NEWS

Das Erbacher Südstadtprojekt: Ein Fall für den Staatsanwalt?

Dubiose Vorgänge rund um Grundstücksverkäufe samt aufschiebender Bedingungen für einen nicht solventen Käufer aus dem Allgäu + + + Erbacher Bürger erwägen Strafanzeige gegen Bürgermeister Dr. Traub wie auch den Magistrat wegen der Besorgnis der Veruntreuung von Steuergeldern

ERBACH. - Im Juni 2022 berichtete FACT exklusiv über das von Erbachs Bürgermeister Dr. Peter Traub angeschobene und vom Magistrat mehrheitlich gestützte sogenannte >Südstadtprojekt< in der Odenwälder Kreisstadt (siehe FACT-Bericht unter: www.de-fakt.de/bundesland/hessen/odenwaldkreis/details/?tx_ttnews).

Damals waren sich Sprecher nahezu aller Fraktionen im Erbacher Stadtparlament „des Risikos bewusst“, wie entsprechend verlautete.

Das zu diesem Zeitpunkt skizzierte Risiko umfasste einen Betrag von rund einer halben Million Euro, nachdem das im Wege des städtischen Vorkaufsrechts für rund 1,1 Million Euro erworbene Grundstück eines ehemaligen Möbelhauses zum Standort eines künftigen Hotels als Basis für das gesamte Südstadtprojekt für 600.000 Euro und mithin mit einem Verlust von rund 500.000 Euro veräußert werden sollte.

Risiko samt gewaltigem Imageschaden unvergleichbar höher

Damals umfasste das erkannte Risiko, jedoch nicht annähernd das Ausmaß des Szenarios, wie es sich aktuell präsentiert. Die ursprünglich zu städtischen Lasten riskierten 500.000 Euro dürften sich neben dem jetzt offensichtlich eingetretenen Gesamtschaden zuzüglich eines kaum messbaren gewaltigen Imageschadens auf eine unvergleichbar höhere Summe belaufen.

Die FACT-Redaktion weiß: Erbacher Bürger erwägen deshalb derzeit gar eine Strafanzeige gegen Bürgermeister Dr. Peter Traub und den Magistrat der Stadt Erbach wegen der Besorgnis der Veruntreuung von Steuergeldern.

„Vermögensloser Rentner, der in bescheidenen Lebernsverhältnissen von Altersrente lebt“

Gründe für ein solches Vorgehen liegen auf der Hand: einerseits outete sich der Projektierer und Erwerber zweier Grundstücke im Gesamtwert von rund 1,2 Millionen Euro zwischenzeitlich als „vermögensloser Rentner, der in bescheidenen Lebernsverhältnissen von seiner Altersrente lebt“, wie er im Wege einer strafbewehrten eidesstattlichen Erklärung Mitte Februar 2024 zu Protokoll gab (siehe FACT-Bericht unter: www.de-fakt.de/bundesland/hessen/odenwaldkreis/details/?tx_ttnews).

Weder Investor noch Hotelbetreiber gefunden

Auch hat er offenbar bis dato weder einen Investor für die beiden Immobilien noch einen Hotelbetreiber für ein anspruchsvolles 100 Zimmer (etwa 150 bis 160 Betten!) umfassendes Hotel gefunden, wie Bürgermeister Traub in der vergangenen Woche vor politischen Vertretern der Stadt einräumte und insbesondere die Suche nach einem Hotelbetreiber als „schwierig“ deklarierte.

Vor diesem Hintergrund scheint es völlig aussichtslos einen Investor zu finden, denn kein Geldgeber wird ohnen einen Betreiber zu haben eine Millionensumme in den Sand setzen.

Headhunter für 5.000 Euro erfolgsunabhängigem Honorar eingesetzt

Rückblende: Nachdem die Stadt Erbach per Mehrheitsbeschluss das Gebäude des ehemaligen Möbelhauses Schmidt 2020 im Wege des gezogenen Vorkaufsrechts erworben hatte, wurde vom Magistrat der Stadt, ebenfalls per Mehrheitsbeschluss, ein Headhunter eingesetzt, der zum vereinbarten, erfolgsunabhängigen Grundhonorar von 5.000 Euro zuzüglich weiterer, erfolgsabhängigen 30.000 Euro einen Investor und einen Hotelbetreiber finden sollte.

Dieser wurde mit Johannes Lenham (Name von der Redaktion geändert) aus dem Allgäu vom Bürgermeister schnell gefunden. Nach relativ kurzer Zeit wurde bekannt, dass eben dieser Headhunter selbst als Projektierer in Erscheinung trat, sich somit praktisch selbst „gefunden“ hatte.

>Headhunter< wurde selbst zum bedingten Käufer zweier Grundstücke

Er wollte sowohl das städtische, als auch das Grundstück eines ehemaligen Getränkehändlers an der Friedrich-Ebert-Straße in unmittelbarer Nachbarschaft zum städtischen Grundstück erwerben, um hier ein Hotel und ein Ärztehaus zu projektieren.

Nach Protesten im Stadtparlament wegen der Headhunter-Provision versicherte der Bürgermeister, er werde mit dem Projektierer bezüglich des Honorars sprechen und dieses solle zumindest anteilig mit dem Kaufpreis zugunsten der Stadt verrechnet werden.

Handwerkliche Verwaltungsfehler verhinderten das angedachte Gesamtprojekt

Alle weiteren, ursprünglich angedachten Bauprojekte wie Boardinghaus, zwei weitere Ärztehäuser und ein großflächiges Parkdeck mit rund 170 Parkmöglichkeiten, konnten nicht realisiert werden, weil anhand handwerklicher Fehler in der Erbacher Stadtverwaltung unter Bürgermeister Peter Traub die Grundstücke dafür nicht zur Verfügung standen.

Die Eigentümer, eine international tätige Investorengruppe, hatten nach Bekanntwerden des geplanten Erbacher Großprojekts die Preise für ihre Grundstücke exorbitant nach oben gesetzt. Bürgermeister Traub sprach in diesem Zusammenhang gar von „aufgerufenen Mondpreisen“.

Notarverträge zu vorhandenen Grundstücken unter >aufschiebenden Bedingungen<

Die Notarverträge zu den vorhandenen Grundstücken wurden mit dem Projektierer im August 2022 geschlossen. Sie beinhalten jeweils sogenannte „aufschiebende Bedingungen“.

Diese beziehen sich im Fall der Stadt Erbach auf die „Schaffung von Baurecht (sprich der Erstellung eines Bebauungsplans) bis spätestens 31.12.2023.

Für den früheren Getränkehändler sind die aufschiebenden Bedingungen enger gezurrt und bedingen die Baugenehmigungen für die geplanten Projekte.

Bauanträge wären innerhalb vier Wochen nach Baurecht vorzulegen gewesen

Allerdings ist dabei auch verankert, dass der Projektierer spätestens vier Wochen nach Rechtskraft des Baurechts entsprechende Bauanträge bei der Genehmigungsbehörde (Anm. der Redaktion: Kreisbauamt des Odenwaldkreises) einreichen muss.

Das vom Erbacher Stadtparlament im Juni vergangenen Jahres beschlossene Baurecht erlangte per 04. Juli 2023 Rechtskraft. Folglich wäre der Grundstückspreis in Höhe von 600.000 Euro zur Zahlung an die Stadt Erbach zur Wiesenmarktzeit 2023 fällig gewesen.

Auch hätte der Projektierer gemäß Notarvertrag mit dem Getränkehändler bis spätestens Anfang August 2023 zumindest die Baupläne für das Ärztehaus bei der Bauverwaltung des Odenwaldkreises einreichen müssen.

Traub: „Wir waren in Erbach noch nie so nah an einem Hotel“

Die Vorlage des Bauanträge erfolgte jedoch deutlich später über ein Berliner Architektenbüro im November vergangenen Jahres und der Kaufpreis an die Stadt Erbach war bis Dezember 2023 nach knapp fünfmonatiger Fälligkeit nicht erstattet.

Bürgermeister Peter Traub begründete dies zur letzten Parlamentssitzung 2023 Mitte Dezember mit der noch nicht erfolgten Baugenehmigung für die beiden Projekte, was im Notarvertrag mit der Stadt jedoch keineswegs so bedingt war. Vielmehr bekundeten Sprecher mehrerer Fraktionen im Stadtparlament die städtischen „Hausaufgaben gemacht“ zu haben.

„Erbach war noch nie so nahe an einem Hotel, und wenn wir die Zahlungsfrist nicht verlängern, macht der Projektierer das Buch zu“, argumentierte der Rathauschef damals, und warb inständig für eine Fristverlängerung zur Kaufpreiszahlung.

Städtischer Mehrheitsbeschluss für Zahlungsfristverlängerung bis 30. Juni 2024

Per Mehrheitsbeschluss der Mandatsträger erlangte Lenham schließlich Zahlungsaufschub für die zu diesem Zeitpunkt längst fälligen 600.000 Euro von der Stadt bis 30. Juni dieses Jahres.

Im Gegenzug versicherte der Projektierer damals die Übernahme der Zinsen für den Kaufpreis für den Zeitraum von Januar 2024 bis zum Zahlungstermin 30.06.2024 weil die ursprüngliche Kaufsumme der Stadt kreditfinanziert ist. Dies wurde nachträglich notariell protokolliert.

Veräußerer erzielte entgegen Traubs Ankündigung Landgerichtserfolg in Kempten

Zwischenzeitlich hatte der frühere Getränkehändler vor dem Landgericht Kempten – entgegen einem mehrfach von Bürgermeister Traub vehement prognostizierten Verfahrensausgang zu Ungunsten des Veräußerers – insoweit obsiegt, als der Projektierer dem Verkäufer entweder eine Anzahlung in Höhe von 50.000 Euro leisten oder alternativ eine Sicherheitsleistung über die komplette Kaufsumme bei Gericht hätte hinterlegen müssen.

Keine dieser alternativen landgerichtlichen Anordnung ist jedoch bis dato erfolgt. Und auch die bis Anfang April 2024 fällige mittlere fünfstellige Gebühr für die Ende Februar erteilte Baugenehmigung durch den Odenwaldkreis ist nach FACT-Recherchen bis dato bei der Genehmigungsbehörde bezahlt.

Der Odenwaldkreis soll nach gewöhnlich gut unterrichteter Kreise inzwischen das Mahnverfahren gegen den Projektierer Lenham eingeleitet haben.

>CCM< als Bauträger unter angegebener Anschrift nicht existent

Und auch die Bauträgerschaft wirft nicht unerhebliche Fragen auf. So wurden die Bauanträge von Lenham für eine unter seiner Wohnanschrift mit >CCM< deklarierten „Firma“ erwirkt. Eine solche Firma gibt es jedoch nach Auskunft des Gewerbeamtes in der betreffenden Allgäuer Kommune nicht.

Weitere FACT-Recherchen ergaben, dass es insgesamt zweifelhaft ist, ob der Projektierer Lenham überhaupt unter der von ihm angegebenen Adresse im Allgäu wohnhaft ist.

Zweifel an tatsächlicher Wohnanschrift des Projektierers

Diese Zweifel werden genährt durch die Vorlage seines Reisepasses statt eines Personalausweises bei der notariellen Beurkundung des Grundstückskaufvertrags mit dem Getränkehändler. Im Reisepass ist allerdings die Wohnanschrift nicht vermerkt.

Zwar ist an einem schmucken Einfamilienhaus unter der angeblichen Wohnadresse Lenhams neben zwei weiteren Namen auch der des Projektierers ohne Vornamen zu finden.

Dabei handelt es sich jedoch zumindest um den Namen seines Sohnes, der dort eine Werbeagentur betreibt, die auch ordnungsgemäß angemeldet ist.

Erbacher Parlamentarier nehmen Plan B zur Grundstücksvermarktung in den Blick

Unter diesen Voraussetzungen verlautet aktuell aus Erbacher Parlamentskreisen, dass man sich wohl bei den bevorstehenden Gremiensitzungen intensiv mit einem Plan B zum von Bürgermeister Dr. Peter Traub geplanten und bis zuletzt vehement verteidigten, wie auch als Heilsbringer verkündeten Erbacher Südstadtprojekt befassen müsse.

Wie ein solcher Plan B aussehen könnte ist offenbar derzeit noch völlig offen. Vielleicht könnte hier ja der karnevalistische Beitrag von Uli Glenz und Sabine Hupp zu Jahresbeginn ins Spiel kommen, als diese in ihrem Büttenvortrag den Vorschlag unterbreiteten einen ebenfalls dringend benötigten Kinderhort statt eines Hotels auf besagtem Grundstück zu errichten.

In jedem Fall durfte die von Bürgermeister Traub im Juni 2022 angekündigte „städtische Investition in die Zukunft“ zwischenzeitlich lediglich noch als >Windei vom Allgäu< bis in die Odenwälder Kreisstadt Bekanntheit erlangen.