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BUND: „Landratsamt schaut bei UmweltverstĂ¶ĂŸen lieber weg“

Ein Jahr nach der ungesetzlichen Rodung ist eine TeilflÀche am Oberhöchster Bach noch immer leergerÀumt. Foto: BUND

„Vorgehen ist eine OdenwĂ€lder SpezialitĂ€t der besonderen Art, wie mit einem Urteil des Bundesverwaltungsgerichtes aus dem Jahr 2014 belegt“

ODENWALDKREIS / HÖCHST. - Der Bund fĂŒr Umwelt- und Naturschutz (BUND) macht seit 25 Jahren auf die fehlende Überwachung von BebauungsplĂ€nen der OdenwĂ€lder Gemeinden aufmerksam. „Die in diesen PlĂ€nen enthaltenen Festsetzungen zum Umwelt- und Naturschutz sind in der Regel die Farbe nicht wert, mit der sie gedruckt sind. Am Beispiel der ungesetzlichen Rodung einer solchen BebauungsplanflĂ€che in Höchst kann der BUND mittlerweile diesen Vorwurf nachweisen“, heißt es in einer Pressemitteilung der regionalen Gliederung des BUND.

„Im Dezember 2015 wurde am Oberhöchster Bach in Höchst ein etwa 50 m langer Bachabschnitt vollstĂ€ndig gerodet (Siehe FACT vom 06.01.16). Die FlĂ€che ist in einem Bebauungsplan der Gemeinde als 'FlĂ€che zum Schutz und zur Entwicklung von Natur und Landschaft' festgesetzt.

Der BUND brachte diesen Vorgang am 18.12.15 bei der unteren Naturschutzbehörde des Kreises zur Anzeige. Der Vorgang ist im Baugesetzbuch als einziger Tatbestand mit einer Ordnungswidrigkeit versehen. Dieses Verfahren liegt in der Verantwortung der Bauaufsichtsbehörde des Kreises, die am 1.03.16 den Eingang der Anzeige bestĂ€tigte. Auf Nachfrage teilte die Bauaufsicht mit 'man werde den Vorgang nach pflichtgemĂ€ĂŸem Ermessen behandeln'.

Dies bedeutet im Klartext, dass die Bauaufsicht keine Ordnungswidrigkeit in dem Vorgang erblickt, der zu verfolgen sei. In diesem Sinne beschied Landrat Frank Matiaske im August eine Anfrage der GrĂŒnen nach dem Stand des Verfahrens.

Auch dem BUND teilte der Landrat am 4.11.16 mit 'ein Ordnungswidrigkeitenverfahren ist geprĂ€gt durch den sogenannten OpportunitĂ€tsgrundsatz' bei welchem Ermittlungsaufwand, Schwere des Fehlverhaltens und die TĂ€terschaft betrachtet werden, um dann zu entscheiden, ob ein Verfahren ĂŒberhaupt eingeleitet wird oder nicht.

Die Ermittler im Landratsamt waren sich offenbar ein halbes Jahr unschlĂŒssig, wer den damaligen Verstoß zu verantworten hatte, obwohl genau dies in Presseberichten nachzulesen war. Außerdem handelte die Aufsichtsbehörde nach dem im Odenwald traditionellen Schema, dass VerstĂ¶ĂŸe gegen Natur und Umwelt nicht geahndet werden dĂŒrfen – es sei denn, ein Individuum werde mit der Axt in der Hand beim Totschlagen einer Gelbbauchunke fotografiert und gebe dann noch freiwillig seinen Ausweis ab.

Dass dieses Vorgehen eine OdenwÀlder SpezialitÀt der besonderen Art ist, belegt der BUND mit einem Urteil des Bundesverwaltungsgerichtes aus dem Jahr 2014:

Geklagt hatten die EigentĂŒmer eines BaugrundstĂŒcks, das sich im Geltungsbereich eines Bebauungsplans befindet, der den Erhalt von bestimmten Gehölzen auf ihrem BaugrundstĂŒck vorsah. Entgegen dieser Festsetzung fĂ€llten die EigentĂŒmer dennoch BĂ€ume.

Die Baubehörde (in Bayern!!!) ordnete daraufhin an, Ersatzpflanzungen vorzunehmen und eine dreijĂ€hrige fachmĂ€nnische Entwicklungspflege der zu pflanzenden BĂ€ume durchfĂŒhren zu lassen. Das Bundesverwaltungsgericht urteilte 2014 (BVerwG, Urteil vom 8. Oktober 2014 – 4 C 30/13): 'Im Regelfall, wenn keine besonderen Anhaltspunkte zu erkennen sind, wird die Auslegung des Bebauungsplans ergeben, dass die Festsetzung nicht dem Schutz individueller Pflanzen dient, sondern der vorhandene Bestand als „FunktionsgrĂŒn“ erhalten werden soll.

Die Erhaltungsfestsetzung schĂŒtzt in diesem Fall nicht die einzelnen Pflanzen, sondern will die weitere ErfĂŒllung ihrer stĂ€dtebaulichen, individuenunabhĂ€ngigen Funktion sichern und schließt daher auch Ersatzpflanzungen ein.' Das oberste Gericht wies damit die Klage der EigentĂŒmer zurĂŒck und gab der Position der Behörde Recht.“

In zwei offenbar identischen Fallstellungen kamen daher Kreisbehörden zu völlig entgegengesetzten EinschĂ€tzungen – die OdenwĂ€lder Praxis könne nach dem Urteil des höchsten deutschen Verwaltungsgerichtes nur als ungesetzlich bezeichnet werden.

Nach Kenntnis des BUND wurde fĂŒr die Höchster Rodung keine Ersatzpflanzung angeordnet und kein Ordnungsgeld verhĂ€ngt. Inzwischen seien zwar einige StrĂ€ucher auf einem Teil der gerodeten FlĂ€che angepflanzt worden, ein anderer Teil sei noch heute baum- und strauchlos. Der rechtswidrig erzielte Schaden fĂŒr die Natur sei in keiner Weise geahndet worden.

BUND-Sprecher Harald Hoppe: „Uns ist nicht bekannt, wie sich die Höchster Gemeindevertretung zu dieser Missachtung ihres Beschlusses verhalten hat. Das Parlament leitet weiterhin Planungen in die Wege, die mit denselben scheinheiligen Formulierungen einen Ausgleich oder Ersatz fĂŒr Eingriffe in die Natur vortĂ€uschen'.

Aus der UnfĂ€higkeit der Verwaltung, dem satzungsmĂ€ĂŸigen Schutz der Natur zum zugesicherten Recht zu verhelfen, hat das Parlament offenbar keinerlei Konsequenzen gezogen.“

Der nach EinschÀtzung des BUND schwerwiegende Skandal der gegenseitigen Inschutznahme von Behörden im Kreis werde nun der Dienstaufsicht des RegierungsprÀsidiums vorgelegt.

FĂŒr den Umweltverband stellt das gegenseitige Inschutznehmen von Behörden ein prinzipielles Versagen der Rechtsstaatlichkeit dar. Jedem Verkehrsteilnehmer, der im Höchster Ortskern beim Parken vergisst, eine Parkscheibe anzubringen, werde ohne weiteres ein Ordnungsgeld abverlangt. Wenn jedoch dieselbe Verwaltung ihrerseits einen schweren Verstoß gegen die Natur begehe, dann schaue die zustĂ€ndige Aufsicht des Landrates „kumpelhaft lieber zur Seite.“