Jugendamt schult Mitarbeiter: âPrĂ€ventions- und Schutzkonzepte unerlĂ€sslichâ
ODENWALDKREIS / ERBACH. - Der Odenwaldkreis will den Schutz von Kindern und Jugendlichen vor sexueller Gewalt weiter verbessern und hat Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern von stationĂ€ren und teilstationĂ€ren Einrichtungen der Jugendhilfe jĂŒngst eine entsprechende Fortbildung angeboten.
Zu ihr hatte das Jugendamt eingeladen. Ein Schwerpunkt der zweiteiligen Tagung lag auf der konsequenten Anwendung und Fortschreibung von PrĂ€ventions- und Schutzkonzepten, die Kinder- und Jugendheime vorweisen mĂŒssen â auch die 23 Einrichtungen im Odenwaldkreis. In ihnen leben derzeit rund 160 Kinder und Jugendliche.
âDiese Konzepte sind unerlĂ€sslich, denn sie helfen dabei, Grenzen zu setzen und einzuhalten sowie Ăbergriffe so frĂŒh wie möglich zu erkennenâ, hebt Hildegard Lang hervor. Sie ist im Jugendamt zustĂ€ndig fĂŒr die Fachberatung und Aufsicht der Kinder- und Jugendheime.
Gemeinsam mit Gertrud Sieverding von der ebenfalls zum Jugendamt gehörenden Beratungsstelle fĂŒr Kinder, Jugendliche und Eltern hat Lang die Fortbildung organisiert. Wie wichtig das Thema ist, zeigt die hohe Zahl der Anmeldungen: Insgesamt haben 48 FachkrĂ€fte teilgenommen.
Um das Thema mit der nötigen SensibilitĂ€t behandeln zu können, entschlossen sich Lang und Sieverding dazu, die Gruppe aufzuteilen und die Veranstaltung zweimal durchzufĂŒhren.
Die Teilnehmer befassten sich zunĂ€chst mit sexuellen GrenzĂŒberschreitungen und Ăbergriffen unter Kindern und Jugendlichen. FĂŒr PĂ€dagoginnen und PĂ€dagogen sowie Therapeutinnen und Therapeuten in der Jugendhilfe ist das schon seit lĂ€ngerem ein Thema.
Allerdings gibt es erst seit dem Bekanntwerden von massivem Kindesmissbrauch in Heimen und Internaten wissenschaftlich erhobene Zahlen hierzu.
So kommt etwa eine vom UniversitĂ€tsklinikum Ulm in Kooperation mit der Frankfurter Goethe-UniversitĂ€t erstellte Orientierungshilfe fĂŒr pĂ€dagogische FachkrĂ€fte in Jugendheimen zu dem Schluss: âKinder und Jugendliche, die in Einrichtungen leben und aufwachsen, haben in ihrer Vergangenheit hĂ€ufig Gewalterfahrungen gemacht. Sie sind besonders gefĂ€hrdet, erneut (sexuelle) Gewalt zu erfahren, aber auch sexuell ĂŒbergriffiges Verhalten zu zeigen.â
Die Publikation entstand im Rahmen des im Oktober 2016 abgeschlossenen Forschungsprojekts âSprich mit!â. FĂŒr die Studie waren Jugendliche in 20 Jugendhilfe-Einrichtungen und zwölf Internaten befragt worden. Von ihnen gaben 57 Prozent an, in ihrem Leben eine Form sexueller Gewalt erlebt zu haben; knapp ein Drittel erlebte den ersten sexuellen Ăbergriff innerhalb ihrer Einrichtung.
âMit unserer Fortbildung wollen wir die Wahrnehmung fĂŒr sexuelle Grenzverletzungen und Ăbergriffe schĂ€rfen. AuĂerdem wurden mehrere Schritte zur VerstĂ€rkung des Kinderschutzes erarbeitetâ, schildert Schul- und Jugend-Dezernent Oliver Grobeis.
âWichtig ist zum Beispiel, dass jede Einrichtung sexualpĂ€dagogische Leitlinien hat und sie in ihr PrĂ€ventions- und Schutzkonzept einfĂŒgtâ, hebt Sieverding hervor. Beispielsweise dĂŒrfe schon eine abwertende, sexuell gefĂ€rbte Sprache unter Kindern und Jugendlichen nicht hingenommen werden. âDenn hier beginnt Gewalt.â
Lang ist zur Zeit mit zwei FĂ€llen beschĂ€ftigt, in denen es um sexuelle Grenzverletzungen zwischen Heimbewohnern geht. âWenn es zu Ăbergriffen kommt, steht der Opferschutz immer an erster Stelle. Zugleich muss gemeinsam mit Eltern oder VormĂŒndern ĂŒberlegt werden, was mit dem TĂ€ter geschieht, der sich mit seiner Tat auseinandersetzen muss.
Ihn einfach in einem neuen Heim unterzubringen, reicht nicht. Es wird besprochen, wer welche Aufgaben ĂŒbernimmt, bis hin zu einer Anzeige bei der Polizeiâ, schildert Lang.
Gemeldete sexuelle Ăbergriffe und Missbrauch durch Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter gab es in den Kinder- und Jugendheimen im Odenwaldkreis in den vergangenen Jahren nicht, wie sie hinzufĂŒgt. Mit den Strategien erwachsener TĂ€ter beschĂ€ftigten sich die FachkrĂ€fte im zweiten Teil der Fortbildung. Sie frĂŒh zu erkennen, um Ăbergriffen vorzubeugen, ist ebenfalls ein wichtiger Bestandteil der PrĂ€ventions- und Schutzkonzepte.
Entsprechend den Empfehlungen des von der Bundesregierung eingesetzten UnabhĂ€ngigen Beauftragten fĂŒr Fragen des sexuellen Kindesmissbrauchs wurden in der Fortbildungsveranstaltung weitere Themen aufgegriffen, die fĂŒr die Entwicklung und Anwendung von Schutzkonzepten wichtig sind, zum Beispiel Regelungen zum Opferschutz, zu Beschwerdeverfahren und der Beteiligung von Kindern und Jugendlichen an ihnen.
âJene Konzepte können sexuelle Gewalt nicht völlig verhindern, helfen aber, die Zugangswege fĂŒr TĂ€ter zu erschweren und alle Verantwortlichen in einer Institution besser miteinander zu vernetzenâ, halten Lang und Sieverding fest. âDarĂŒber hinaus können gut entwickelte Schutzkonzepte den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern mehr Sicherheit geben, weil HandlungsablĂ€ufe und ZustĂ€ndigkeiten klar geregelt werden.â