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„Beschäftigungspotentiale nicht ausreichend genutzt“

Landrat und Gleichstellungsbeauftragte für mehr berufliche Qualifizierung von Frauen: Petra Karg warnt vor Altersarmut

ODENWALDKREIS. - Für Landrat Frank Matiaske und die Gleichstellungsbeauftragte des Odenwaldkreises, Petra Karg, ist die berufliche Qualifizierung von Frauen ein wichtiger Schritt zur Sicherung des Fachkräftebedarfs. Nach dem jüngst vom Hessischen Sozialministerium vorgelegten Lohnatlas gehen 52,2 Prozent der sozialversicherungspflichtig beschäftigten Frauen, die im Odenwaldkreis leben, einer Teilzeitarbeit nach, das sind fast 8.000 Frauen.

Weitere 3.800 Frauen sind ausschließlich geringfügig beschäftigt, 1.300 sind erwerbslos. „Hinter diesen Zahlen verbergen sich große Beschäftigungspotentiale, die noch nicht ausreichend genutzt sind“, so Matiaske und Karg.

Kern der Datenauswertung, mit der das Sozialministerium das Institut für Wirtschaft, Arbeit und Kultur der Goethe-Universität beauftragt hatte, ist die Situation von Vollzeitbeschäftigten in sozialversicherungspflichtiger Erwerbsarbeit, Stand Ende 2015.

Die Zahlen wurden für jede kreisfreie Stadt und jeden Landkreis aufbereitet. Maßgeblich ist dabei immer der Wohnort der Erwerbstätigen, nicht der Ort des Arbeitsplatzes. Das heißt, dass in die Statistik für den Odenwaldkreis auch Beschäftigungsverhältnisse außerhalb des Kreisgebiets eingeflossen sind. Der Lohnatlas wurde zum ersten Mal vorgelegt.

Karg verweist auch auf Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die zeitweise nicht berufstätig seien, weil sie Eltern geworden seien oder einen Angehörigen pflegen müssten. Diese seien ausreichend weiterzuqualifizieren, fordert sie.

„Sonst drohen sie den Anschluss an ihre jeweilige Arbeitswelt zu verlieren, was die Lohnlücke größer machen würde.“ Das gelte für Männer wie Frauen gleichermaßen, wobei es immer noch vor allem Frauen seien, die sich um Kinder oder Pflegebedürftige kümmerten.

Die so genannte Lohnlücke beschreibt die Differenz zwischen dem durchschnittlichen Bruttomonatsentgelt von Männern und Frauen. In Hessen haben Frauen in sozialversicherungspflichtigen Vollzeitjobs im Jahr 2015 im Schnitt rund 14 Prozent oder 494 Euro weniger verdient als Männer.

Diese Lücke gibt es auch bei den im Odenwaldkreis lebenden Beschäftigten, sie ist der Statistik zufolge um etwas mehr als sechs Prozentpunkte höher als der hessische Durchschnittswert. Sieben Landkreise weisen eine noch höhere Differenz auf. „Daran dürfen wir uns nicht gewöhnen“, sagt Karg und warnt vor einer Altersarmut, von der vor allem Frauen betroffen seien.

Besonders kritisch sieht die Gleichstellungsbeauftragte die Lohndifferenz bei den Produktions- und MINT-Berufen. Die Abkürzung steht für „Mathematik, Informatik, Naturwissenschaft und Technik“. Dort liegt die Lohnlücke zwischen Männern und Frauen aus dem Odenwaldkreis bei 26,3 Prozent und damit gut 16 Punkte höher als in ganz Hessen.

Wie aus dem Zahlenwerk außerdem hervorgeht, beträgt der Anteil von Frauen aus dem Odenwaldkreis bei den Beschäftigten mit einem akademischen Abschluss 26,7 Prozent und liegt damit deutlich unter dem hessenweiten Durchschnitt (fast 34 Prozent).

„Akademikerinnen, die im Odenwaldkreis leben, können ihre Qualifikationen nur unzureichend in Vollzeitstellen einbringen“, resümiert Karg. Sie fordert die Unternehmen auf, gerade diesen Frauen flexiblere Arbeitszeitmodelle anzubieten.

Karg hält einen Runden Tisch für sinnvoll, an dem Vertreter der Wirtschaftsförderung des Kreises, von Unternehmen und Frauenverbänden gemeinsam an Lösungen arbeiten. Sie will das Thema in das Netzwerk Chancengleichheit Südhessen und in die Landesarbeitsgemeinschaft der Gleichstellungsbeauftragten einbringen. „So, wie es jetzt ist, kann es nicht bleiben. Es ist wichtig, die Lohnlücke zu minimieren und daraus für alle Beteiligten wichtige Vorteile zu generieren“, sagt Petra Karg.