Erbacher Haushalt 2021: Parlament beschließt Etat der späten Vernunft
ERBACH. - Die gute Nachricht vorweg: die Stadt Erbach hat einen beschlossenen Haushalt und bleibt im laufenden Geschäftsjahr 2021 handlungsfähig. Das Zahlenwerk selbst kam allerdings nur unter starken Geburtswehen im zweiten Anlauf per Mehrheitsbeschluss zustande.
Getragen wird der Etat, der im Ergebnishaushalt bei Ausgaben von 34,8 Millionen Euro defizitär mit 727.200 Euro abschließt, von 19 Mandatsträgern aus den Fraktionen von SPD, ÜWG und FDP bei Enthaltung der drei GRÜNEN-Parlamentarier und fünf Gegenstimmen aus den Reihen der Christdemokraten.
Im ersten Anlauf fand die Haushaltssatzung Mitte Februar mit 11 gegen 15 Voten bei einer Enthaltung keine Zustimmung - trotz zuvor einstimmig getragener Änderungen zum Entwurf und einer mit deutlicher Mehrheit abgelehnten Erhöhung der Grundsteuer B um 60 auf 490 Punkte. Für diese Erhöhung hatte Bürgermeister Dr. Peter Traub als Königslösung geworben.
Gegen den ablehnenden Beschluss hatte der Rathauschef sofortigen Widerspruch erhoben, worauf die Gremien nunmehr erneut gefordert waren (siehe dazu FACT-Bericht unter: www.de-fakt.de/bundesland/hessen/odenwaldkreis/details/?tx_ttnews).
In diversen folgenden Sitzungen von Ältestenrat sowie Haupt- und Finanzausschuss rangen die Protagonisten um Lösungen. Schließen wollte man die Haushaltslücke, die aufgrund der beschlossenen Nichterhöhung der Grundsteuer B in Höhe von insgesamt 300.000 Euro zusätzlich zu Buche schlug und somit ein Gesamtdefizit von mehr als einer Million Euro verursacht hätte.
Dabei sollten auf Drängen des Bürgermeisters im Sinne einer seriösen Haushaltsführung ausdrücklich die von der Landesregierung Corona-bedingt auch für das laufende Haushaltsjahr in Aussicht gestellten aber noch nicht endgültig fixierten Ausgleichszahlungen für Gewerbesteuerausfälle nicht in Ansatz gebracht werden.
Schon in der Februar-Sitzung des Parlaments hatte man Personaleinsparungen in Höhe von 80.000 Euro als Teil der Deckungsmaßnahmen für entsprechende Mindereinnahmen beschlossen.
Jetzt hatten die Fraktionen von SPD und ÜWG jenseits dieses zu erwartenden Geldsegens Vorschläge zur Verringerung der Ausgaben erarbeitet, und präsentierten diese dem Parlament.
Dabei bezog sich die sozialdemokratische Version in nunmehr spezifizierter Form auf den bereits in der Februar-Sitzung unterbreiteten Vorschlag mit Sparpotenzial in verschiedenen Produktgruppen.
Diese summierten sich in neun Einzelpositionen auf 235.000 Euro und erhöhten sich im Bereich der Umweltschutzmaßnahmen um 30.000 Euro als Budget zur Realisierung eines bereits beschlossenen Klimaschutzkonzepts, sodass hier eine Haushaltsentlastung um 205.000 Euro zu Buche stand.
Unwesentlich abweichend davon präsentierte sich der ÜWG-Einsparvorschlag. Dieser sah in identischen Produktgruppen eine um 10.000 Euro geringere Gesamteinsparung vor.
Allerdings sollte als wesentliches Unterscheidungsmerkmal das Budget für das Klimaschutzkonzept zunächst ausgeklammert und in einem späteren Nachtrag in Ansatz gebracht werden, sodass im Gesamtergebnis dieser Vorschlag den vorliegenden Haushalt um 225.000 Euro entlastet hätte.
Für die jeweiligen Versionen warben SPD-Fraktionschef Gernot Schwinn und dessen ÜWG-Kollege Michael Gänssle. Beide Sprecher signalisierten frühzeitig, man „liege sehr dicht beieinander“.
So zeichnete sich schon zu Beginn der Aussprache ein parlamentarischer Konsens ab, während der Bürgermeister sich „insgesamt nicht glücklich“ präsentierte über weitere Einsparungsvorschläge. „Es wäre sinnvoll, verantwortungsbewusst und ehrlicher an die Grundsteuer ranzugehen“, sagte Traub.
Seinem Wunsch, weg von pauschalen Einsparvorschlägen in einzelnen Produktgruppen hin zu konkreten Maßnahmen-Streichungen widersprach Gernot Schwinn.
„Ich warne davor einzelne Maßnahmen zu streichen. Wir stellen Budgets zur Verfügung innerhalb derer Magistrat und Verwaltung über Einzelmaßnahmen nach Dringlichkeit entscheiden können“, sagte der SPD-Sprecher.
Er habe „eine andere Sicht der Dinge“, entgegnete der Rathauschef. „Dennoch ist es an Ihnen, Änderungen zu beschließen, denn dies ist die Stunde des Parlaments.“ Dieses habe darüber zu befinden „in welche Richtung entwickle ich die Stadt“, und er respektiere die Entscheidung.
Auch Michael Gänssle wollte keine Einzelprojekte streichen. „Man kann nicht mit dem Rasenmäher drüber gehen, das wird nichts“, befand der ÜWG-Fraktionschef und signalisierte, er könne mit jedem Beschluss leben, der sich an den vorliegenden Vorschlägen orientiere und eine Mehrheit finde.
Zum Ende der Diskussionsrunde wollte Erich Petersik für die CDU-Fraktion den Etat wegen des ausgewiesenen Defizits mit einem Haushaltsicherungskonzept belegen. Stadtkämmerer Volker Heilmann, wie zuvor auch Michael Gänssle, erläuterte, dieses sei entbehrlich, weil das entstehende Haushaltsdefizit mit vorhandener Liquidität ausgeglichen werden könne.
Der trotz widerlegter Pflicht für ein solches Konzept gestellte CDU-Antrag fand bei drei Enthaltungen lediglich Zustimmung der Christdemokraten, wurde folglich mit deutlicher Mehrheit abgelehnt.
Schließlich fand der SPD-Einsparungsantrag mit Zustimmung auch aus den Fraktionen der GRÜNEN und der FDP eine 15:13 Mehrheit. Mit diesen Einsparungen und den zuvor bereits geminderten Personalausgaben wurde der Ausfall der Grundsteuererhöhung praktisch 1:1 kompensiert.
Der entsprechenden finalen Haushaltssatzung erteilte dann auch die ÜWG ihre Zustimmung, während sich die GRÜNEN jetzt enthielten.
Offenbar bestand zwischen den Fraktionen von SPD und ÜWG Kosens, dass im Falle der Ablehnung des Antrags dann das von der ÜWG vorgelegte, nur um 20.000 Euro differierende Zahlenwerk gemeinsame Zustimmung erfahren hätte. So wird der Erbacher Haushalt 2021 wohl als Etat der späten Vernunft in die Annalen eingehen.
Gegen den vorliegenden Bedarfs- und Entwicklungsplan für die Freiwilligen Feuerwehren der Kreisstadt Erbach inklusive ihrer Stadtteilwehren stimmten die drei Fraktionsmitglieder der GRÜNEN bei ansonsten einhelliger Annahme. Diesen Plan hatte Stadtbrandinspektor René Bartmann gemeinsam mit seinen Wehrführern erstellt.
GRÜNEN Fraktionschefin Christa Weyrauch begründete die Ablehnung mit dem Argument man habe den Bedarfs- und Entwicklungsplan nicht rechtzeitig lesen können.