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Enttarnt: Keineswegs fĂŒhrten nur denkmalschutzrechtliche Vorgaben zur „Stolperfalle mitten in der Stadt“

Vor Ort: Der Bauausschuss des Erbacher Stadtparlaments mit seinem Vorsitzenden Michael GĂ€nssle (links) veschaffte sich einen Überblick ĂŒber die aktuellen Begehbarkeitsprobleme auf dem Marktplatz. Die bei der ursprĂŒnglichen Planung und Sanierung des Erbacher Marktplatzes zustĂ€ndige Mitarbeiterin des Landesamtes fĂŒr Denkmalpflege Kristin Schubert (rechts) und BĂŒrgermeister Dr. Peter Traub (2. von links) hören den Beschwerden einiger Menschen mit Handicaps aufmerksam zu.

Kristin Schubert vom Landesamt fĂŒr Denkmalpflege erlĂ€utert anhand eines Planes die Entwicklung des Erbacher Marktplatzes. Otto Ihrig (links) assistiert und Erbachs Stadtbaumeister Martin La Meir (rechts) hört angespannt zu.

Zweifelhafte Versuche die unebene Marktplatzpflasterung in einem Selbstversuch aus der Sicht eines Menschen mit Handicap zu testen: Bauausschuss-Vorsitzender Michael GĂ€nssle (hinten rechts) mit Rollator und Hans-Peter Trumpfheller (vorne) im Rollstuhl. Fotos: er

Bauausschuss beschĂ€ftigt sich mit einem ÜWG-Antrag zur Herstellung einer begehbaren FlĂ€che zwischen den zwei MĂŒmlingbrĂŒcken und zur Verbesserung der Barrierefreiheit, mit dem Planungsfehler nachtrĂ€glich behoben werden sollen

ERBACH. - „Wir waren zu vielen ZugestĂ€ndnissen bereit, aber die PlĂ€ne kamen von der Stadt“, sagte Kristin Schubert.

Die in Erbach liierte ehemals bei der Planung und Sanierung des Erbacher Marktplatzes (2016 bis 2018) zustĂ€ndige Mitarbeiterin des Landesamtes fĂŒr Denkmalpflege in Wiesbaden rĂ€umte so mit den mehrfach vorgetragenen EinwĂ€nden des Erbacher Stadtbaumeisters Martin La Meir auf, der in der Planungs- und Entstehungsphase des Marktplatzes immer wieder argumentiert hatte, man habe sich ausschließlich an die Vorgaben des Landesamts fĂŒr Denkmalpflege zu halten.

„Herstellung einer begehbaren FlĂ€che und Verbesserung der Barrierefreiheit“

Aktuell war der Bauausschuss des Erbacher Stadtparlaments zusammen gekommen, um sich vor dem Hintergrund eines ÜWG-Antrags zur Verbesserung der unbefriedigenden bis teilweise unmöglichen Querung des Marktplatzes fĂŒr FußgĂ€nger wie insbesondere auch Menschen mit Behinderungen vor Ort einen Überblick zu verschaffen.

Konkret zielt der ÜWG-Antrag ab auf „Herstellung einer begehbaren FlĂ€che zwischen den zwei MĂŒmlingbrĂŒcken zur Verbesserung der Barrierefreiheit“.

Massive Beschwerden aus der Bevölkerung

Zuvor war es zu massiven Beschwerden zahlreicher BĂŒrger gekommen, die Klage darĂŒber fĂŒhren, den Marktplatz nach seiner „Sanierung“ nicht mehr unbeschwert ĂŒberqueren zu können.

Als einer der drastischsten Belege dazu dient das Faktum, dass einem Rollstuhlfahrer ein Vorderrad abbrach, als es in einer der breiten Fugen zwischen den Pflastersteinen hÀngen geblieben war.

Zu dem der Sitzung vorgeschalteten Ortstermin waren mit dem Behindertenbeauftragten Heinrich Wilhelm Bernhard auch mehrere BĂŒrger mit Handicaps in RollstĂŒhlen oder mit ihren Rollatoren, wie auch zahlreiche interessierte Erbacher BĂŒrgerinnen und BĂŒrger gekommen.

„Schweres Thema lĂ€sst keine schnelle Lösung erwarten“

Ausschuss-Vorsitzender Michael GĂ€nssle (ÜWG) brachte es gleich auf den Punkt: „Das schwere Thema lĂ€sst keine schnelle Lösung erwarten“, und fand in BĂŒrgermeister Dr. Peter Traub einen UnterstĂŒtzer dieser These.

Kristin Schubert hatte zuvor deutlich gemacht, dass, wenn gewĂŒnscht, Einiges in Richtung der Verbesserung der Begehbarkeit möglich sei, sofern das Gesamtbild des Platzes nicht beeintrĂ€chtigt werde.

GĂ€nssle zeigte auch die Problematik auf, dass hier nicht willkĂŒrlich besser begehbare FlĂ€chen hergestellt werden könnten: „Wir hĂ€tten sonst eventuell die Situation, dass beispielsweise zum Weihnachtsmarkt die Buden auf geraden FlĂ€chen stehen wĂŒrden, und die Besucher nach wie vor die Unebenheiten bewĂ€ltigen mĂŒssten.“

„KlĂ€ren, ob wir das wollen und uns leisten können“

Festzustellen sei deshalb zunĂ€chst „was wir wollen und erst danach ĂŒber das Geld nachzudenken, um zunĂ€chst die wichtigen Verbindungen festzustellen und zu bewerten, und dann vielleicht die Wichtigsten davon zu ertĂŒchtigen“.

In einem zweiten Schritt mĂŒsse man dann die Finanzfrage prĂŒfen und klĂ€ren, „ob wir das wollen und uns leisten können“, sagte GĂ€nssle.

„Schon ziemlich konkret darĂŒber gesprochen“

Klaus-Peter Trumpfheller (CDU) hielt es fĂŒr sinnvoll, zunĂ€chst einmal „Hauptadern festzulegen und damit planerisch zu beginnen.“ Volker Scheuermann (ÜWG) erinnerte daran, dass „schon ziemlich konkret darĂŒber gesprochen“ worden sei, zunĂ€chst entlang der BĂ€nke einen entsprechenden, etwa 1,50 Meter breiten >Gehweg< anzulegen.

Dem pflichtete Michael GĂ€nssle bei, „um ein langes StĂŒck zu ertĂŒchtigen“. Insgesamt könne man „den Marktplatz nicht ganz isoliert sehen, auch wenn er heute im Diskussionsmittelpunkt steht“. Gemeint war damit die weitere ErtĂŒchtigung der Gehwege z.B. auch im angrenzenden Lustgarten.

ZunĂ€chst aber wolle man sich auf die Marktplatzseite an der MĂŒmling konzentrieren, „um ĂŒber eine KostenschĂ€tzung zu ermitteln, was das kostet“, sagte GĂ€nssle.

Auch stand die Frage im Raum, ob der ohnehin besser begehbare parallel verlaufende Durchgang zwischen der MĂŒmling-BrĂŒcke am Lustgarten und dem Erbacher Brauhaus zur Nutzung empfohlen werden solle und ergĂ€nzend die ZugĂ€nge zu Schloss, StĂ€dtel und Bahnstraße auf dem Marktplatz ertĂŒchtigt werden könnten.

Nutzungskonzept fĂŒr den Marktplatz fehlt noch immer

Zum wiederholten Mal mahnte Christa Weyrauch (GRÜNE) ein noch immer fehlendes Nutzungskonzept fĂŒr den Marktplatz an. Ein solches sei schon sehr lange im GesprĂ€ch ohne jemals prĂ€sentiert worden zu sein.

Bereits im Dezember 2016 hatte Christa Weyrauch als Fraktionssprecherin der GRÜNEN im Erbacher Stadtparlament den ursprĂŒnglich vorliegenden Entwurf zur Neugestaltung des Erbacher Marktplatzes als „eine Barriere und Stolperfalle mitten in der Stadt“, kritisiert (siehe FACT-Beitrag unter: www.de-fakt.de/bundesland/hessen/odenwaldkreis/details/?tx_ttnews).

Empfehlung: FachbĂŒro zur Planung einschalten

In diesem Zusammenhang empfahl Kristin Schubert die Einschaltung eines FachbĂŒros zur Planung, denn der Platz mĂŒsse auch fĂŒr behinderte Menschen sehr gut nutzbar sein.

Einem solchen Antrag der ÜWG zur Erstellung eines Alternativplans durch ein externes FachbĂŒro hatte der damalige BĂŒrgermeister Harald Buschmann im Dezember 2016 auch mit dem Hinweis auf Mehrkosten im sechsstelligen Bereich eine deutliche Absage erteilt.

Keine konkreten Antworten zu planerischen UrsprĂŒngen

„Wir können uns glĂŒcklich schĂ€tzen, dass wir einen Stadtbaumeister haben, der einen solchen Plan erstellen kann“, war Buschmann diesem Ansinnen damals entschieden entgegen getreten, ehe die ÜWG-Fraktion den Antrag aufgrund nicht vorhandener MehrheitsfĂ€higkeit zurĂŒckzog (siehe o.a. FACT-Bericht).

Nicht konkret beantworten konnte oder wollte Schubert die Fragen des Erbacher EhrenbĂŒrgers und langjĂ€hrigen frĂŒheren Stadtverordneten Otto Ihrig nach den planerischen UrsprĂŒngen und Vorgaben zur Umgestaltung des Erbacher Marktplatzes.

„Barrierefreiheit dient allen BĂŒrgern“

Heinrich Wilhelm Bernhard wies in einem ausfĂŒhrlichen Statement darauf hin, der Begriff Barrierefreiheit entfalte eine deutlich höhere Wirkung als der Wortsinn vermuten lasse.

Unter Hinweis auf ein seit 2016 gĂŒltiges Gesetz, „die Belange der Barrierefreiheit besonders zu berĂŒcksichtigen“ sei den Planern Entsprechendes vorgegeben, was letztlich nicht nur Menschen mit Handicaps, sondern allen BĂŒrgerinnen und BĂŒrgern zugute komme.

Keine zeitnahe Lösung des Problems zu erwarten

Der empfehlende Beschluss des Bauausschusses an das Erbacher Stadtparlament zielt schlussendlich darauf ab, den Magistrat zu veranlassen, grundsĂ€tzliche Maßnahmen zur ErtĂŒchtigung des Marktplatzes unter BerĂŒcksichtigung eines Nutzungskonzepts einzuleiten.

Wenngleich der BĂŒrgermeister diesem Ansinnen grundsĂ€tzlich zustimmte, gab er zu bedenken, dass dies aufgrund zahllos vorliegender Aufgabenfelder keinesfalls zeitnah geschehen könne.