografien bin ich immer wieder berĂŒhrt und beeindruckt und fĂŒhle mich beschenkt.“ Ihnen verdankt er seine Frömmigkeit: „So richtig fromm geworden bin ich durch die alten, frommen Leute in der Gemeinde.“ Deren so selbstverstĂ€ndlicher und authentischer Glaube, ihre „natĂŒrliche Theologie“, wie er es nennt.

Kirche ist keine beamtenrechtliche Agentur

Mit ihm, dem Geistlichen und Wortakrobaten, ĂŒber Kirche und kirchliche Strukturen zu plaudern, ist unterhaltsam und inspirierend zugleich. Wenn er Kirche erklĂ€rt, klingt das so: „Die Hardware sind die Leute, die sich auf die Socken machen, die Software sind SpiritualitĂ€t und Glaube.“

Dabei nimmt er auch kein Blatt vor den Mund – sicher ein Geheimnis des andauernden Erfolgs des Ersten Allgemeinen BabenhĂ€user Pfarrer(!)-Kabaretts“. Das „Priestertum aller GlĂ€ubigen“ hĂ€lt Greifenstein fĂŒr eine sehr gute Idee des Reformators Martin Luther, die Kirche sei schließlich keine „beamtenrechtliche Agentur“.

„Mit StandesdĂŒnkel und Pfarrherrentum ist nichts zu holen“, so der 66-JĂ€hrige, „unsere WĂ€hrung ist das Vertrauen der Leute und die Beziehung.“

Und was bedeutet ihm der Glaube? Er sei das „Fundament seines Lebens, eine Grundlage, die ich nicht selbst produzieren kann“. Oder anders gesagt: „Im Grunde genommen können mir alle Leut‘ den Buckel runterutschen, weil Gott mich lieb hat.“