Erbachs Haushalt nach heftigem Ringen ohne Steuererhöhung verabschiedet
Krisenbedingter Kompromiss mit den Stimmen von CDU, ÜWG und FDP beschlossen: Einsparungen von 111.000 Euro schaffen Luft, ohne die Hessenkassen-Verpflichtung zu sichernERBACH. - Die Odenwälder Kreisstadt Erbach bleibt auf der Grundlage ihres aktuell im zweiten Anlauf beschlossenen Haushalts handlungsfähig. Dazu werden keine Steuern erhöht, das ist die gute Nachricht, bei einem ansonsten weiter umstrittenen Zahlenwerk.
Die neue Abstimmung in der Stadtverordnetenversammlung war nötig geworden, nachdem Bürgermeister Dr. Peter Traub dem am 05. März mit den Stimmen von SPD, GRÜNEN und FDP beschlossenen Haushalt widersprochen hatte (siehe FACT-Bericht unter: www.de-fakt.de/bundesland/hessen/odenwaldkreis/details/?tx_ttnews).
Die von der SPD vor acht Wochen erhobene Verzichtsforderung auf die Erhöhung der Grundsteuer, die mit Mindereinnahmen in Höhe von 454.000 Euro einhergeht, war krisenbedingt aktuell einmütiger Konsens. Die Fraktionen waren sich einig, unter den erschwerten aktuellen Bedingungen „den Bürgern nicht noch mehr in die Taschen greifen zu können“ (CDU-Fraktionschef Erich Petersik).
Weiterhin SPD-Forderung nach Einsparung im Stellenplan
Diese Mindereinnahmen sollten nach Vorstellung der Sozialdemokraten ursprünglich durch Kostenminderung im Personalbereich in Höhe von 125.000 Euro und Ausgabenreduktion im Bereich von Sach- und Dienstleistungskosten in Höhe von 380.000 Euro, somit in der Summe mit 505.000 Euro kompensiert werden.
Insbesondere an der Einsparungsforderung im Personalbereich hielten die Sozialdemokraten nach wie vor fest, um den Haushalt damit jetzt noch um 65.000 Euro zu entlasten, wie Fraktionschef Gernot Schwinn aufzeigte.
Hier sollten aktuell mit Ausnahme der Kitas keine zusätzlichen Stellen besetzt werden, solange die Organisationsuntersuchungen noch nicht abgeschlossen seien, begründete Schwinn die SPD-Positionierung erneut.
Bürgermeister Dr. Traub: „Wir haben Not“
Der Bürgermeister hielt diesem Ansinnen einmal mehr entgegen, die im Stellenplan ausgewiesenen Positionen seien zur Aufrechterhaltung einer funktionsfähigen Verwaltung alternativlos: „Wir haben Not, sonst würde ich diese Stellen nicht fordern. Ich habe diese nicht aus Jux und Dollerei gefordert.“
Neben neuen Aufgaben wie etwa der Umsetzung des Online-Zugangsgesetzes seien auch vermehrte Aufgaben im Ordnungsamt nur durch weitere Bedienstete bei der Stadtpolizei zu bewältigen.
Gernot Schwinn warnte, die städtischen Verpflichtungen gegenüber der Hessenkasse nicht aus den Augen zu verlieren, „weil diese im Ergebnishaushalt erwirtschaftet werden müssen“. Er sehe es in diesem Moment „unverantwortlich, Verbindlichkeiten festzulegen, die wir nicht mehr steuern können“.
Hessenkassen-konformer Haushalt nicht zu erreichen
ÜWG-Fraktionschef Michael Gänssle verwies darauf, ein Hessenkassen-konformer Haushalt sei im Gegensatz zur Vorlage im März krisenbedingt nicht zu erreichen. Jede Planung sei aktuell ungewiss.
„Wir leben jetzt in einer Zeit der Unsicherheit und müssen dennoch sehen, wie wir eine Haushaltsfähige Planung vorlegen.“ Die gesetzlichen Vorgaben der Hessenkasse enthielten dabei auch einen Passus, der in Notsituationen Ausnahmen gestatte.
Vor diesem Hintergrund sei die jetzige Planung gemäß dem gemeinsamen Antrag von CDU-, FDP- und ÜWG-Fraktion eine durchaus zu verantwortende Alternative zur ursprünglichen Variante mit Grundsteuererhöhungen um jeweils 100 Punkte.
Den daraus resultierenden Mindereinnahmen stehen von der Finanzabteilung aufgelistete Minderausgaben in einzelnen Produktgruppen in Höhe von 111.000 Euro gegenüber.
SPD-Forderung „nicht umsetzbar“
Die von der SPD geforderten und der Fraktion der GRÜNEN unterstützte Forderung nach Mindereinnahmen in Höhe von 380.000 Euro im Ergebnishaushalt seien nicht umsetzbar.
Mit neun Stimmen von CDU, ÜWG und FDP verabschiedet wurde schließlich der Antrag dieser Fraktionen, der im Ergebnis 33,63 Millionen bei einem Überschuss von 400 Euro aufweist.
Der Finanzhaushalt schließt mit einem Fehlbetrag von 1,21 Millionen Euro ab. Die Kredite zur Finanzierung von Investitionen und Investitionsförderungsmaßnahmen belaufen sich auf 1,58 Millionen Euro. Der Höchstbetrag der Kassenkredite wurde für das laufende Haushaltsjahr auf 6 Millionen Euro fixiert.
Außergewöhnliche Parlamentssitzung mit reduzierter Stärke
Die Corona-Pandemie hatte eine frühere Sitzung des Gremiums und damit den ordentlichen Haushalt der Stadt bisher verzögert. Der Magistrat mit Bürgermeister Dr. Traub an der Spitze konnte ohne den genehmigten Haushalt somit bisher nur Pflichtaufgaben erfüllen.
Eben die durch das Corona-Virus bedingte Pandemie mit ihren drastischen Kontaktbeschränkungen sorgte jetzt auch für eine außergewöhnliche Sitzung des Stadtparlaments.
An Einzeltischen im vorgeschriebenen Abstand hatten nur 16 Vertreter der in der Stadtverordnetenversammlung vertretenen 31 Mandatsträger unter paritätischer Wahrung der Mehrheitsverhältnisse der einzelnen Fraktionen im großen Kreis Platz genommen.
Auch der Magistrat war, ebenfalls paritätisch, nur in halber Besetzung zur Sitzung erschienen. Alle Sitzungsteilnehmer, wie auch drei Besucher trugen den vorgeschriebenen Mund-Nasenschutz und hielten sich streng an die Abstandsregeln.
Neuer Ausschuss als Ersatzgremium
Für künftige unaufschiebbar wichtige Angelegenheiten, zu denen das Stadtparlament nicht tagen kann, bildeten die Mandatsträger einen neuen, neunköpfigen Ausschuss, in dem gemäß der Fraktionsstärke alle Parteien vertreten sind.
Dieser Ausschuss tagt in Abstimmung mit dem Parlamentsvorsteher nur in dringenden Notsituationen, wie derzeit gegeben. Er fungiert als Ersatzgremium für die Stadtverordnetenversammlung gemäß dem vom Landtag im März beschlossenen § 51a der Hessischen Gemeindeordnung.
Die in diesem Ausschuss gefassten Beschlüsse können in der nächstmöglichen Sitzung der Stadtverordnetenversammlung durch diese allerdings wieder aufgehoben werden.