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Spannender Einblick in Odenwälder Lebenswelt des 18. Jahrhunderts

Spannende Einblicke in die Odenwälder Lebenswelt des 18. Jahrhunderts vermittelte Dr. Johann Heinrich Kumpf (Berlin) bei der Vorstellung des Odenwaldbuches von Dr. Ludwig Gottfried Klein aus dem Jahr 1754, das er in deutscher Übersetzung und überarbeiteter Fassung vorgelegt hatte. Herausgeber ist das Kreisarchiv des Odenwaldkreises. Foto: Wolfgang Bastian / Kreisverwaltung

Das Odenwaldbuch des Dr. Ludwig Gottfried Klein 1754: „statt des Confekts fressen sie eine gute Portion Kartoffeln“

ODENWALDKREIS / ERBACH. - Das Kreisarchiv des Odenwaldkreises unter der Leitung von Anja Hering hat eine neue Publikation herausgegeben, die einen spannenden Einblick in die Lebenswelt und -weise der Menschen im Odenwald Mitte des 18. Jahrhunderts eröffnet. Mit dem Hinweis darauf begrüßte Kreisbeigeordneter Dr. Michael Reuter die Gäste bei der Vorstellung des Buches mit dem Titel „. . . statt des Confekts fressen sie eine gute Portion Kartoffeln" im vollbesetzten historischen Sitzungssaal des Landratsamtes in Erbach.

Wenn ein Mediziner seine infolge der Behandlung von Patienten gesammelten Erfahrungen auswertet und veröffentlicht, kommt ein Fachbuch heraus. Handelt es sich bei der Arzt-Klientel um Menschen aus dem Odenwald, wird das Werk um das Element Heimatbuch bereichert. So geschehen 1754 aus der Feder des Dr. Ludwig Gottfried Klein. Anlass der Neuauflage des Bandes gab der 300. Geburtstag des verdienten Mediziners.

Dr. Ludwig Gottfried Klein (1716 bis 1756) war ein Mann der klaren Worte. Zum Beweis zitierte Dr. Johann Heinrich Kumpf bei der Buchvorstellung aus der 122 Seiten starken Übersetzung, die das Kreisarchiv des Odenwaldkreises im Stockheimer Schnelldruck-&-Kopierzentrum hat herstellen lassen. Bereits der Titel spricht Bände.

Der Wahl-Berliner und gebürtige Odenwälder Kumpf betreute die Edition und hatte sich zum Ziel gesetzt, zum 300. Geburtstag des einstigen Amtsarztes für die Grafschaft Erbach und Leibarztes der Grafen zu Erbach und Fürstenau dessen Verdienste in Erinnerung zu rufen.

Das Original von 1754 heißt „De aere, aquis et locis agri Erbacensis atque Breubergensis" (Von der Luft, dem Wasser und den Orten des Erbacher und Breuberger Landes). Der Reichelsheimer Pfarrer Karl August Schweikart hatte es um das Jahr 1900 ins Deutsche übersetzt. „Das Manuskript befindet sich seit einiger Zeit im Kreisarchiv des Odenwaldkreises in Erbach", merkte Kumpf an, der die Übersetzung überarbeitet und um ein umfangreiches Glossar ergänzt hat.

Den Arzt und Autor Klein beschrieb er so: Geboren als Sohn des Stadtschultheißen von Sindringen am Kocher, studierte Klein in Jena und Straßburg Philosophie und Medizin; den Doktortitel erwarb er 1738. Seiner Berufung in den Odenwald folgte 1743 die Ernennung zum Leibarzt der Grafenfamilien.

Klein galt als enger Begleiter und Freund von Graf Georg Wilhelm, den er auf zahlreichen Reisen begleitete. In seinem Odenwaldbuch schilderte er farbig die Geschichte, die Natur und die Bewirtschaftung des Landes.

Ebenso plastisch wie drastisch beschrieb er die Menschen, die hier wohnten, ihre Lebens- und Eigenart, ihre Krankheiten und nicht zuletzt die Methoden, die er zu ihrer Heilung anwandte. Er vermittelt damit einen tiefen Einblick in die ökologischen, ökonomischen, sozialen und medizinischen Verhältnisse im Odenwald vor rund 250 Jahren.

Mit zwei weiteren Veröffentlichungen ließ Klein erkennen, dass seine Leidenschaft der medizinischen und naturwissenschaftlichen Arbeit galt. Honoriert wurde dies 1752 durch seine Aufnahme in die Kaiserliche Akademie der Naturforscher (Leopoldina).

„Durchaus modern kommt uns heute der medizinische Ansatz von Klein vor, Erkrankungen, deren Entstehung und Behandlung in ihrem Zusammenhang mit der natürlichen Umwelt und der Lebensart der Menschen zu sehen, zu erklären und zu heilen", empfiehlt Landrat Frank Matiaske in seinem Vorwort die Lektüre des in drei illustrierte Kapitel gegliederten Buches.

Besonders ausführlich wird die Natur des Odenwalds beschrieben – von der Wasserqualität bis zur Bodenbeschaffenheit, von der Viehzucht bis zu den Unterkünften der Bewohner und deren Tätigkeiten. Die Eisenerz-Gewinnung und deren Folgen für den Waldbestand setzt Klein in der zweiten Abteilung in Beziehung zur Gesundheit der Menschen.

Im dritten Kapitel beschreibt er die Symptome von Krankheiten und stellt Behandlungsmethoden vor. Darunter befinden sich aus heutiger Sicht auch überraschende Ergebnisse. So sollen die Menschen zu jener Zeit trotz der ärmlichen Verhältnisse 80 Jahre und älter geworden sein. Andererseits wollte Klein festgestellt haben, dass der weit verbreitete Genuss von Kartoffeln auf Dauer dumm machen könnte...

Die Publikation „. . . statt des Confekts fressen sie eine gute Portion Kartoffeln. – Das Odenwaldbuch des Dr. Ludwig Gottfried Klein 1754" ist im November 2016 in überarbeiteter Fassung von Dr. Johann Heinrich Kumpf erschienen.

Herausgeber ist das Kreisarchiv des Odenwaldkreises. Der Umschlag des 122 Seiten starken Bandese ziert ein Aquarell von Johann Rudolf Follenweider (1774 bis 1847), das den Ort König um das Jahr 1805 zeigt. Das Werk ist beim Kreisarchiv, Michelstädter Straße 12, 64711 Erbach, und im Buchhandel erhältlich. ISBN :978-3-9815625-5-2; Verkaufspreis: 15 Euro.