Moderne Forschungsstätte für Technologie-Begeisterte
Wie das Lern- und Forschungszentrum Odenwald junge Talente fördertODENWALDKREIS / MICHELSTADT. - Ein lebendiges Herz mitten im Raum, die Steinbacher Einhardsbasilika im 3D-Scan und Goethes Kopf zum Ausdrucken – was wie Zukunftsmusik klingt, ist im Lern- und Forschungszentrum Odenwald, kurz LefoO, schon jetzt Realität.
Dort treffen Wissenschaft und Forschung auf ambitionierte und neugierige junge Menschen und Junggebliebene, die sich fĂĽr technologische Fortschritte interessieren.
Mehr noch: „Im LeFoO wird Zukunft aktiv mitgestaltet, indem sich Gleichgesinnte finden und gemeinsam forschen“, sagt Thorsten Wohlgemuth, Projektleiter des Zentrums, das sich im Beruflichen Schulzentrum Odenwaldkreis (BSO) in Michelstadt befindet.
Der Pädagoge ist ein Visionär und Gründer der ersten Stunde und betreut und coacht Schülerinnen und Schüler sowie Studierende.
Gemeinsam mit dem Ersten Kreisbeigeordneten Oliver Grobeis und BSO-Schulleiter Wilfried Schulz, schuf er das LeFoO vor etwa drei Jahren und zeichnet maĂźgeblich fĂĽr dessen stetige Weiterentwicklung verantwortlich.
Das Zentrum ist in ein großes Netzwerk weiterer Akteure eingebunden, etwa Universitäten, Schulen, Unternehmen und MINT-Zentren sowie verschiedene Institutionen, die sich ebenfalls mit der Anwendung oder Entwicklung von Zukunftstechnologien beschäftigen.
MINT steht fĂĽr: Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften und Technik. In SĂĽdhessen gibt es sieben MINT-Zentren; das LefoO ist eines von ihnen (www.mint-suedhessen.de).
Es hält innovative Bildungsangebote auf hohem Niveau bereit: An Schulen werden Jugendliche der Sekundarstufen I und II im Rahmen des Wahlpflichtunterrichts sowie des BSO angesprochen, beispielsweise für die Anfertigung von Gesellenstücken oder das Digitalisieren von Abschlussarbeiten.
Studierende des Dualen Studiengangs „Produktgestaltung“ der Brüder Grimm Berufsakademie Hanau frequentieren das LeFoO ebenso wie diejenigen des Instituts für Numerische Methoden und Informatik im Bauwesen der TU Darmstadt.
Ein weiterer Bereich bildet sich in den Basis- und Fortgeschrittenenkursen und Workshops ab: Diese zeichnen sich durch das Erlernen von Hard- und Software aus, aber auch durch vertiefende Veranstaltungen und das Bearbeiten eigener komplexer Projekte.
So wurde im Rahmen eines Projekts mit Kooperationspartnern die Michelstädter Einhardsbasilika zum Forschungsobjekt – sie wurde zunächst photogrammetrisch mittels Drohnen und 3D-Scan vermessen und erfasst, um schließlich nach Aufbereitung der Daten und Erstellung von VR-/AR-Elementen dreidimensional in neuem Glanze in einem Film zu erstrahlen.
Weiterhin locken Ferienangebote zu verschiedensten Themen – hier steht das Ausprobieren und Kennenlernen verschiedener Techniken im Vordergrund, auch in Kooperation mit anderen MINT-Zentren.
In den anstehenden Osterferien findet vom 17. bis 21. April das „xperience.camp“ statt – Anmeldungen sind ab sofort unter www.lefoo.de möglich. Die Projektwerkstatt ist hingegen ein offener Treff für alle Altersklassen und findet jeweils freitags statt.
Das Portfolio des LeFoO beinhaltet unterschiedlichste zukunftsweisende Technologien fĂĽr die Forschenden: Von AR- (Augmented Reality) und VR- (Virtual Reality) Brillen, 3D-Technologien (Scannern und Druckern), Fischer-Technik, CAD-Anwendungen, Quadrocoptern bis hin zu Game Development Tools.
Das Zentrum hat damit vielfältige aktuelle Werkzeuge an der Hand und passt diese individuell den vielfältigen Einsatzmöglichkeiten an.
Die kreative Kombination von Werkzeugen steht dabei im Vordergrund: Diese können für verschiedenste Bereiche und Anwendungen eingesetzt werden – Grenzen gibt es hier kaum.
Ständig entstehen neue Ideen, die umgesetzt und implementiert werden, jüngst etwa ein Präventionsprogramm, das auf Initiative der Kreisgesundheitsmanagerin Anika Schilder in Planung ist, um Jugendlichen mittels AR- und VR-Technologie die Auswirkungen von Tabak- und Drogenkonsum und die damit einhergehende Schädigung des Organismus hautnah erlebbar zu machen.
Durch das Tragen der AR-Brillen und einer entsprechenden App kann der menschliche Körper mit seinen Organen dreidimensional im Raum abgebildet und erkundet werden – die „Reise ins Ich“ wird so Realität.
Thorsten Wohlgemuth gibt Einblicke in die Arbeit des LeFoO: „Wir sind auch offen für Anfragen und Ideen aus der Industrie oder Institutionen, so fertigten wir einen 3D-Druck von Goethes Kopf, der nun als Büste an einem Gebäude gegenüber der EZB in Frankfurt angebracht ist.“
Er betont: „Es ist unser Anliegen, interessierten Menschen unabhängig von Geschlechterrollen Zugang zu verschiedenen Technologien zu ermöglichen.
Gerade bei unseren Workshops und Kursen profitieren jüngere und ältere Teilnehmende voneinander, was wiederum wertvolle Synergien schafft.“
Unterstützung durch Kreis – Fachkräftemangel aktiv entgegenwirken
Der Odenwaldkreis unterstützte das ehrgeizige Projekt von Anbeginn nach Kräften, so wurde die Finanzierung des Zentrums zunächst durch den Kreis und das Europäische Förderprogramm LEADER ermöglicht und seitdem durch zahlreiche lokale Sponsoren fortgeführt.
Erster Kreisbeigeordneter Oliver Grobeis führt aus: „Das Projekt lag uns von Anfang an am Herzen, macht es den Odenwaldkreis weiter zukunftsfähig, da es aktiv dem Fachkräftemangel entgegenwirkt und die weitere Strukturentwicklung in unserer Region unterstützt.
Es gibt hier viele innovative Unternehmen, in dieses Spektrum passt das LeFoO hervorragend. Aber auch traditionelle Berufe, wie die Holz- und Elfenbeinschnitzerei, profitieren von der Kombination aus klassischem Handwerk mit innovativen Techniken.
Wir freuen uns sehr, dass das LeFoO nach pandemiebedingten Einschränkungen nun voll durchstarten kann.“
Auch Schulleiter Schulz betont die Bedeutung des Lern- und Forschungszentrums für die Region: „Das LeFoO profitiert von der regionalen Infrastruktur und kurzen Wegen und der Industrie, allen voran dem Kautschuk- und kunststoffverarbeitendem Gewerbe.
Hierbei entsteht ein wertvoller Know-how-Transfer in beide Richtungen. Mit dem LeFoO möchten wir junge Leute abholen und Talente in einem dynamischen Bereich fördern und dies in einer offenen und projektorientierten Lernumgebung, die gleichermaßen hip und niederschwellig ist.
Das Ausprobieren und Mitgestalten steht dabei im Fokus mit dem Ziel, die jungen Leute zu Experten zu machen.“ Eine einzigartige Perspektive für junge Menschen bildet hierbei die Möglichkeit einen Berufsabschluss als Elfenbeinschnitzer/in oder Holzbildhauer/in parallel mit einem Bachelor für Produktgestaltung unter Nutzung der zukunftsorientierten digitalen Optionen des LeFoO am BSO zu erwerben.
„Das Silicon Valley des Odenwalds“
Schon seit den ersten Schritten des LeFoO unterstützte die dem Kreis zugehörige Odenwald-Akademie durch ihren Wissenstransfer in und aus dem Odenwaldkreis sowie durch ihre Kontakte zur TU Darmstadt und fungierte gleichsam als „Wegeöffner“.
Deren Beiratsvorsitzender Landrat Frank Matiaske betont, wie wichtig die Nähe aller Akteure zur TU Darmstadt und den umliegenden Hochschulen und der Transfer zur heimischen Wirtschaft ist.
„Das vierte industrielle Zeitalter, das längst begonnen hat, bringt Veränderungen in einer immensen Geschwindigkeit mit völlig neuen Technologien mit sich, auf die wir die jungen Menschen vorbereiten müssen“, so der Landrat.
Auch Schulz konstatiert: „Die Odenwald-Akademie ist eine natürliche Ergänzung und ermöglicht den Transfer von der Hochschule und zurück.“
Die Expertenschmiede LefoO fördert junge Talente – erst kürzlich stellten die beiden 19-jährigen Gymnasiasten Ilias Zempelin und Hannes Specht den „Sentry Bot“ vor:
Sie entwickelten und fertigten den ferngesteuerten Ăśberwachungsroboter mit Hilfe von 3D-Druck komplett selbst und nahmen mit dem System unter anderem erfolgreich am Bundesentscheid von Jugend forscht teil. Seitdem sind die zwei auf Messen und Veranstaltungen unterwegs, um ihr Netzwerk zu erweitern.
Wohlgemuth spricht auch über die Herausforderungen: „In den vergangenen Jahren ist leider viel Know-how vom Odenwald abgewandert, mit unserem Angebot wollen wir die Region wieder für kluge Köpfe attraktiver machen.
Inzwischen kommen Hochschulen und Studenten auf uns zu und viele junge Menschen kehren wieder in die Region zurück. Hier liegt ein großes Potenzial – wer weiß, vielleicht wird das LeFoO sogar das Silicon Valley des Odenwalds“, wagt Wohlgemuth einen Blick in die Zukunft.