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Odenwälder Apfelherbst 2017: Information über regionale Äpfel ist stark gesucht

Elena und Tatjana, die 6-jährigen Zwillinge, durften in Kieselbarts Felsenmeer-Schatzkiste greifen und zogen das große Los: Einen Kindergeburtstag im Felsenmeer! Kieselbart freut sich schon auf die beiden. Die Gutscheine bleiben für 2018 gültig. Foto: privat

ODENWALD. - „Wir lieben den Bauernmarkt und sind sonntags immer schon ganz früh zum Gottesdienst da, da es einfach schön ist, weil alles noch so leer und entspannt ist und man gut an alle Stände kommt.

Als ersten Stand haben wir Ihren Apfelstand besucht und uns ausführlich mit Ihnen unterhalten und alle Äpfel angeschaut. War wirklich toll! Auch unser Töchterchen war sehr begeistert, wie viele unterschiedliche Äpfel es gibt!“

So schrieb eine Besucherin des Bauernmarktes in Groß-Umstadt Anfang September. Hier fand der Auftakt des ersten Odenwälder Apfelherbstes des Fördervereins Odenwälder Apfel e.V. statt. 20 Veranstaltungen bei verschiedenen Mitgliedern im ganzen Odenwald laden noch bis 24. Oktober zu einem Besuch ein.

Es gibt Keltereiführungen, Obstwiesenvorträge mit Apfelernte und Keltern, spezielle Apfelspeisekarten, Kellerführungen, Apfelsortenausstellungen, Literaturlesungen, soziale Kelterprojekte. Alle Veranstaltungen sowie zahlreiche Informationen über die Mitglieder und die Aktivitäten des Vereins sind auf www.odenwaelder-apfel.de zu finden.

Mit der Auftaktveranstaltung am Groß-Umstädter Bauernmarkt waren die Aktiven des Fördervereins sehr zufrieden. Am Stand stellten die Besucher viele Fragen, die zweithäufigste fiel dabei besonders auf: „Welche Sorten kann man als Allergiker essen?“

Jeder Fünfte in den westlichen Ländern hat eine Nahrungsmittelunverträglichkeit - und es werden täglich mehr. Besonders unschön ist die Apfelallergie - heißt es doch „ein Apfel am Tag vertreibt Kummer und Plag“ oder „an apple a day keeps the doctor away“.

Wie kann etwas so Gutes wie ein echter Odenwälder Apfel schädlich sein und krank machen? Keine Sorge: die Odenwälder Äpfel sind nicht die Schuldigen!

2017: das Jahr (fast) ohne Äpfel - der Förderverein Odenwälder Apfel e.V. informiert

Bis zu 80 Prozent Ernteausfall müssen die hessischen Apfelbauern 2017 finanziell schultern, während die Äpfel zugleich das Lieblingsobst der Deutschen sind. 20 Kilo pro Kopf und Jahr werden verzehrt.

Dabei sind es nur zu oft die paar allgegenwärtigen Sorten aus dem Supermarkt. Viel besser dagegen schmecken die Streuobst-Äpfel, darüber informierte der Förderverein Odenwälder Apfel e.V. während des Groß-Umstädter Bauernmarktes im September sehr viele Besucher.

Apfelallergie: alte Sorten sind oft verträglicher

Es sind die Neumodischen Geschmacklosen, die schuld sind an vielen Unverträglichkeiten. Ihnen wurden die Polyphenole abgezüchtet, damit sie gefälliger schmecken. Leider entstehen dadurch häufig Allergien.

Diese Erfahrung machten unzählige Freiwillige, die sich am Projekt „Allergiker helfen Allergikern“ beteiligen. Schnell stellten sie nämlich fest, daß einige der alten einheimischen Sorten, die auf den Obstwiesen wachsen, keine Reaktion auslösten - außer einem genußvollen Aaaaah!

Es ist eine ganz bestimmte Anordnung der Aminosäuren, die für eine Allergie verantwortlich sind. Diese können oft durch Kochen so verändert werden, daß das Lebensmittel verträglich wird. Auch der Kauf von Obst aus ökologischem Landbau hilft, denn die Pestizide, die wir unwissentlich mit dem Obst essen, belasten das innere Milieu.

„Moderne“ Äpfel enthalten wenig Polyphenole. Das ist der Stoff, aus dem das Knackige, Fruchtige, Säuerliche der Äpfel gemacht ist. „Die Großen Fünf“ - Golden Delicious, Braeburn, Granny Smith, Jonagold und Cox Orange - wurden für die sogenannten 70%-Leckermäulchen gezüchtet: nicht zu sauer, nicht zu herb, nicht zu kräftig. Sondern einfach gefällig, angenehm, langweilig. Und polyphenolarm.

Der Gegenspieler ist der Boskoop: er hat viel Polyphenol, und damit auch viel Charakter - man muß ihn mögen, muß ihn sich erobern.

Allergiker helfen Allergikern: welche Sorten kann ich essen?

Der BUND Lemgo hat die Frage der Apfelverträglichkeit sehr ausführlich erforscht. Demnach sind die alten Sorten Altländer Pfannkuchenapfel, Goldrenette, Freiherr von Berlepsch, Gravensteiner, Jonathan, Landsberger Renette, Minister von Hammerstein, Roter Berlepsch, Roter Boskoop, Schöner aus Boskoop, Weißer Klarapfel und Wintergoldparmäne für Allergiker gut verträglich.

Dort entdeckte man zugleich viele für Diabetiker gut geeignete Apfelsorten: Alkmene, Champagner Renette, Gelber Edelapfel, Idared, Lanes Prinz Albert und Ontario; länger gelagerte Äpfel sind für Diabetiker besser geeignet, weil der Zuckergehalt während der Lagerung abnimmt.

In Lemgo entstand das Projekt „Allergiker helfen Allergikern“, da vorher kaum Informationen zu gut verträglichen Apfelsorten vorlagen. Selbsttestberichte von Betroffenen (in Absprache mit dem Hausarzt!) füllten in den letzten Jahren eine nützliche Datenbank für Apfelfreunde.

Aktuell sollen die Ergebnisse zur Studie Verträglichkeit von Apfelsorten in Kooperation mit dem Allergiezentrum der Berliner Charité erscheinen, hier konnte der Zeitplan der Veröffentlichung im Frühjahr 2017 aufgrund der Verzögerung eines zugesagten Sponsorenbeitrages nicht ganz eingehalten werden.

Interessante Erkenntnis aber vorweg: eine Probandin berichtete, daß beim Verzehr der als verträglich eingestuften Äpfel in den ersten Wochen noch geringe allergische Reaktionen auftraten, die im Laufe der Studienzeit abnahmen. Gegen Ende stellte sie keinerlei Reaktionen mehr fest und konnte problemlos und mit Begeisterung Äpfel essen. Das läßt hoffen!

Um ausschließen zu können, daß Spritzmittel die eigentliche Ursache für die Apfelallergie sind, sollten nur Testergebnisse mit unbehandelten Äpfeln eingereicht werden. Eine lange Liste verträglicher Apfelsorten ist so bereits zusammengekommen.

Die Basis bildeten die Apfelsorten aus dem Werk „Deutschlands Obstsorten“, ergänzt um die Sorten aus der Lemgoer Streuobstwiese und von Allergikern gemeldete Apfelsorten. Die umfangreiche Internetseite des BUND-Lemgo will genauso erschlossen werden wie ein Boskoop: man schaut hinein, sucht und scrollt, klickt und liest - und nach und nach kommt man auf den Geschmack.

Funktioniert ein Link nicht, kann sich der geneigte Leser oder die interessierte Apfelfreundin mit Fragen an die BUND-Ortsgruppe Lemgo wenden. Für alte Obstsorten gibt es hier eine Datenbank und unglaublich viele weitere Informationen.

Wo bekomme ich alte polyphenolreiche Apfelsorten?

Lemgo ist weit, auch wenn das Internet Nähe schafft. Am Stand des Fördervereins Odenwälder Apfel e.V. am Bauernmarkt Groß-Umstadt 2017 war die meistgestellte Frage: „kann ich diese alten Sorten hier kaufen?“

Antwort von Martin Schaarschmidt, Streuobstwiesenretter aus Reichenbach: „Leider nein. Diese Ausstellung wurde mühsam im ganzen Odenwald zusammengetragen, um sie an vielen Orten den Menschen zeigen zu können. In diesem Jahr gab es vielerorts so wenige Äpfel, daß auf einem Teller dieser Ausstellung die gesamte Ernte eines Baumes liegen.“

Und Anke Braun, ebenfalls Mitglied im Förderverein, ergänzt: „Eine Betroffene, die selber eine starke Apfelallergie hat, erzählte mir, dass sie die Gewürzluike gut essen kann. Brettacher, Rambour, Goldparmäne, Boskoop, Ontario und Glockenapfel kann man bei Bauer Keil in Reichelsheim-Bockenrod kaufen, allerdings gibt es dieses Jahr fast keine Äpfel.

Der Nabu Fischbachtal macht zum Apfelherbst 2017 eine Aktion mit Apfelsorten (3. Oktober). Auch unsere Nachbarn haben alte Sorten im Angebot, jeder kann einfach mal in die Runde fragen.“ (die Nachbarn wohnen in der Nähe der Kelterei Krämer in Reichelsheim-Beerfurth).

Doch wenn man sie bekommt, die guten alten Sorten - sind sie dann nicht aufwändig zu lagern? Sie sind es wert: Äpfel, die auf ihren Bäumen auf der Streuobstwiese wuchsen, die mühsam ohne Maschineneinsatz und meist auch ohne Chemie gepflegt werden, sollten mit Wertschätzung behandelt werden.

Der Aufwand macht sie unrentabel und verschafft den langweiligen Großen Fünfen einen unverdienten Vorteil. Jeder Apfelliebhaber sollte also durch den Odenwald fahren und dort anhalten, wo handgeschriebene Tafeln an der Hoftür „Äpfel“ verheißen. Oft findet man dort wirklich charaktervolle Äpfel.

Wo bekomme ich Hochstämme alter Sorten?

Natürlich könnte man auch im eigenen Garten einen Apfelbaum pflanzen, das wird ja seit Martin Luther jedem empfohlen. Woher man alte Sorten bekommt, findet man daher natürlich auch beim BUND Lemgo, wo ein Link zu Bezugsquellen alte Obstsorten geschaltet ist.

Aber Lemgo ist weit, und für einen Apfelbaum fährt niemand ins Westfälische. Es gibt ja schließlich hier vor Ort einige Baumschulen, die sich ganz gezielt auf alte Sorten spezialisiert haben. Die Mitgliedsbetriebe des Fördervereins Odenwälder Apfel e.V. helfen gerne weiter, auch die Obst- und Gartenbauvereine - und sie sind stets vor Ort zu finden.

„Bei den Streuobstwiesenrettern gibt es im Internet unter ‘anlegen’ und ‘Obstbäume kaufen’ viele lohnende Kontaktadressen“, ergänzt Florian Schumacher. Nach dem Motto „mer muß schwätze mit de Leit, dann kimmt mer aa ins Gspräch“ kommt man auch in dieser Frage am schnellsten weiter.

Nicht zuletzt können wir hier in unserer Odenwald-Region dazu beitragen, dass es Allergikern besser geht und daß sehr viele von ihnen sich endlich wieder trauen, herzhaft in einen knackigen kräftigen Apfel zu beißen - und es nicht zu bereuen.

Dazu brauchen wir jedoch die kleinen Apfelbauern, die ihre Ernte auf Bauernmärkten oder auf ihrem Hof verkaufen, oft über Mundpropaganda.

Kontaktadressen und Links:

Förderverein Odenwälder Apfel e.V.: www.odenwaelder-apfel.de

Adressen von Direktvermarktern, Obst- und Gartenbauvereinen, Baumschulen (Rubrik Handwerksbetriebe)

BUND Lemgo: www.bund-lemgo.de/apfelallergie.html

etwa 4.000 potentielle Allergene: www.alles-zur-allergologie.de

Deutscher Allergie- und Asthmabund e.V. (DAAB): www.daab.de

Allergieportal: www.aktionsplan-allergien.de

Bundesamt f. Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (BVL): www.bvl.bund.de

Alte Obstsorten erhalten: www.pomologen-verein.de

Informationsblatt des Pomologenvereins e.V. NABU - Goldparmäne statt Granny Smith: www.nabu.de/natur-und-landschaft/landnutzung/streuobst/sorten/15184.html

Streuobstwiesenretter: www.streuobstwiesenretter.de

Hofladen Keil Bockenrod: http://hofladen-keil.de/obst.html, Telefon: 06164-3596.