Mit Namen Gemeinschaft bewahren
MICHELSTADT. - Vor genau 80 Jahren, im März 1942, wurden zehn jüdische Menschen aus Michelstadt in Richtung Osten des damaligen Deutschen Reiches deportiert, um sie in Konzentrations- und Vernichtungslagern in den Tod zu schicken.
Von manchen von ihnen verlieren sich irgendwann jegliche Spuren, der Zeitpunkt und der Ort ihres Todes sind nicht mehr feststellbar. Tatsächlich versuchten die Nationalsozialisten damals auch die Erinnerung zu töten, wie die Michelstädter Pfarrerin Dr. Anneke Peereboom nun bei einem Gedenkgottesdienst in der evangelischen Stadtkirche sagte.
„Ihre Identität und Individualität wurde diesen Menschen genommen, indem alle Männer den Vornamen Israel und Frauen den Namen Sara annehmen mussten.“ Auch Grabsteine sollte es nicht geben; nichts, das bleibt und erinnert.
So wurden im Gottesdienst die Namen genannt: Ludwig, Moses und Meta Neu (Friedhofstraße 4); Moritz, Meta und Edgar Rothschild (Große Gasse 22); Elias und Frieda Strauss (Bahnhofstraße 24) sowie Max und Minna Strauss (Braunstraße 16).
Im KZ hatten die Menschen eintätowierte Kennzahlen statt Namen, erinnerte Theresa Möke, Referentin für Gesellschaftliche Verantwortung im Evangelischen Dekanat Odenwald.
„Gott aber, so sagt es die Bibel, hat jeden Menschen bei seinem Namen gerufen. Wir wollen über ihre Namen auch die Menschen in unserer Gemeinschaft bewahren.“
„Wir erschrecken vor der Gewalt der einen und dem Schweigen der anderen“, sagte die Pfarrerin mit Blick auf das damalige Geschehen. Sie knüpfte damit jedoch auch zugleich an an die Gegenwart, hatte doch der Gedenkgottesdienst seinen Platz im Rahmen des in Michelstadt nun wöchentlich mittwochs stattfindenden Friedensgebets für die Ukraine und die anderen Kriegsherde auf dem Globus:
„Es geht der Welt nicht gut. Wir suchen nach Wegen der Menschlichkeit, ein Teil davon ist das Gebet“, so die Pfarrerin. Alle Gottesdienstbesucher erhielten von Hildegard Süß gebastelte Friedenstauben.
Musikalisch gestaltet wurde der Gottesdienst von Hermann Weyrich (Glockenspiel), Albena Vogel (Flügel, Saxofon) und der Flötengruppe „Hortus Tibiae“ unter Leitung von Hildegard Süß. Eine Sprecherrolle hatte Dekanatsjugendreferent Oliver Guthier übernommen.
An den Gottesdienst schloss sich ein Gedenk-Weg durch die Michelstädter Innenstadt zu den Stolpersteinen an, die an die vor genau 80 Jahren deportierten Menschen erinnern.
Hier wurden im Gottesdienst entzündete Kerzen niedergelegt (Foto). Mitglieder von „Odenwald gegen rechts“ leiteten die kleine Gruppe zu den Gedenkorten. Foto: Bernhard Bergmann