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Der Dreißigjährige Krieg im Odenwald von Antje Vollmer plastisch dargestellt

Rund 300 Besucher waren zu Antje Vollmers Vortrag in die Stadtkirche Michelstadt gekommen.

Dabei gab's auch eine detaillierte Beschreibung des berühmten Kroatenüberfalls auf die Stadt Erbach im Jahr 1622.

MICHELSTADT. - Im Rahmen der Vortragsreihe des Kulturamtes der Stadt Michelstadt in Zusammenarbeit mit der Odenwald Tourismus GmbH und der Volkshochschule Odenwald „Unser Odenwald: Vom Bekannten zum Unbekannten“ wurde am Freitag, 02. Februar, aufgrund der großen Nachfrage der Vortrag Antje Vollmer über das Thema „Der Dreißigjährige Krieg im Odenwald“ in der Stadtkirche Michelstadt wiederholt.

Die vollbesetzte evangelische Stadtkirche von Michelstadt bot den idealen Rahmen, war die Kirche doch selbst Schauplatz einiger Ereignisse des großen „Teutschen Krieges“. Kirchenvorstand Volker Backöfer begrüßte die rund 300 Gäste dieses Abends im Namen der Stadtkirchengemeinde und stimmte sie auf den Abend ein.

Der Leiter der Nikolaus-Matz- und Kirchenbibliothek, Erwin Müller, hatte eine Originalausgabe von Johann Philipp Wilhelm Lucks „Versuch einer Reformationsgeschichte der Grafschaft Erbach und der Herrschaft Breuberg“ aus der Nikolaus-Matz-Bibliothek als Anschauungsmaterial zur Verfügung gestellt.

Mit großem Interesse wurde auch die ebenfalls von ihm vorgestellte Original Spenden-Tafel aus dem Jahre 1624 begutachtet, die die Spender zum Wiederaufbau der beschädigten Kirche auflistet.

In den folgenden 70 Minuten erläuterte Antje Vollmer, warum weit entfernte Kriegshandlungen des 30-jährigen Krieges auch im Odenwald schlimme Folgen hatten. Antje Vollmer machte schnell deutlich, dass das der „Dreißigjährige Krieg“ kein Religionskrieg war, zumindest nicht ausschließlich.

Am Anfang ging es noch um den „rechten Glauben“, doch dann trat schnell die wahre Natur des Krieges zu Tage: Es ging vor allem um die Vormachtstellung in Europa – oder vielmehr darum, wie die europäischen Mächte diese dem Haus Habsburg streitig machen konnte.

Dabei stellte Antje Vollmer besonders die Rolle Frankreichs heraus, das zunächst mit Diplomatie und Geld, am Ende aber auch militärisch den Krieg immer wieder am Leben erhielt – bis die Schwächung Habsburgs dauerhaft war und ein neues Gleichgewicht in Europa hergestellt werden konnte.

Der „Teutsche Krieg“, wie ihn Zeitgenossen nannten wurde schon kurz nach seinem Ende der „Dreißigjährige Krieg“ genannt. Es war kein Krieg „am Stück“ sondern bestand aus vier Teilkonflikten, die nach den jeweiligen Gegnern des Kaisers in diesem Krieg benannt wurden:

„Der Böhmisch-Pfälzische Krieg“ wurde von den böhmischen Ständen und von Kurfürst Friedrich V, der zum König von Böhmen gewählt worden war, gegen den Kaiser geführt.

„Der Niedersächsisch-Dänische Krieg“ wurde von Sachsen und Dänemark, „Der Schwedische Krieg“ wurde von Schweden und „Der Schwedisch-Französische Krieg“ wurde von Schweden und Frankreich gegen Kaiser und Reich geführt.

Obwohl der Odenwald kein Kriegsgebiet war, waren die Kriegsfolgen verheerend. Aufgrund der geographischen Lage und der Nähe zur Pfalz, der ersten Kriegspartei, war der Odenwald Durchmarschgebiet für die Truppen und Armeen der unterschiedlichen Kriegsparteien.

Antje Vollmer arbeitet mit einer selbsterstellten, aufwendigen Power-Point-Präsentation und mit ausgewähltem Kartenmaterial. So hat die Referentin die komplizierten Zusammenhänge zwischen den großen Kriegsereignissen und den damit verbundenen Durchzügen und Einquartierungen der verschiedenen Truppen durch den Odenwald gut vermitteln können.

Es gab weder Freund noch Feind, jede Armee auf dem Durchzug brachte Verderben, wie Antje Vollmer sehr anschaulich vermittelt. Einquartierungen bedeuteten großes Leid für die betroffenen Regionen.

Die Bevölkerung des Odenwaldes musste hohe Kontributionen zahlen, wenn die Kriegsvölker durchs Land zogen. Trotzdem fanden die Durchmärsche immer mit Brandschatzung, Raub und Mord statt. Das Amt Freienstein mit Beerfelden war schon in den ersten Kriegsjahren besonders schlimm betroffen.

In Hirschhorn lagerten die kaiserlichen Truppen unter Tilly und Cordova und nutzten das nahe Beerfelden als Plünderungsgebiet. Besonders der Überfall der Truppen unter Graf Anholt ist in schlimmer Erinnerung geblieben.

Antje Vollmer hat einen zeitgenössischen Bericht im Hessischen Staatsarchiv Darmstadt „… was die Grafschafft Erbach und Herrschaft Breuberg von dem Kayserl. Kriegsvolk anno 1621 und 1622 für Schaden erlitten“ gefunden und ausgewertet.

Dieser Bericht enthält viele Informationen über die Kriegsgräuel dieser ersten Jahre, z.B., wie die Bevölkerung aus blanker Not in die Wälder floh, wie der Pfarrer von Beerfelden zu Tode gefoltert worden ist. Außerdem enthält dieser Bericht eine detaillierte Beschreibung des berühmten Kroatenüberfalls auf die Stadt Erbach im Jahr 1622.

Für ihre Vorträge verwendet Antje Vollmer hauptsächlich mit Original-Quellen. Sekundarliteratur verwendet sie nur dann, wenn die Original-Akten nicht mehr zur Verfügung stehen, weil sie z.B. bei der Brandnacht am 11.09.1944 im Hessischen Staatsarchiv in Darmstadt vernichtet wurden.

Zu den von Antje Vollmer verwendeten Quellen gehören auch die Briefe der Erbacher Grafen an Tilly und Spinola, mit denen um Schonung für die Grafschaft Erbach gebeten wurde. Die Antwortbriefe von Tilly sind ebenfalls erhalten: die Grafschaft Erbach konnte nicht auf Schonung hoffen.

Die Grafschaft Erbach war in diesem Krieg neutral – oder wollte es zumindest sein. Doch ein Ultimatum von Gustav II Adolph, dem Schwedenkönig, hat die Erbacher Grafen unter Androhung der völligen Vernichtung ihrer Ländereien in die Gefolgschaft gezwungen.

Die Übertragung des Klosters Amorbach, das 1631 im Besitz des schwedischen Königs war, an die Grafschaft Erbach sollte die hohen Kosten und Opfer entschädigen.

Aber die Grafen zu Erbach konnten sich nur von 1632 bis 1634 über den Besitz Amorbachs freuen, denn schon mit der Niederlage der Schweden bei Nördlingen 1634 verloren die Grafen zu Erbach Amorbach wieder an Mainz.

Der „30-jährige Krieg“ forderte hohe Verluste in der Bevölkerung, die aber sehr unterschiedlich im Reich verteilt waren. Anhand einer Karte über die Verteilung der Bevölkerungsverluste zeigt Antje Vollmer, dass der Odenwald in einem Bereich lag, in dem die Verluste mit über 66% am höchsten waren.

Eine Auswertung der hiesigen Kirchenbücher ergab, dass in einigen Regionen des Odenwaldes tatsächlich nur 3% der Bevölkerung überlebt haben. Einquartierungen, Durchzüge und die damit verbundenen Verluste an Hab und Gut und Nahrungsmitteln führten direkt in Hungersnöte. Die Pest, die mit den Soldaten ins Land kam, tat ein Übriges.

Die Wiederbelebung des Odenwaldes konnte nur durch große Zuwanderungsströme geleistet werden. Nach etwa 70 Minuten beendete Antje Vollmer mit einer wichtigen und hilfreichen Zusammenfassung diesen Vortrag.

Ein schweres Thema war sehr kurzweilig an das hochkonzentrierte Publikum vermittelt worden, wofür die Referentin mit einem langanhaltenden Applaus belohnt wurde. Zum Abschluss hat die Stadtkirchengemeinde die Zuhörer zu einem Glas Wein eingeladen und ließ den Abend in geselliger Runde ausklingen.