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Gewerbeverein besucht Führung „Tod & Teufel“ in Michelstadt

An der traditionellen Themenführung des Kulturamts von Michelstadt nahmen über 40 Gewerbetreibende teil. Gästeführerin Silke Schmidt und Antje Vollmer in der Rolle des Tods führen die Mitglieder des Michelstädter Einzelhandels in die Untiefen des Mittelalters ein.

Kulturamt bietet mit Themenführung Auszug aus vielfältigem Programm an

MICHELSTADT. - Es gehört zur Tradition, dass an Gründonnerstag das Kulturamt von Michelstadt die Mitglieder des Gewerbevereins mit einer Themenführung mit der Geschichte der Stadt vertraut macht. In diesem Jahr durften Kulturamtsleiter Heinz Seitz und der Vorsitzende des Gewerbevereins, Helmut Stommel, über 40 Gewerbetreibende auf dem Marktplatz vor dem historischen Rathaus begrüßen, um ihnen eine der beliebtesten Sonderführungen vorzustellen.

Was Qualität und Stellenwert der städtischen Führungen betrifft, stellt ein Blick auf die Statistik unter Beweis. 2016 wurden zum ersten Mal mehr als 12 000 Teilnehmer an städtischen Führungen gezählt. Konkret wurden 12 850 Teilnehmer gezählt, was einer Zunahme von rund 2600 mehr als im Vorjahr gleich kommt. Deren Anzahl stieg von 631 auf 712 an.

Seitz betonte die Bedeutung die Bedeutung der Führungen für die Außendarstellung der Stadt und deren Wirkung auf den Einzelhandel. Thema des Abends war der kritische Blick auf die finsteren Seiten des Mittelalters, die in Michelstadt den Titel "Tod & Teufel" tragen und, aufgeteilt in zwei Gruppen, von den Gästeführerinnen Silke Schmidt und Antje Vollmer anschaulich vorgetragen wurden.

Glaube und Aberglaube begleiteten den harten Alltag der Menschen und ihre Vorstellung von Leben, Tod und Himmel und Hölle. "Die Menschen des Mittelalters begingen ihr Tagwerk in festem Glauben an höhere Mächte: Gott war allgegenwärtig, aber auch sehr grausam, der Teufel war ein reales Wesen, Engel und Dämonen kämpfen um die Seelen der Menschen", führten die versierten Gästeführerinnen ihre Besucher in das Thema ein.

An der Traditionsveranstaltung nahmen zum ersten Mal auch Gewerbetreibende aus Erbach teil. Nicht minder gewichtig wie der „rechte“ Glaube war der Aberglaube. Gespenster, Geister und Spukgestalten waren fester Bestandteil des Lebens, ebenso wie die Zauberei, die in vielen Familien praktiziert wurde. Ein Mitglied der Gesellschaft war der Scharfrichter, der für die „hohe Gerichtsbarkeit“ tätig war. Hexen und Hexenverfolgung gab es nahezu überall, aber nicht in der ehemaligen Grafschaft Erbach.

Die Gründe dafür kamen auf den Stationen Rathaus, Kirchplatz, Synagoge, Diebsturm, Kellerei und in der Braunstraße vor dem ältesten, früheren Gasthaus zur Sonne zur Sprache. Während beispielsweise in Dieburg im 16. Jahrhundert durch Denunziation die halbe Bevölkerung ausgerottet wurde, setzten die Erbacher Grafen bereits auf das juristische Mittel der Beweisführung.

Deutlich wurde in der 90minütigen Führung zwar, dass auch hier Ehebrechern die Nase abgetrennt und Brunnenvergiftern die Gliedmaßen gebrochen wurden, um sie auf ein Wagenrad zu flechten. Doch der Scheiterhaufen wurde nicht angezündet.

Ausgewählte Beispiele standen dafür, dass es in der Grafschaft nicht möglich war, missliebige Personen so einfach an den Scharfrichter auszuliefern. Fehlten fundierte Beweise, galt die Unschuldsvermutung. Dass der Scharfrichter aber auch hierzulande unter dem Ruf einer unehrenhaften Berufsstätigkeit zu leiden hatte und dennoch des nachts gerne seiner Heilkünste wegen aufgesucht wurde, spielte in der Führung eine große Rolle.

Makaber, aber wahr: der Körper eines Hingerichteten war im ausgehenden Mittelalter eine Ware, aus der der Scharfrichter Kapital gezogen hat. Seine anatomischen Kenntnisse waren ebenso geschätzt wie das Blut des Geköpften, das als Heilmittel gegen allerlei Gebrechen gefragt war.