Der Wald als inklusiver Lernort
Gelungener Schulstart für die gruppeninklusive Klasse der StadtschuleMICHELSTADT. - Montagmorgen, die Klasse 1b der Stadtschule Michelstadt bricht auf zu ihrer Waldwoche. Drei Tage haben die 19 Kinder und fünf Erwachsenen sich in ihren frisch renovierten Räumen bereits kennengelernt und allmählich an den Schulalltag gewöhnt.
Schon der Weg ist eine Herausforderung, Verkehrserziehung im Realraum. Der Bürgersteig an der Waldstraße ist oft zu schmal für den Bollerwagen, Treppenvorsprünge und Laternen zwingen zum Ausweichen auf die Straße.
Am Ponyhof angekommen versammeln sich alle auf der Bühne des Spielplatzes der Kulturen, im Hintergrund der Ententeich.
„Im Wald ermöglichen wir den Kindern unmittelbare Erfahrungen und können die natürlichen Bedingungen nutzen für Wahrnehmungs- und Bewegungsspiele“, erklärt Brigitte Götz. Sie und Antonia Hartung sorgen als sonderpädagogische Fachkräfte für eine durchgängige Doppelbesetzung.
Denn die 1b der Stadtschule ist eine sog. GIB-Klasse. „GIB steht für gruppeninklusive Beschulung. Alle Kinder unabhängig von ihrem Förderbedarf werden gemeinsam unterrichtet“, erklärt Ivonne Wiemer.
Sie leitet gemeinsam mit Ingrid Vollmer die 1b. Bis zu den Sommerferien war sie Leiterin der Stadtschule, davor unterrichtete sie viele Jahre in integrativen und jahrgangsgemischten Lerngruppen. „Vielfalt ist Bereicherung, Inklusion ein Menschenrecht. Sie muss gerade in der Schule gelebt werden“, bekennt sie.
Auf der Bühne werden die Waldregeln besprochen, das Wichtigste an diesem ersten Tag. Jeden Tag wird eine neue Gebärde gelernt, jeden Morgen gestalten die Kinder eine Seite ihres Waldtagebuchs, jedes wie es das am besten kann.
Denn die „normale“ Bandbreite eines 1. Schuljahres bildet sich auch in der 1b ab – vom 5-jährigen Leo (Namen von der Redaktion geändert) mit besonderer Begabung bis zum 9-jährigen David, der die Vorklasse besuchte und die 1. Klasse noch einmal freiwillig wiederholt.
Dazu kommt Florian, er hat Trisomie 21 und einen großen Bruder, der sehr stolz ist, dass er nun mit ihm gemeinsam in dieselbe Schule geht. Ali ist als Frühchen auf die Welt gekommen, Fatima hat eine Entwicklungsverzögerung im sprachlichen Bereich, Paula bisher noch kein Wort geredet, obwohl sie fast alles versteht.
Nach dem gemeinsamen Frühstück geht es weiter in den Wald. Erste Station ist der Balancierparcours, erst kürzlich aus Baumstämmen gebaut. Geschicklichkeit und Gleichgewicht trainieren sich hier von ganz allein, selbst Schulbegleiterin Lydia Faust und FSJlerin Luka Damitz können nicht widerstehen.
Die Kinder arbeiten in der Waldwoche in festen Teams, müssen sich ein eigenes Quartier bauen und zuvor einen Waldschatz finden, der ihrer Gruppe den Namen gibt: Steine, Würmer, Eidechsen Grashüpfer.
Jeden Tag gibt es Aufgaben zu erledigen, z.B. Insekten beobachten oder Herausfinden, mit was man alles „Schreiben“ kann. Dabei hilft die Waldkiste, bestückt mit nützlichen Werkzeugen.
Am letzten Tag gilt es Stöcke in diese Kiste zu sammeln, in der Schule sollen sie dann gezählt, sortiert und verarbeitet werden zu einem Kunstobjekt.
Freitag, eine Woche voller Sonnenschein ist zu Ende, Eltern holen glückliche Kinder ab. Das Pädagoginnen-Team wertet aus. Die Klasse 1b ist zusammengewachsen, intensive Tage ohne Stress und Konflikte. Der Wald ist eben ein inklusiver Lernort.
Die neuen Lernräume in der Schule werden es auch bald sein. Am Sonntag trifft man sich zum Einrichten und Einräumen der neuen Möbel wieder. Und am Montag geht das inklusive Lernen in der Schule weiter.