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Erbacher Mandatsträger verabschieden sich von Papierflut

Digitaler Sitzungsdienst für Stadtverordnete und Ausschüsse in der Kreisstadt eingeführt

ERBACH. - Normalerweise grüßt zur letzten Erbacher Stadtverordnetenversammlung vor der Sommerpause das große Riesenrad auf dem Wiesenmarkt-Festgelände durch die Fenster der Werner-Borchers-Halle.

Corona-bedingt fehlen aktuell bereits zum zweiten Mal in Folge nicht nur das Riesenrad sondern bekanntlich der gesamte Wiesenmarkt. Rund ging es, für Erbacher Verhältnisse diesmal in überschaubarer Form, dennoch in der Sitzung.

Zentrales Thema war die Einführung der digitalen Gremienarbeit im Stadtparlament. Kontroverse Diskussionen um die Umstrukturierung der bisherigen Papierflut, mit der Mandatsträger teilweise überhäuft wurden, führten schließlich nach diversen Änderungen der Verwaltungsvorlage zu jeweils einstimmigen Voten.

Diese beinhalten die entsprechende Neufassung der Geschäftsordnung wie auch dem Grundsatzbeschluss zur Einführung des papierlosen Sitzungsdienstes in der Stadtverordnetenversammlung und den Ausschüssen.

Gremienmitglieder erhalten Tablets

Während seither eine Botin für die fristgerechte Versorgung der Mandatsträger mit Einladungen, Erläuterungen und Anträgen Sorge trug, erfolgt dies künftig auf digitalem Weg.

Dazu werden die Gremienmitglieder mit Tablets ausgestattet, die im Oktober 2020 über Fördergelder für Digitalisierungsmaßnahmen aus dem Programm „Starke Heimat Hessen“ für die Stadtverordnetenversammlung und den Magistrat angeschafft wurden. Individuelle Zugänge werden zu den entsprechenden städtischen Zentraldateien ermöglicht.

Nicht konform gehen mit der Verwaltungsvorlage

Nicht konform gehen mit der Verwaltungsvorlage, die Mandatsträger zur eigenständigen Vollständigkeitsprüfung aller Unterlagen verpflichten wollte, konnte GRÜNEN-Fraktionschefin Christa Weyrauch, die darin juristische Fallstricke sah.

Ihrem Wunsch zur Rücküberweisung und Neubewertung der Angelegenheit in den Haupt- und Finanzausschuss widersprach Ausschussvorsitzender Michael Gänssle („die Dinge sind klar geregelt“).

SPD-Fraktionschef Gernot Schwinn sah „die Verantwortung der Verwaltung auf die einzelnen Stadtverordneten übertragen“, und Parlamentsvorsteher Antonio Duarte (SPD) verdeutlichte: „die Umstellung auf digitale Versorgung funktioniert nur freiwillig und gesetzeskonform“. Dazu bedürfe es der Rechtssicherheit.

„Nicht zu viel verlangt, die Unterlagen zu prüfen“

Als „nicht zu viel verlangt, die Unterlagen zu prüfen“, erachtete Klaus-Peter Trumpfheller (CDU) das Verwaltungsansinnen der Eigenkontrolle. Bürgermeister Dr. Peter Traub warb für Mithilfe der Mandatsträger bei der Vollständigkeitsprüfung der jeweiligen Unterlagen.

Fehler in der Sachbearbeitung seien auch bei sorgfältiger Ausführung nicht immer zu vermeiden und könnten von den Gremienmitgliedern gemeldet und dann entsprechend korrigiert werden.

Zwei Sätze weniger führten zum Ziel

Marcel Bucher (FDP) wollte „eine Haarspalterei“ erkannt haben, ehe Gernot Schwinn den gordischen Knoten löste. Mit der Streichung zweier Sätze aus der Verwaltungsvorlage konnte sich das Haus arrangieren und einmütig der Umstellung zustimmen.

Gewährleistet bleibt indes, dass jedes Gremienmitglied auf Wunsch weiterhin auch alle Unterlagen in Papierform erhalten kann.

Ähnlich kontrovers verlief die Diskussion um einen Antrag von Andreas Wagner (AfD), der die Prüfung der Möglichkeit zur Erstellung von biometrischen Passfotos durch das städtische Bürger-Service-Büro zum Ziel hatte.

Dieser Thematik bereits gewidmet

Biometrische Passfotos von diversen Foto-Shops, die diese Dienstleistung teils zu Preisen anbieten, die an Wucher erinnern, kosteten pro Set mit 6 bis 8 Fotos etwa 10 bis 12 Euro. „Obwohl man meistens nur ein Foto benötigt, ist man gezwungen gleich 6 oder 8 zu kaufen.

Technische Computerstandards erlauben es heutzutage, ohne große Investition mit einer angeschlossener Digitalkamera biometrische Bilder zu machen, welche gleich im Computer der Verwaltung für Passerstellung verwendet werden können“, begründete Wagner seinen Vorstoß.

„Ja, das ist ein Thema, das uns bundesweit beschäftigt“, sagte Hauptamtsleiterin Ute Marquard. Im Mai 2025 würde dies deutschlandweit zur Pflicht, entsprechend habe man sich dieser Thematik bereits gewidmet.

Ein Fotoautomat, wie im Antrag gewünscht, koste gemäß der bisherigen Recherche 16.000 Euro zuzüglich Folgekosten. Die Selbstbedienung an einem solchen Automaten sei zudem sehr aufwendig, das könne man allerdings personell im Bürgerbüro nicht unterstützen.

„Antrag durch Verwaltungshandeln erledigt“

Marquardts Empfehlung lautete daher zu „warten bis vom Hessischen Städte- und Gemeindebund eine entsprechende Empfehlung kommt“.

Christa Weyrauch sah den „Antrag durch Verwaltungshandeln erledigt, wir können dazu nicht abstimmen, zumal das Pass- und Meldewesen auch in die Zuständigkeit des Bürgermeisters fällt“.

Keine Einsparungen konnte auch Gernot Schwinn erkennen, „weil sich die Gebühren für die Bürger entsprechend erhöhen würden“. Das Thema sei in der Verwaltung angekommen, erklärte auch der Bürgermeister, der versicherte: „wir beschäftigen uns weiter damit“.

Seiner Empfehlung den Antrag zurückzuziehen entsprach Andreas Wagner, kündigte jedoch an, das entsprechende Verwaltungshandeln zu beobachten und den Antrag gegebenenfalls in einem halben Jahr erneut vorzulegen.

Zurückgezogen hatte Bürgermeister Dr. Traub zu Sitzungsbeginn bereits den Antrag zur Veräußerung zweier Wohneinheiten im Objekt Werner-von-Siemens-Straße 14, nachdem dieses Ansinnen bereits in der vorbereitenden Sitzung des Haupt- und Finanzauschusses nicht mehrheitsfähig war. Die Wohnungen sollen zunächst nicht veräußert werden.

Belegung parlamentarischer Bildungslehrgänge angeboten

Eingangs der Sitzung hatte Parlamentsvorsteher Duarte im Rückblick auf vorangegangene Sitzungen erklärt, die Hessische Gemeindeordnung (HGO) regele klar, dass die „Richtlinien der Stadtpolitik ausschließlich von der Stadtverordnetenversammlung bestimmt werden“.

Das sei in den Paragrafen 50 und 51 der HGO deutlich geregelt. Alleine die innerstädtische Verkehrsregelung liege in der Hand des Bürgermeisters.

Entsprechend empfahl der Parlamentschef insbesondere den neuen Gremienmitgliedern entsprechende parlamentarische Bildungslehrgänge zu belegen, die er gerne koordinieren wolle.