Auch die Bürgermeister Harald Buschmann (CDU) und Stefan Lopinsky (RWG) mischten eifrig mit
Strafprozess gegen Dietrich Kübler, den ehemaligen Landrat des Odenwaldkreises: Allein die Kosten des Rechtsstreits beliefen sich für die Tourismus-GmbH auf mehr als 100.000 EuroODENWALDKREIS / MICHELSTADT. - Als programmfüllend erwies sich am sechsten Verhandlungstag die einzige Zeugin im Prozess gegen den früheren Odenwälder Landrat, Dietrich Kübler (67, ÜWG), die Geschäftsführerin der Odenwald Tourismus GmbH (OTG) in Michelstadt, Kornelia Horn.
Durch Ladung nur dieser einen Zeugin sollte der Verhandlungstag am heutigen Dienstag, 12. September, ein Kurztermin werden, verhandelt wurde jedoch den gesamten Vormittag über und eine erneute Vorladung steht bereits im Raum.
Das Amtsgericht Michelstadt unter dem Vorsitzenden Richter Helmut Schmied hat seit Juli die Frage zu klären, ob Ex-Landrat Dietrich Kübler während seiner Amtszeit eine Werbeagentur widerrechtlich mit Aufträgen versorgt und sich damit der Untreue zum Nachteil des Odenwaldkreises schuldig gemacht hat.
Gesamtschaden alleine für die OTG deutlich über 100.000 Euro
Allein nicht ausbezahlte Fördergelder und Kosten in Zusammenhang mit dem Widerruf der Förderung eines Marketing-Projekts des Odenwaldkreises haben bisher einen Schaden in Höhe von knapp 100.000 Euro verursacht. So beurteilt die Staatsanwaltschaft Darmstadt, am Dienstag vertreten durch Oberstaatsanwalt Bernd Kunkelmann, die Ausgangslage.
Im Rahmen ihrer Zeugenaussage bezifferte Kornelia Horn allein die zusätzlichen Kosten der Rechtsberatung und Prozessführung der OTG auf etwa 90.000 Euro, entstanden durch Streitigkeiten mit der Erbacher Werbeagentur Lebensform GmbH, die im Prozess um die Amtsführung Küblers eine entscheidende Rolle spielt. Weitere Kosten für ein Verfahren vor dem Landgericht Darmstadt im Jahr 2014 bezeichnete Horn als „im Rahmen geblieben“.
Dubiose Rechnungen und dubiose Geheimtreffen
Immerhin handelte es sich dabei um einen Vergleich mit der Agentur, der die OTG 10.000 Euro und die Hälfte der Gerichtskosten sowie die eigenen Anwaltsgebühren kostete und damit wohl mit weiteren etwa 20.000 Euro zu Buche schlug.
In diesem Verfahren hatte die Agentur nach Aussagen von Kornelia Horn eine Rechnung für Fotos in Höhe von 80.000 Euro einklagen wollen, für die es keine Berechtigung gegeben habe. Die Richterin am Landgericht habe durchblicken lassen, dass sie die Klage abweisen wollte. Nur um eine Verlängerung des Prozesses durch ein mögliches Berufungsverfahren zu vermeiden, hatte laut Horn die OTG eine Zahlung von 10.000 statt 80.000 Euro vorgeschlagen.
Klare Haltung: Zahlung „dubioser Rechnungen“ für nicht bestellte Leistungen verweigert
Die OTG-Geschäftsführerin wartete als eine von wenigen Zeugen mit klaren Aussagen auf. Im Gegensatz zu anderen hatte sie unmissverständlich gegen Anweisungen des früheren Landrats opponiert, wenn es nach ihren Worten um Zahlungen „dubioser Rechnungen“ an die Werbeagentur ging.
Sie lehnte sie nicht nur ab, sondern stellte in OTG-Aufsichtsratssitzungen die dokumentierte Frage, ob der Landrat die Interessen einer Werbeagentur oder die der OTG vertrete. Nach ihrer Schilderung gab es jedoch nicht nur dubiose Forderungen im fünfstelligen Euro-Bereich, sondern hinter ihrem Rücken auch dubiose Treffen.
Einschüchterungsversuch mit „Stufenklage“ über 250.000 Euro
So hatte der Landrat zwei der sieben Aufsichtsräte der OTG zu einem diskreten Treffen mit der Werbeagentur bestellt. Dort saßen sie plötzlich nicht nur dem Landrat und dem Eigentümer der Agentur gegenüber, sondern auch dessen Anwalt und zwei Bürgermeistern aus dem Kreis, die nicht dem Aufsichtsrat angehörten: Harald Buschmann (CDU, Erbach) und Stefan Lopinsky (Reichelsheimer Wählergemeinschaft - RWG - , Reichelsheim).
Diese präsentierten in trauter Einigkeit einen Entwurf für eine so genannte „Stufenklage“ in Höhe von insgesamt 250.000 Euro (liegt der Redaktion vor).
OTG-Geschäftsführerin sollte entlassen werden
Diese würde die Agentur gegen die OTG einreichen, wenn nicht mindestens 40.000 gezahlt und die Geschäftsführerin Horn mit Aufhebungsvertrag entlassen würden. Die Stufenklage erwies sich nach Angaben von Kornelia Horn später als „Fake“ zwecks Einschüchterung der beiden Aufsichtsratsmitglieder, die sich Horn anvertraut hatten.
Horn blieb allerdings bis heute im Amt, der Landrat verließ nach der folgenden Aufsichtsratssitzung dieses Gremium. Kopfschütteln im gut gefüllten Zuhörersaal erntete der Kübler-Verteidiger Georg Dürig, der eine streitige Diskussion mit der Zeugin vom Zaun brechen wollte, ob es sich bei Foto-Speichermedien um CD-ROMs oder DVDs handelte. Wenn er keine anderen Sorgen hat…
Das Strafverfahren wird am Mittwoch, 4. Oktober, um 9 Uhr im Amtsgericht Michelstadt fortgesetzt.