Ruprechts Blick auf ein strahlendes Erbacher Honigkuchenpferdchen
Knecht Ruprechts satirische Adventsbetrachtung im Odenwaldkreis dreht sich heute um die Freunde süßen Backwerks, die das Nasch-Zentrum mit unterschiedlicher Mobilität erreichen und sich verwundert die Augen reiben, über Vorkommnisse in der Kreisstadt rund ums Falschparken und anderen DeliktenODENWALDKREIS / ERBACH. - Wir leben in der ersten Adventswoche, dies ist eine Zeit der Besinnung und vorausschauenden Freude und Einkehr. Wir denken in diesen Tagen auch an die vielen Menschen*Innen draußen im Lande, die täglich und klaglos ihren Dienst für uns alle tun.
Gerade in dieser Zeit ist wieder einer dieser üblen Hass und Shitstürme auf die Mensch*Innen vom Ordnungsamt in Erbach hereingeprasselt, als sie unter Einsatz ihres Lebens Horden von Freunden süßen Backwerks den Zutritt zu einer Bäckerei verbieten mussten.
Es sind gute Menschen und Frauen. Viele kennt man persönlich. Eine dortige Dame aus dem Ordnungsamt verrichtet seit vielen Jahren treu zum Wohle der Bevölkerung ihren Dienst.
Sie beginnt morgens früh um 9, wenn noch viele ihrer Kolleg*Innen im Homeoffice-Bett sitzen, ihren Dienst in der Erbacher Werner-von-Siemensstraße in Höhe des Kreisels. Die Tätigkeit erfüllt sie gewissenhaft nach den Regeln des jeweils aktuellen Bußgeldkatalogs.
20 Euro für Parken ohne Parkscheibe oder 10 Euro für Parken unter 5 m von einer Straßeneinmündung. Manchmal gibt es auch gute Tage, dann gibt es ein Parken in der 2. Reihe (55 Euro) vielleicht sogar mit Behinderung (55 Euro + 1 Punkt).
Dann fühlt sie sich gut, weil sie etwas für die MenschenIn*nen getan hat. Aber diese Tage sind selten. Meistens fehlt nur die Parkscheibe. Den Weg legt sie mit Stolz zurück. Auch wenn sie hin und wieder übelst angepöbelt wird.
Sie weiß, dass die Menschen*Innen draußen sie im tiefsten Innern verehren und ihr dankbar sind. Es oft nur nicht so zeigen können. Gegen 11 Uhr erreicht sie das Café Adria. Dahinter dann die Zone, wo die jungen Herren mit ihren schwarzen S-Klasse Mercedes und den Nummernschildern mit HU, MA oder OF parken.
Vorher wechselt sie gewöhnlich die Straßenseite. Sie kann ihre Augen nicht immer und überall haben sagt sie sich. Auf der anderen Seite wird ja auch falsch geparkt. Viele MitmenschInnn*en stellen sich einfach nicht vor, wie viel man beim Parken falsch machen kann.
Noch ein Kaffee und ein Schwatz mit einer Freundin, vielleicht den einen oder anderen Einkauf, dann geht’s gegen 14 Uhr rechtzeitig zum Dienstschluss zurück ins Amt.
Morgen ist auch noch ein Tag und da wird die Beute in den Computer eingetippt. Ort, Zeit, Typ des Verbrechens, Kennzeichen. Bei der Arbeit lässt sie sich Zeit. Da darf es keine Fehler geben, sie ist präzise wie ein Uhrwerk das schätzen die Erbacher an ihr.
Sie hat Glück, die Werner-Von-Siemens-Straße hat keine Sonderzeichen, Akzente, Zirkumflexe und dergleichen. Das wäre ihr ein Graus. Sie müsste wieder auf Schulung. Nach getaner Arbeit wippt sie verträumt auf ihrem rosa Gymnastikball, den sie vom Betriebsrat zum 25-jährigen Dienstjubiläum bekam, als es damals den Anschein hatte sie sei schwanger.
Gerade jetzt in der Adventszeit träumt sie oft von dem ganz großen Ding: vielleicht ein Falschparker mit Anhänger und Schleppkupplung über 3,5 Tonnen zulässiges Gesamtgewicht, der eine Feuerwehreinfahrt blockiert...
Und genau in einem dieser Momente klingelte am 26. November plötzlich das Telefon, der oberste Chef im Ordnungsamt ruft sie an, sie persönlich! Hat er sich verwählt? Wird ihre Arbeit für die Stadt endlich anerkannt? Sie setzt sich aufrecht auf ihren vergilbten Gymnastikball, holt tief Luft und greift beherzt zum Hörer. „Alle Kräfte per Einsatzbefehl sofort in die Werner-von-Siemens-Straße, Gefahr im Verzuge“, wird ihr aufgetragen.
Sie ist glücklich, keiner kennt das Terrain so gut wie sie, die Halteverbotszonen, die typischen Falschparkerplätze, die Taktung der Parkscheinautomaten einfach alles. Aber ihre kühnsten Erwartungen werden übertroffen.
Es geht um die Schließung einer Bäckerei wegen der pandematischen Seuche. Und sie mit dabei! An vorderster Front! Ein Einsatz von staatstragender Bedeutung für eine wie sie aus dem Ordnungsamt. Endlich, darauf hat sie all die Jahre gewartet.
Und genau das passiert: sie darf eine Schutzkette direkt vor dem Eingang bilden, allerdings in der Hauptstraße, aber das ist ihr jetzt egal. Sie ist flexibel, egal wo das Vaterland sie braucht, sie steht ihre Frau im typisch männlich geprägten Job.
Sogar in den überregionalen Medien und bei Youtube erscheinen Bilder von ihr. Davon wird sie ihren Enkeln noch erzählen. Sie ist das auf dem Bild im schicken blauen Hosenanzug!
So trug es sich im tiefen Odenwald zu, dass ein kleines, unbedeutendes Lichtlein im Amt einmal strahlen durfte wie ein Honigkuchenpferdchen oder die hellen Kerzen am Weihnachtsbaum. Für einen ganzen Vormittag!
Und das ganz ohne sich um die ungeliebten Fahrer der großen schwarzen Karossen mit auswärtigen Kennzeichen kümmern zu müssen. Ist das nicht ein schöne Vorweihnachtsgeschichte?