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Wie sieht das Landleben in Zukunft aus?

Die Spirale „immer mehr, immer größer, immer weiter“ müsse zurückgefahren werden, erläuterte Prof. Niko Paech.

Fachleute diskutierten in Reichelsheim wie Impulse für kreative Entwicklungen auf dem Land gesetzt, und lokale und regionale Qualitäten gestärkt werden können + + + „Regionalität und Wiederbelebung bestehender Strukturen als Lösung“

ODENWALD / REICHELSHEIM. - In welcher Landschaft wollen wir jetzt und in Zukunft leben? Diese Frage stand im Mittelpunkt einer Veranstaltung, zu welcher der Verein MUNA e.V. und die Gemeinde Reichelsheim eingeladen hatte.

Die Veranstaltung war mit Bedacht auf die aktuellen Auswirkungen des Rückgangs der Landwirtschaft, der Bevölkerung und der anstehenden Energiewende gelegt. Denn die Auseinandersetzung mit der Wertigkeit und gemeinschaftlichen Gestaltung von Lebensräumen seien, so die Referenten, für die Odenwaldlandschaft elementar.

Der Oldenburger Nachhaltigkeits- und Zukunftsforscher Prof. Niko Paech plädiert für einen Abschied vom Überfluss und eine Rückkehr zu Strukturen, die aus der Region für die Region entwickelt werden.

Er machte ebenfalls den Zusammenhang von Lebensraum, Energiegewinnung und Verbrauch deutlich. Paech machte nachvollziehbar, dass eine rein technische Energiewende, die letztlich doch nur dem Ãœberfluss diene und damit dem Klima schade, wirkungslos sei.

Tatsächlich sei es trotz Milliardeninvestitionen in den Subventionsmarkt der Energiewende nicht gelungen, Deutschland dem Klimaziel näher zu bringen. Im Gegenteil! Die Spirale „immer mehr, immer größer, immer weiter“ müsse, so Prof. Paech, zurückgefahren werden. Die Lösung sei Regionalität und Wiederbelebung bestehender Strukturen und nicht das implementieren technischer Elemente wie zahllose Windräder.

Der Architekt und Planer Roland Gruber ist nicht nur „Österreicher des Jahres 2012“. Durch seine wirkungsvollen, gleichermaßen sozialen wie städtebaulichen Dorf-Wiederbelebungen ist er ein Star in der Fachwelt. Auch in Deutschland zählt er zu den führenden Köpfen der unkonventionellen Städteplanung.

In einem humorvollen und mitreißenden Vortrag machte er bewusst, wie Dorfbelebung funktioniert – und wie sie auf keinen Fall funktioniert. Die Rückbesinnung auf örtliche Qualitäten und Traditionen spielt für ihn eine besondere Rolle.

Das starke ästhetische Bild im Wechselspiel von Dorf und Landschaft ist für ihn keine Nebensache; Ästhetik sei vielmehr wichtiger Baustein eines kollektiven Wohnbefindens und damit Voraussetzung für Bestandserhalt und Fortentwicklung. Zahlreiche Beispiele ehemals verödeter Dörfer stellte Gruber hervor, in denen Menschen wieder Lust auf Dorf und Gemeinschaft zurückgewonnen haben.

Aus dem Odenwald waren die Brüder Fritz und Maximilian Krings vertreten. Ihre Familien haben binnen weniger Jahre mit einer Vielzahl jugendlicher, schwungvoller und hoch-kreativer Konzepte die Region bereichert. Ihr beliebtes Festival „Sound of the Forest“ aktiviert Besucher aus ganz Deutschland.

Auch weil Festivaltourismus nicht unbedingt klimaschonend ist, haben Max und Fritz Krings noch eine ganze Reihe anderer, Vor-Ort-Angebote geschaffen, die junge Menschen in der Region halten. In allen dieser Angebote vermitteln sie ihre persönliche Verbundenheit zu Wald, Natur und Region des Odenwaldes.

In der „Generation Handy“ setzen sie damit erfrischende Gegenakzente, um ländliches Leben für junge Menschen attraktiv zu machen, getreu dem Motto: „Zurück zur Natur“. Ihre Mischung aus Kultur, Kreativität und sozialem Veranstaltungsmanagement mit Schwerpunkt der „Generation U40“ ist zu einem starken Standortfaktor geworden.

Im Zusammenwirken der Referenten zeigte sich, dass ein Prozess kreativer Dorfgespräche immer Gewinner auf allen Seiten produziert. Die Diskussion darüber, wie Menschen sich ihre Lebensumgebung wünschen, müsse miteinander und konstruktiv geführt werden, ebenso, welche Nachhaltigkeitsaspekte dabei eine Rolle spielen.

Ein Mitglied des Reichelsheimer Gemeinderates unterstützte dies und beklagte, dass die Auseinandersetzung über Windkraft letztlich nur Blockaden von allen Seiten verursacht habe. Unter der Moderation der Architektin Prof. Kerstin Schultz und des Journalisten Jörg Rehmann entwickelte sich ein ungewohnt entspannter und gleichsam ernsthaft geführter Dialog auch mit dem Publikum.

Wenn die vielfach geäußerte Bereitschaft zur Fortsetzung ernst genommen wird, kann dies der Anfang einer positiven, gemeinsamen Entwicklung sein. Jedenfalls waren die vorher-nachher-Bilder von Roland Gruber über erfolgreich wiederbelebte Dörfer der Steiermark und Kärntens schon bestechend. Ein spannender Abend!