Reinhard Roche wird 90
Der Schulmann und Kommunalpolitiker verbringt Lebensabend bei BerlinERBACH. - Auch wenn Reinhard Roche seinen Lebensabend an der Beethovenstraße 5 in 16548 Glienicke/Nordbahn bei Berlin verbringt, ist er gedanklich noch immer eng mit dem Odenwald verbunden. Fast 40 Jahre lebte er dort, als Lehrer am Gymnasium in Michelstadt, in seinem Wohnort Erbach als Kommunalpolitiker. Am morgigen Sonntag, 11. Februar, feiert er seinen 90. Geburtstag.
In Schlesien geboren und dem heute polnischen Freystadt (Niederschlesien) aufgewachsen, hat er in Neusalz die Höhere Schule besucht. Noch hatte er das Abitur nicht in der Tasche, als der Siebzehnjährige mit der gesamten Oberschulklasse zur Flak musste.
Schon im Februar 1943 kam er in ein russisches Internierungslager. Es glückte ihm die Flucht nach Jüterborg, wo die ebenfalls geflüchteten Eltern eine Bleibe gefunden hatten. Bald ging´s nach Berlin, wo der spätere Schulmann an der Humboldt-Universität und an der neu gegründeten Freien Universität Germanistik und Geographie studierte.
Berufsbedingt kam er nach einer Zwischenstation in Norddeutschland Anfang der sechziger Jahre in den Odenwald, wo er bis zu seiner Pensionierung im Jahre 1993 am Gymnasium unterrichtete und als Leiter der Referendarausbildung am Standort Darmstadt für die Ausbildung von Referendaren zuständig war.
Am Wohnort Erbach brachte sich Reinhold Roche zwanzig Jahre als Kommunalpolitiker ein. Zunächst als Stadtverordneter auf der CDU-Liste, dann fast durchgängig als Stadtrat und Erster Stadtrat unter Bürgermeister Borchers.
In diese Zeit fielen 1969 die Mümling-Überschwemmung und die dann die letztendlich gescheiterte Lustgartenbebauung. Zusammen mit wenigen Wegbegleitern hat er die Schulpartnerschaften des Gymnasiums und der Stadt Erbach ins Leben gerufen und viele Jahre maßgeblich mitgeprägt.
Viele Schulklassen wurden von ihm nach Tschechien geführt. Roche war Mitglied des Lionsclubs und 1978 dessen Präsident. In dieser Amtszeit und in anderen Funktionen hat er seine Lions-Club-Freunde mehrfach nach Prag, Russland und Sibirien begleitet.
Schon vor der Niederschlagung des Prager Frühlings hat sich Roche für einen intensiven Schüler- und Sportleraustausch mit der CSSR eingesetzt. Auch schriftstellerisch hat der Germanist Spuren hinterlassen. In den 1960er Jahren hat er sich mit der politischen Sprengkraft des Begriffspaares „Flucht und Vertreibung“ beschäftigt und konkrete Vorschläge für einen auf Aussöhnung ausgerichteten Sprachgebrauch entwickelt.
Seine erste wissenschaftliche Arbeit ist heute noch lesenswert. „Im Deutschen lügt man, wenn man höflich ist“ behandelt in Anlehnung an ein Goethe-Wort die vielen Floskeln der Gegenwartssprache und sensibilisiert für einen ehrlichen Sprachgebrauch.
Gemeinsam mit einem Schulfreund hat Roche die dramatischen Erlebnisse der letzten Kriegsjahre und der Flucht in einem in vielen Auflagen und inzwischen auch als e-book verfügbaren Buch „Vergangenheit, die nicht vergehen will“ bewegend nachgezeichnet.
Im Jahre 1999 erfolgte die Übersiedlung in die Nähe von Berlin, wo die Ehefrau, die lange Jahre die Erbacher Stadtbücherei leitete, als Erbin ein Datschengrundstück zurückerhalten hatte. Auch nach dem Tod der Ehefrau im Jahre 2015 wohnt der Senior noch eigenständig in diesem Heim.
Der ebenfalls in der Nähe von Berlin lebende Sohn Jörg und die weiteren Kinder kümmern sich so weit es geht um das Wohlergehen des Vaters. Ganz im Sinne ihres Großvaters treibt es auch die zehn Enkel immer wieder zu Studien- und Arbeitszwecken in die weite Welt.
Der Jubilar hingegen ist bescheiden geworden. Er freut sich auf Wiesenmarktbesuche und Einladungen zu Klassentreffen, auch wenn er sie nur noch selten wahrnehmen kann. Foto: Ernst Schmerker