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Landrat: Heimatgeschichte wichtig für Identität einer Region

Autor und Zeitzeuge: Norbert Allmann (links) hat im neuen „gelurt“ einen Text über Kampfmittelräumer geschrieben. Dafür konnte er auch mit Reimund Wörner sprechen, der 1951 im „Gönzer Loch“ Bomben aus dem Erdreich holte. Foto: Stefan Toepfer/Kreisverwaltung

Frank Matiaske dankt Autoren des „gelurt 2018“ + + + Jahrbuch ab sofort erhältlich

ODENWALDKREIS. - Im Halbrund stehen die sieben Männer um ihren Fund und schauen zufrieden in die Kamera. Kein Wunder, denn die Kampfmittelräumer haben, ihrem Auftrag gemäß, eine Bombe aus dem Erdreich geholt. 1951 war das, im so genannten Gönzer Loch, einem Areal im bayerischen Teil des Odenwalds.

Viele junge Männer hatten sich damals zu diesem Dienst gemeldet – auch Reimund Wörner aus Boxbrunn. Heute, 66 Jahre später, sitzt Wörner im Landratsamt in Erbach. Er ist Ehrengast bei der Vorstellung des „gelurt 2018“, dessen Titelbild ihn und seine Kameraden zeigt.

„Es hat ja nach dem Krieg keine Arbeit gegeben. So habe ich mich dort gemeldet“, berichtet Wörner. Gemeinsam mit seinen sechs Kollegen war er für einen Trichter zuständig.

Das Foto ist nicht ohne Grund das Titelbild des neuen „gelurt“ geworden. Landrat Frank Matiaske erinnert an den Fund der großen Weltkriegsbombe Anfang September in Frankfurt. Die Bevölkerung hatte die Entschärfung mit großer Aufmerksamkeit begleitet, und wer weiß, wie viele Bomben noch im Boden liegen. „Dieser Hintergrund war ausschlaggebend, sich für dieses Titelbild zu entscheiden“, so Matiaske.

Autor des Textes über die Kampfmittelräumung im Gönzer Loch von 1944 bis 2017 ist Norbert Allmann. Wörner war ein wichtiger Gesprächspartner für ihn. Das Foto hat Allmann von Jürgen Imhof bekommen.

Auch er war am Montagnachmittag zur Vorstellung des Buches als Ehrengast eingeladen worden. „Der Vorarbeiter hat uns jeden Tag zu Arbeitsbeginn zur Vorsicht gemahnt. Angst hatte ich aber keine“, erzählt Wörner. Ein halbes Jahr war er dabei, dann hat er eine Lehrstelle als Dreher in Erbach gefunden.

Insgesamt umfasst das Buch 28 Artikel von sieben Autorinnen und 22 Autoren. Fast alle waren der Einladung ins Landratsamt gefolgt. Die meisten verfassen regelmäßig Texte für das „gelurt“, acht sind in diesem Jahr zum ersten Mal dabei.

Redigiert und herausgegeben wurde das Buch wieder von Anja Hering, der Leiterin des Kreisarchivs. Landrat Matiaske dankte den Schreiberinnen und Schreibern für ihre akribische Recherche und ihr waches Interesse an der Historie des Odenwaldes.

„Heimatgeschichte ist wichtig für die Identität einer Region, und Sie geben in ,gelurt‘ Ihr wichtiges Wissen weiter. Dafür danke ich Ihnen.“ Zu Beginn der Veranstaltung gedachte die Versammlung zweier Verstorbener, die sich um die Odenwälder Heimatgeschichte verdient gemacht haben: Raimund Graf zu Erbach-Fürstenau und Hugo Friedel.

Das Odenwälder Jahrbuch für Kultur und Geschichte erscheint bereits im 24. Jahr. Es kann im Buchhandel erworben werden. Im Kreisarchiv gibt es schon viele Vorbestellungen. Im Handel kostet es 18 Euro, im Abonnement 15,50 Euro. Auch Hering würdigte die Arbeit der Autorinnen und Autoren. Mit ihrem je eigenen Forschungsinteresse werfen sie einen vielfältigen Blick auf die Odenwälder Historie.

Außer Allmann haben für das „gelurt“ 2018 geschrieben:

Heidi Banse, Kirchenarchivarin der Evangelischen Stadtkirchengemeinde in Michelstadt. Sie beschreibt unter dem Titel „Ein Leben zwischen Kriegen, Vertreibung und Flucht mit seligem Ende im Odenwald. Anna Regina Frieß geborene Motsch“ eine Geschichte, die im 17. Jahrhundert beginnt.

Georg Dascher ist von Anfang an für das „gelurt“ tätig. Dieses Mal hat der Ober-Kainsbacher über „Nachrichten über einen Hof in Ober-Kainsbach, Wünschbacher Straße 4, 1482 bis 1728 an die Freiherrn von Wallbrunn zu Ernsthofen verliehen“ geschrieben.

Brigitte Diersch ist seit 2005 mit dabei und hat sich wieder eines Themas aus Erbach angenommen: Ihr Artikel trägt die Überschrift „Streitobjekt Erbacher Krieger-Denkmal 1914-1918“.

Prof. Dr. Ludwig Fertig ist zum 10. Mal als Autor tätig. Er erforscht hauptsächlich die Literaturtradition in Südhessen und erstellt Biographien heimischer Künstler. In seinem Artikel „Wilhelm Holzamer und sein Großherzog Ernst Ludwig. Zur Tradition des literarischen Mäzenatentums“ befasst er sich mit der Förderung kulturellen Lebens in Darmstadt durch Großherzog Ernst Ludwig von Hessen und bei Rhein (Hessen-Darmstadt).

Nils-Michael Friedrich ist als neuer Autor hinzugekommen. Der Michelstädter ist ein Urenkel von Johann Heinrich Mühlhäuser, dessen Vita und Werk er im neuen „gelurt“ unter dem Titel „Johann Heinrich Mühlhäuser (1866-1937). Sein Leben als Steinbildhauer, Holzschnitzer, Baumeister, Maler und Fabrikant“ veröffentlicht.

Philipp und Wolfgang Götz sind ebenfalls zum ersten Mal dabei. Vater und Sohn wohnen in Beerfelden und erforschen Flugzeugabstürze während des Zweiten Weltkrieges in unserer Region. Ihr Artikel lautet: „Absturz im Ittertal – Der letzte Flug des Captain Duncan R. Donahue“.

Heidi Haag wohnt in Michelstadt und schreibt seit 2005 für „gelurt“. Sie erforscht die neuere Geschichte Michelstadts und hat einen Text über „Heinrich Ritzel (1893-1971) – Michelstadts dynamisches Stadtoberhaupt“ verfasst.

Heinz-Otto Haag zählt seit 1998 zum Kreis der Autoren. Auch er wohnt in Michelstadt und befasst sich erneut mit einer bekannten Michelstädter Persönlichkeit. Sein Beitrag heißt „Georg Friedrich Braun und das Michelstädter Glockenspiel“. Braun hatte das Glockenspiel, das 1913 eingeweiht wurde und bis heute zu hören ist, gestiftet.

Dr. Ulrich Herrmann, zum dritten Mal dabei, erforscht und kommentiert die „Odenwälder Sprache. Seinen Artikel „Mir Ourewäller – Mundartiges, Anektoten und Merkwürziges aus der Heimat. Der Tragödie zweiter Teil“ hat er mit Zeichnungen versehen.

Dr. Elisabeth Kellner, ist mit 93 Jahren die Älteste unter den Autoren. Sie wohnt in Beerfelden und war Chirurgin am Krankenhaus in Eberbach. Kellner stellt sich oft als Zeitzeugin der NS-Zeit den Schulen zur Verfügung. In ihrem Artikel „Meine Freundin Ruth in Haifa. Ein jüdisches Leben“ erzählt sie die Geschichte einer besonderen Freundschaft.

Werner König aus Michelstadt ist seit 2004 mit dabei. In „Eine Rose für das Fräulein von Lichtenberg. Erinnerungen an Antonie Luise (1875-1959), des Grafen Eberhard zu Erbach-Erbach Tochter“ erinnert er an seine Kinder- und Jugendzeit am Ende des Zweiten Weltkrieges.

Dr. Johann Heinrich Kumpf schreibt zum 10. Mal für „gelurt“. Der Jurist lebt in Berlin, wuchs aber in Etzen-Gesäß auf. Sein Text trägt die Überschrift „Die Hinrichtung des Jakob Trumpfheller aus Weiten-Gesäß in Darmstadt 1836“.

Gerhard Lenz, ein neuer Autor aus Bad König, hat über „Kaiser Ludwig IV., der Bayer, Schenk Konrad IV. von Erbach und das Stadtrecht von Beerfelden (1328)“ geschrieben. Die Geschichte lädt zu weiteren Nachforschungen ein.

Gerd Lode, der frühere Reichelsheimer Bürgermeister, ist zum zweiten Mal in „gelurt“ vertreten. Er befasst sich intensiv mit der Geschichte der Juden in Reichelsheim und den politischen Verfolgten des Nazi-Regimes. Im „gelurt“ schreibt er über „Die ,Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes (VVN)‘ im Landkreis Erbach. Ein Beitrag zum Widerstand im Dritten Reich“.

Dr. Rolf Reutter, Autor von Anfang an, wohnt in Darmstadt, verbrachte seine Kindheit aber in Finkenbach. In der Regel kommt er einmal pro Woche ins Kreisarchiv, wo er meist mit erbach-fürstenauischen Beständen arbeitet. Sein Beitrag lautet: „Wetterregeln und Lostage. Landwirtschaft und Wetter in Sprichwort und Redensart zwischen Rhein, Main und Neckar“.

Dr. Peter W. Sattler ist zum 20. Mal als Autor im „gelurt“ vertreten und wohnt in Ober-Mossau. Ausgehend vom Kleeblattkreuz auf dem Lauerbacher Friedhof befasst er sich mit der Geschichte des Kleeanbaus im Odenwald: „Vom Kleeblattkreuz zum Kleeanbau im Odenwald“.

Karl-Ludwig Schmitt, von Anfang an dabei, gibt in seiner „Bücherecke“ wieder viele Anregungen zum Lesen.

Horst Schnur hat für das Jahrbuch seinen 12. Text verfasst. Er wohnt in Olfen und war Landrat des Odenwaldkreises. Dieses Mal lautet sein Thema „Der Schreibtisch des Kreisrats Karl Schliephake...und seine Restaurierungsgeschichte“. Der Tisch steht im historischen Sitzungssaal des Landratsamts.

Thomas Seifert aus Kinzig hat seinen vierten Beitrag verfasst. Er berichtet unter der Überschrift „Von Erbach zur Barbareskenküste“ über die Geschichte eines erpresserischen Menschenraubes mit politischen Implikationen. Protagonist ist Georg Albrecht zu Erbach.

Thomas Steinmetz legt seinen zehnten Beitrag vor und interessiert sich stark für Burgengeschichte. Sein Artikel hat die Überschrift „Amt Schönberg der Schenken und Grafen von Erbach als Erbe des Billung von Lindenfels“.

Egbert Striller, seit 1995 im Autorenkreis, nimmt die Leserinnen und Leser mit auf einen „Allerseelengang“ nach Wolfsbrunn im Watterbacher Tal. Sein Text trägt den Titel „Form wird wesenhaft. Allerseelengang eines Zeichners um einen Gedenkstein im Walde“.

Martha Christine Süß ist zum ersten Mal mit dabei, studiert in Heidelberg und kam auf einer Studienfahrt nach Michelstadt in die Matz-Bibliothek und in das Gräflich Erbach-Fürstenauische Archiv in Steinbach. Süß forschte über „Drei Pestrezepte in der Nicolaus-Matz-Bibliothek in Michelstadt“ und ergründet in ihrem Artikel die Urheberschaft der Rezepte.

Antje Vollmer lebt in Würzberg und ist für das Archiv der Grafen zu Erbach-Erbach zuständig. Sie schreibt zum siebten Mal für „gelurt“ und berichtet „Über die Reformation im Odenwald“.

Gerald Wassum hat seinen sechsten Beitrag verfasst. Der gebürtige Michelstädter wohnt am Bodensee. Aber auch von dort setzt er sich mit neuen historischen Erkenntnisse über den Odenwald auseinander, so auch in seinem Artikel mit dem Titel „Gab es eine durchgehende Römerstraße von Worms nach Eulbach bzw. Miltenberg am Main?“

Ann-Kathrin Weber ist mit 19 Jahren die jüngste Autorin. Sie wohnt in Sandbach und hat zum ersten Mal für das Jahrbuch geschrieben. Ihr Thema lautet „Der Krieg aus Sicht des kleinen Mannes. Feldpostbriefe von Hainstädter Soldaten im Ersten Weltkrieg“.

Horst Wendel wohnt in Reichelsheim, erforscht rege die Geschichte seiner Heimatgemeinde, deren Geschick lange Zeit die Erbacher Grafen prägten. Sein Beitrag trägt den Titel „Zum tragischen Tod von Graf Georg Eginhard zu Erbach-Fürstenau im Jahre 1801“.

Schließlich hat Stefan Toepfer aus der Pressestelle des Landratsamts einen „Jahresrückblick in zwölf Kapiteln von A bis Z“ verfasst.