Auf zum Nachtisch: Pfarrerehepaar Dr. Hoerschelmann und Köbler verabschiedet
Rund 21 Jahre wirkten die beiden Geistlichen segensreich in der Odenwälder Kreisstadt wie im gesamten LandkreisBAD KÖNIG / ERBACH. - Fröhliches, markantes Lachen dringt an diesem Morgen aus der geöffneten Haustür – eines der Merkmale des Erbacher Pfarrers Dr. Thomas Hoerschelmann, der nun in den Ruhestand verabschiedet wurde.
Seit 2003 hatte er in der Kreisstadt die Pfarrstelle Süd inne. Hoerschelmann lacht gerne, er hat eine gute Portion Humor und den manchmal notwendigen Blick auf das Leben, der nicht alles zu ernst nimmt.
Freilich, das ist nur die eine Seite. Sitzt man ihm bei einem guten Gespräch über Gott und die Welt – da hat er als Pfarrer naturgemäß einiges beizutragen – gegenüber, nimmt man indessen auch die andere Seite wahr, die nachdenkliche, manchmal auch kritische.
Als Fußballbegeisterter unterscheidet Pfarrer Hoerschelmann auch beim Rückblick auf seine Berufsjahre in Erbach in Heim- und Auswärtsspiele.
Heimspiele, das waren für ihn unter anderem Geburtstagsbesuche, Gottesdienste, Taufen und geschätzte über 600 Trauerfeiern; ferner auch Besprechungen, Konferenzen und der Kirchenvorstandsvorsitz.
Mit über 20 Jahren auf seiner Stelle kam auch eine gewisse Kontinuität in die evangelische Kirchengemeinde der Kreisstadt, wo es vor allem in den Jahren davor einige Personalwechsel innerhalb kurzer Zeit gegeben hatte.
Die Seelsorge habe sich mit den Jahren deutlich verändert, resümiert er: „Früher war man als Pfarrer der religiöse Spezialist bei Themen wie Krankheit, Sterben, Tod und Lebenskrisen“; damit kämen Menschen heute offensichtlich gut alleine zurecht.
In den vergangenen Jahren hingegen sei er häufig als Ratgeber und Vertrauensperson angefragt worden, wenn es um Tabuthemen ging.
Mit den Auswärtsspielen meint der Pfarrer nicht nur das, was räumlich über Erbach hinausreicht, sondern auch das, was den engeren Bezirk verlässt: Schon früh sah er, dass beispielsweise Jugendliche nicht so gerne ins Gemeindehaus gehen, für manche stellte die Türschwelle zugleich eine Art Hemmschwelle dar.
Also mietete die Kirchengemeinde ein ehemaliges Ladengeschäft in der Bahnstraße an, Konfirmanden und konfirmierte Jugendliche richteten es als ihr zweites Zuhause her, und das „Chill-out“ fungierte als Jugendtreff.
Später wurde es zugunsten des Bären aufgegeben, eines ehemaligen Traditionsgasthauses genau gegenüber der Stadtkirche im Städtel.
Hier kamen alle zusammen: Jugendliche, Arbeitssuchende, Theatermacher, Kulturinteressierte und auch die Kerngemeinde, die gegenüber aus der Kirchentür heraus- und gleich hier wieder eintrat, zum Kirchenkaffee oder zum Beisammensein und Predigtnachgespräch.
Es gab Speisungen für Obdachlose, Treffen junger Eltern und, „einfach mal so“: Gesprächskreise. – „Davon habe auch ich gezehrt“, sagt der scheidende Pfarrer, für den Kirche auch an solchen Orten Gestalt gewinnt, vielleicht sogar in besonders lebendiger Form.
Auswärtsspiele waren auch die insgesamt 23 Segelfreizeiten, zumeist in Holland – mal mit Konfirmanden oder älteren Jugendlichen, aber auch mit Erwachsenen und Jugendlichen gemeinsam.
Und dann gab es auch Trauungen von Erbacher Gemeindegliedern auswärts, welche ihm im Gedächtnis bleiben, so etwa in Slowenien, Luxemburg oder in der Toskana. Hier gefragt zu sein und dabei sein zu dürfen, „das ist ein Ritterschlag“.
Auch Prädikanten- und Lektorenkurse sowie Religionsunterricht in der Grundschule und Ethikunterricht in der Krankenpflegeschule gehörten für Hoerschelmann zu den Auswärtsspielen.
Die Entscheidung für Erbach fiel einst der Legende nach schon etliche Jahre bevor er hier anfing, bei einer Motorradtour durch den Odenwald.
„Hier will ich mal Pfarrer werden“, habe der 1958 in Bad Vilbel geborene und im Norden Frankfurts aufgewachsene Hoerschelmann damals zu seiner Freundin und späteren Ehefrau Renate Köbler, einer Odenwälderin, gesagt.
2003 kamen sie dann tatsächlich hierher, aber nicht nur zu zweit, sondern mit ihren Kindern Max und Julia; so zog eine ganze Familie ins Pfarrhaus an der Neckarstraße ein.
Beim Theaterspielen im Rahmen des Erbach-Michelstädter Theatersommers mimte Hoerschelmann den Don Camillo – das wird es nicht allzu oft geben, dass der Geistliche auf der Bühne auch im echten Leben einer ist.
Dem Theaterspiel will er auch im Ruhestand treu bleiben, außerdem dem Gänsgretelverein Gi-Gack, zu dem hinzugewählt worden zu sein für ihn ein zweiter Ritterschlag war, wie er sagt.
Mit seiner Frau, der Dekanatsbildungs- und Ökumenepfarrerin Renate Köbler, die mit ihm zusammen in den Ruhestand verabschiedet wurde, zieht Hoerschelmann nach Breuberg.
Für den Ruhestand hat er sich auch vorgenommen, zwei Jahre kirchlich vollkommen abstinent zu leben: keine Vertretungen, keine Gottesdienste. Danach werde man weitersehen.
„Wenn nach einer Veranstaltung im Bären alle satt und zufrieden waren, gab es eine Pause. Dann folgte der Nachtisch.“ Und genau so stellt sich der Pfarrer seinen Ruhestand vor. „Die Arbeit ist geschafft.“
Thema für den Koffer: Ruhestand
Seit mehreren Wochen schon räumt Pfarrerin Renate Köbler Schränke, Schreibtisch und Regale in ihrem Büro im Dekanat in Bad König auf, sichtet das Archiv, sortiert aus, heftet ab.
Diese schier nicht enden wollende Tätigkeit zeigt anschaulich, welch umfassende Arbeit die 64-Jährige in den vergangenen zwei Jahrzehnten im Evangelischen Dekanat Odenwald (bis 2007 „Dekanat Erbach“) geleistet hat. Sie hatte nicht nur eine Pfarrstelle, sondern gleich zwei – freilich mit je halbem Stellenumfang: Bildung und Ökumene.
Begonnen hat sie 2004 mit dem Bereich Bildung. „Sehr wichtig war mir der Kontakt mit Ehrenamtlichen“, resümiert sie; sie bei ihrer Arbeit zu unterstützen, Schulungen und Fortbildungen zu organisieren, etwa für die Seniorenarbeit oder für das Dekanatsfrauenteam, speziell beim Weltgebetstag.
Während die Referentin manche Angebote – wie beispielsweise für die gemeindlichen Besuchsdienste – auf Dekanatsebene organisierte und dazu einlud, so war sie auch mit Freude in den seinerzeit 25 Dekanatskirchengemeinden zwischen Wald-Amorbach und Neckarsteinach unterwegs.
Gerne packte sie in entsprechenden Jubiläums- und Gedenkjahren einen thematischen Koffer, beispielsweise zu Wilhelm Busch, Elisabeth von Thüringen, Dietrich Bonhoeffer oder Martin Luther.
Dem Koffer entnahm sie dann vor Ort Materialien, Wissen, Musik „und immer auch einen Gottesdienst“, je nachdem, was konkret gebraucht und gewünscht wurde.
Zum Bereich Bildung gehörten auch Reisen, die sie anbot, so nach Jordanien, Israel und in den Libanon, ebenso Tagesausflüge nach Worpswede, auf den Spuren der Brüder Grimm, der Hugenotten und Waldenser oder Philipp Melanchthons.
Zu nennen ist außerdem die Teilnahme an Hochzeitsmessen, bei denen sie einen Stand aufschlug, gerne auch an ungewöhnlichem Ort wie etwa in einem Möbelhaus.
Dem Thema Hochzeit und Ehe galt zudem über Jahre hinweg eine Trau-Werkstatt unter dem griffigen Titel „Ja“; mit dabei war hier immer ihr Ehemann, der Erbacher Gemeindepfarrer Dr. Thomas Hoerschelmann, der nun ebenfalls in den Ruhestand ging.
Dem Thema Liebe widmete sie sich auch in den jeweils am 14. Februar stattfindenden Valentinsgottesdiensten. Auch den gegenteiligen Anlass blendete sie nicht aus und gestaltete Gottesdienste für Geschiedene.
Bei solchen Angeboten war sie bereits ökumenisch unterwegs, sie fanden zusammen mit dem damaligen katholischen Dekan Leonard Heckmann statt. Und mit ihrem katholischen Bildungs-Kollegen Dr. Frank Meessen initiierte sie Literatur-Reihen, Kirchenbegehungen, Erwachsenen-Taufunterricht und Glaubenskurse.
Als eigener Bereich mit einer weiteren halben Stelle dazu kam die Ökumene dann vor rund neun Jahren. Den Rat der Religionen im Odenwald begründete sie mit; die geknüpften Kontakte pflegte sie sorgfältig, etwa bei der Interkulturellen Woche jährlich im September – immer mit dem Ziel, „dass nachbarschaftliches Miteinander gelingen kann“: zu Muslimen, Juden, Buddhisten zum Beispiel sowie zu anderen christlichen Konfessionen.
Das religiöse Leben im Odenwald ist bunt. Besonders in Erinnerung bleiben wird ihr eine christlich-muslimische Trauung, bei der sie mitwirkte. Ein dreimonatiger Studienurlaub in Beirut (Libanon) ermöglichte ihr 2016 eine intensive Beschäftigung mit dem Islam.
Von dort zurückgekehrt, begleitete die Pfarrerin vonseiten der evangelischen Kirche die Initiative „Wissen macht stark“, zur Unterstützung Ehrenamtlicher in der Flüchtlingsarbeit.
Auch ein halbes Jahr engagierter Arbeit mit ukrainischen Geflüchteten, die im Kloster Höchst eine Bleibe gefunden hatten, zählt zu ihren Tätigkeiten in diesem Bereich.
Nicht vergessen werden sollte ihre Mitwirkung bei der Vorbereitung von sechs Dekanatskirchentagen, die Begleitung von Prädikanten- und Lektorenkursen gemeinsam mit ihrem Mann und in jüngster Zeit eine längere Vakanzvertretung als Gemeindepfarrerin in Breuberg.
Aus Breuberg-Neustadt stammt die 1959 Geborene auch, und hier wird das Ehepaar nun wieder hinziehen. Bevor sie 2003 in den Odenwald zurückkehrte, hatte sie in Frankfurt, Berkeley (USA) und Marburg evangelische Theologie studiert und dann als Gemeindepfarrerin in der Frankfurter Nordweststadt und zuletzt in Egelsbach gearbeitet.
Nachdem sie nun in ihrem Büro alles Material aussortiert und zugeordnet hat, packt sie noch einmal einen ihrer Koffer, diesmal für den eigenen Bedarf – und darin ist nur ein Thema, aus gegebenem Anlass: Ruhestand.
Verabschiedet wurde das Pfarrerehepaar Dr. Thomas Hoerschelmann und Renate Köbler im Rahmen eines Gottesdienstes, am Sonntag, 30. Juni, aufgrund des schlechten Wetters in der Evangelischen Stadtkirche der Kreisstadt, und nicht wie geplant an der „Not Gottes“ im Erbacher Brudergrund.