Irritierende Idyllen
Großer Andrang bei der Vernissage zur Ausstellung „die schafe sind gezählt“ in MichelstadtMICHELSTADT. - Was im Titel noch als machbar anmutet, wäre bei der Eröffnung der Ausstellung kaum zu realisieren gewesen: Der Andrang der Besucherinnen und Besucher war so groß, dass Gastgeber Dr. Michael Hüttenberger ihn mit „Mitte Hundert“ nur schätzen konnte.
„Normalerweise haben wir hier „Mitte Zwanzig“, so Hüttenberger, der viele Stammgäste seines im vergangenen Herbst entstandenen, „MMM“ genannten Formats begrüßen konnte. Auch viele neue Kunst- und Lyrikliebhaber waren ins OPG.23 nach Michelstadt gekommen, unter ihnen León Krempel, der Direktor der Kunsthalle in Darmstadt.
Just dort bei der Vernissage zur Ausstellung „SUPER“ im Januar 2020 hatte Hüttenbergers Künstlerfreundschaft mit der Leipziger Malerin Franca Franz begonnen. Im Juni desselben Jahres war sie zu Gast in Michael Hüttenbergers Darmstadt-Podcast.
Danach entwickelten beide das Format @auf-ein-Wort-mit auf Instagram. Ein Podiumsauftritt sowie ein Workshop im Rahmen der Berliner Kinderkulturwoche 2021 vertieften die künstlerische Beziehung und führten schließlich zu diesem jüngsten gemeinsamen Projekt.
Die Ausstellung „die schafe sind gezählt.“ mit Ölbildern von Franca Franz aus Leipzig, die der Wahl-Michelstädter Dr. Michael Hüttenberger literarisch verarbeitet hat.
Franca Franz` auf den ersten Blick als Idyllen erscheinenden Bilder erzeugen absichtsvoll Irritationen. Der Betrachter wird animiert, ihnen auf den Grund zu gehen, sie ausfindig zu machen und „ihre malerische Entsprechung im Gemälde selbst zu entdecken“, zitierte Hüttenberger bei der Eröffnung aus dem einführenden Text des 32-seitigen Begleitkatalogs.
Als „Idyllen bei aufkommendem Unbehagen“ bezeichnete Franca Franz Hüttenbergers Gedichte. „Leise lyrische Töne in besänftigend ruhiger Metrik tragen uns irritierende Botschaften zu“, zitierte sie.
Franca Franz, 1986 in Darmstadt geboren, lebt und arbeitet in Leipzig. Sie studierte Malerei an der Royal Academy of Fine Arts Antwerpen bei Bruno Van Dyck (Bachelor BI) und Malerei/Druckgrafik an der Hochschule für Grafik und Buchkunst Leipzig bei Professorin Annette Schröter, Franz.
Michael Hüttenberger, 1955 in Offenbach geboren, studierte Germanistik, Politik, Pädagogik und Soziologie in Frankfurt, promovierte zum Dr. phil. und war bis 2008 Schulleiter in Darmstadt. Seitdem arbeitet er als freier Autor und Journalist in Darmstadt und Stedesdorf/Ostfriesland, seit 2020 in Michelstadt. Hüttenberger ist Mitglied im Verband deutscher Schriftsteller.
Franca Franz’ „Huntress“, das Hauptwerk der Ausstellung, konnten die Besucherinnen und Besucher exklusiv im Stadtmuseum betrachten. Auf dem großformatigen Kunstwerk (190x300 cm) ist eine schlafende Frau zu sehen. Hüttenberger las vor Ort sein eigens dazu verfasstes Sonett „Helena“.
Nach vielen anregenden Gesprächen musikalisch untermalt von den Gitarristen Frank Diefenbach und Tim Koch endete der Abend mit einer Lesung des Gastgebers, termingenau passend das finale Gedicht „Mittsommernacht“, mit dem Hüttenberger 2014 beim Mannheimer Literaturpreis gewinnen konnte.
Die Ausstellung ist noch bis zum 22. Juli, Do. bis Sa., jeweils von 11 bis 17 Uhr und nach telefonischer Vereinbarung (0163 5512358) in der Oberen Pfarrgasse 23 in Michelstadt zu sehen.
Zur Finissage am Samstag, 22. Juli, ab 18 Uhr, ist Franca Franz erneut anwesend. Um 20 Uhr gibt es eine Lesung von und mit Michael Hüttenberger. Die Musik kommt wieder von Tim Koch (Gitarre) und Frank Diefenbach (Gitarre/Blues-Harmonika). Der Eintritt ist frei.
Vorankündigung:
Im „OPG.23 - Raum für fantastische Maßnahmen“ als nächstes auf dem Programm steht eine Lesung mit der Mainzer Schriftstellerin Elena Fischer, die am 27. September aus ihrem Debütroman „Paradise Garden“ lesen wird.
Protagonistin des Buchs ist die 14-jährige Billie, sie verbringt die meiste Zeit in ihrer Hochhaussiedlung. Am Monatsende reicht das Geld nur für Nudeln mit Ketchup, doch ihre Mutter Marika bringt mit Fantasie und einem großen Herzen Billies Welt zum Leuchten.
Dann reist unerwünscht die Großmutter aus Ungarn an, und Billie verliert viel mehr als nur den bunten Alltag mit ihrer Mutter. Der Roman ist der Spitzentitel im Herbstprogramm des Diogenes-Verlags und kommt am 23. August in den Buchhandel.