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Jugendamt schult Mitarbeiter: „PrĂ€ventions- und Schutzkonzepte unerlĂ€sslich“

FĂŒr noch mehr Schutz: Gertrud Sieverding (links) und Hildegard Lang arbeiten im Jugendamt des Odenwaldkreises und haben eine Fortbildung zur PrĂ€vention sexueller Gewalt in Einrichtungen der Jugendhilfe organisiert. Das Plakat des Vereins „Zartbitter“ zeigt worum es geht: Grenzen zu setzen und zu respektieren. Foto: Stefan Toepfer/Kreisverwaltung

ODENWALDKREIS / ERBACH. - Der Odenwaldkreis will den Schutz von Kindern und Jugendlichen vor sexueller Gewalt weiter verbessern und hat Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern von stationĂ€ren und teilstationĂ€ren Einrichtungen der Jugendhilfe jĂŒngst eine entsprechende Fortbildung angeboten.

Zu ihr hatte das Jugendamt eingeladen. Ein Schwerpunkt der zweiteiligen Tagung lag auf der konsequenten Anwendung und Fortschreibung von PrĂ€ventions- und Schutzkonzepten, die Kinder- und Jugendheime vorweisen mĂŒssen – auch die 23 Einrichtungen im Odenwaldkreis. In ihnen leben derzeit rund 160 Kinder und Jugendliche.

„Diese Konzepte sind unerlĂ€sslich, denn sie helfen dabei, Grenzen zu setzen und einzuhalten sowie Übergriffe so frĂŒh wie möglich zu erkennen“, hebt Hildegard Lang hervor. Sie ist im Jugendamt zustĂ€ndig fĂŒr die Fachberatung und Aufsicht der Kinder- und Jugendheime.

Gemeinsam mit Gertrud Sieverding von der ebenfalls zum Jugendamt gehörenden Beratungsstelle fĂŒr Kinder, Jugendliche und Eltern hat Lang die Fortbildung organisiert. Wie wichtig das Thema ist, zeigt die hohe Zahl der Anmeldungen: Insgesamt haben 48 FachkrĂ€fte teilgenommen.

Um das Thema mit der nötigen SensibilitĂ€t behandeln zu können, entschlossen sich Lang und Sieverding dazu, die Gruppe aufzuteilen und die Veranstaltung zweimal durchzufĂŒhren.

Die Teilnehmer befassten sich zunĂ€chst mit sexuellen GrenzĂŒberschreitungen und Übergriffen unter Kindern und Jugendlichen. FĂŒr PĂ€dagoginnen und PĂ€dagogen sowie Therapeutinnen und Therapeuten in der Jugendhilfe ist das schon seit lĂ€ngerem ein Thema.

Allerdings gibt es erst seit dem Bekanntwerden von massivem Kindesmissbrauch in Heimen und Internaten wissenschaftlich erhobene Zahlen hierzu.

So kommt etwa eine vom UniversitĂ€tsklinikum Ulm in Kooperation mit der Frankfurter Goethe-UniversitĂ€t erstellte Orientierungshilfe fĂŒr pĂ€dagogische FachkrĂ€fte in Jugendheimen zu dem Schluss: „Kinder und Jugendliche, die in Einrichtungen leben und aufwachsen, haben in ihrer Vergangenheit hĂ€ufig Gewalterfahrungen gemacht. Sie sind besonders gefĂ€hrdet, erneut (sexuelle) Gewalt zu erfahren, aber auch sexuell ĂŒbergriffiges Verhalten zu zeigen.“

Die Publikation entstand im Rahmen des im Oktober 2016 abgeschlossenen Forschungsprojekts „Sprich mit!“. FĂŒr die Studie waren Jugendliche in 20 Jugendhilfe-Einrichtungen und zwölf Internaten befragt worden. Von ihnen gaben 57 Prozent an, in ihrem Leben eine Form sexueller Gewalt erlebt zu haben; knapp ein Drittel erlebte den ersten sexuellen Übergriff innerhalb ihrer Einrichtung.

„Mit unserer Fortbildung wollen wir die Wahrnehmung fĂŒr sexuelle Grenzverletzungen und Übergriffe schĂ€rfen. Außerdem wurden mehrere Schritte zur VerstĂ€rkung des Kinderschutzes erarbeitet“, schildert Schul- und Jugend-Dezernent Oliver Grobeis.

„Wichtig ist zum Beispiel, dass jede Einrichtung sexualpĂ€dagogische Leitlinien hat und sie in ihr PrĂ€ventions- und Schutzkonzept einfĂŒgt“, hebt Sieverding hervor. Beispielsweise dĂŒrfe schon eine abwertende, sexuell gefĂ€rbte Sprache unter Kindern und Jugendlichen nicht hingenommen werden. „Denn hier beginnt Gewalt.“

Lang ist zur Zeit mit zwei FĂ€llen beschĂ€ftigt, in denen es um sexuelle Grenzverletzungen zwischen Heimbewohnern geht. „Wenn es zu Übergriffen kommt, steht der Opferschutz immer an erster Stelle. Zugleich muss gemeinsam mit Eltern oder VormĂŒndern ĂŒberlegt werden, was mit dem TĂ€ter geschieht, der sich mit seiner Tat auseinandersetzen muss.

Ihn einfach in einem neuen Heim unterzubringen, reicht nicht. Es wird besprochen, wer welche Aufgaben ĂŒbernimmt, bis hin zu einer Anzeige bei der Polizei“, schildert Lang.

Gemeldete sexuelle Übergriffe und Missbrauch durch Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter gab es in den Kinder- und Jugendheimen im Odenwaldkreis in den vergangenen Jahren nicht, wie sie hinzufĂŒgt. Mit den Strategien erwachsener TĂ€ter beschĂ€ftigten sich die FachkrĂ€fte im zweiten Teil der Fortbildung. Sie frĂŒh zu erkennen, um Übergriffen vorzubeugen, ist ebenfalls ein wichtiger Bestandteil der PrĂ€ventions- und Schutzkonzepte.

Entsprechend den Empfehlungen des von der Bundesregierung eingesetzten UnabhĂ€ngigen Beauftragten fĂŒr Fragen des sexuellen Kindesmissbrauchs wurden in der Fortbildungsveranstaltung weitere Themen aufgegriffen, die fĂŒr die Entwicklung und Anwendung von Schutzkonzepten wichtig sind, zum Beispiel Regelungen zum Opferschutz, zu Beschwerdeverfahren und der Beteiligung von Kindern und Jugendlichen an ihnen.

„Jene Konzepte können sexuelle Gewalt nicht völlig verhindern, helfen aber, die Zugangswege fĂŒr TĂ€ter zu erschweren und alle Verantwortlichen in einer Institution besser miteinander zu vernetzen“, halten Lang und Sieverding fest. „DarĂŒber hinaus können gut entwickelte Schutzkonzepte den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern mehr Sicherheit geben, weil HandlungsablĂ€ufe und ZustĂ€ndigkeiten klar geregelt werden.“