Mit MitgefĂŒhl und Distanz
Mark Adler war OpernsĂ€nger, jetzt wird er Pfarrer + + + In Corona-Zeiten erlebte er seine erste BeerdigungODENWALD. - Mark Adler war OpernsĂ€nger, jetzt wird er Pfarrer. Am 1. September vergangenen Jahres hat der 52-JĂ€hrige sein Vikariat, also die praktische Ausbildung fĂŒr den Pfarrdienst in der Evangelischen Kirchengemeinde Georgenhausen-Zeilhard im Evangelischen Dekanat Vorderer Odenwald begonnen.
Wir begleiten ihn ĂŒber die Dauer seiner Ausbildung, die sich durch die Corona-Pandemie verĂ€ndert hat.
Es ist still an diesem Mai-Nachmittag auf dem neuen Friedhof in Georgenhausen. Eine Amsel singt auf einem Baum. Abseits des Hauptweges steht ein kleines GrĂŒppchen Menschen auf einer Wiese.
Eine Beerdigung unter freiem Himmel, mit wenigen Menschen. So geben es die BeschrĂ€nkungen infolge der Corona-Pandemie vor. Es ist die erste Beerdigung von Mark Adler. Spontan singt er am Grab âSo nimm denn meine HĂ€ndeâ. Drei Strophen.
âIch wollte nicht, dass die Angehörigen das GefĂŒhl von Schmalspur-Corona-Bestattung habenâ, sagt der angehende Pfarrer, der bis vor kurzem noch OpernsĂ€nger war, spĂ€ter. âWenn ich das schon kann, versuche ich es zu nutzen.â
Alles anders durch Corona
Bei der Vorbereitung zur Trauerfeier hatte er sich vorgenommen zu singen, aber nur, wenn er keinen KloĂ im Hals hat. Das GesprĂ€ch mit den Angehörigen sei ihm schon nahe gegangen, erzĂ€hlt Mark Adler. âDa liegen die Herzen so offen.â
Aber er habe auch das GefĂŒhl gehabt, er dĂŒrfe sich nicht selbst emotional so sehr hineinbegeben. âEin bisschen Distanz braucht man.â Die Verstorbene war eine Ă€ltere Dame aus dem Ort, sie verstarb im Krankenhaus.
âEs ist ein groĂes Problem, dass die Angehörigen nicht zu den Sterbenden dĂŒrfenâ, sagt Mark Adler, âdas ist irgendwie entmenschlicht.â Der Witwer hatte sich eine Aussegnung gewĂŒnscht. Auch das war nicht möglich.
Mark Adler hat eine Kerze zum TrauergesprĂ€ch mitgebracht, mit dem Ehemann am Anfang ein Gebet gesprochen und am Schluss die Kerze fĂŒr die Verstorbene angezĂŒndet. Lehrpfarrer Joachim KĂŒhnle war beim TrauergesprĂ€ch dabei.
âMan muss genau hinhören, um die GefĂŒhlslage der Menschen zu erfassenâ, sagt der Vikar. âSie erwarten Trost und ein gutes Wort.â Die Traueransprache, die Gebete, den Ablauf der Bestattung hat der Vikar daraufhin ausgearbeitet und mit seinem Lehrpfarrer abgestimmt.
Normalerweise wĂŒrde er allen Angehörigen auf dem Friedhof die Hand schĂŒtteln, sie nach ihren Namen fragen und sich so einen Ăberblick ĂŒber die Familie verschaffen.
Normalerweise wĂŒrde am darauffolgenden Sonntag auf dem Altar in der Kirche eine Kerze fĂŒr die Verstorbene entzĂŒndet. Doch durch Corona ist alles anders. Kein Körperkontakt, Abstandsregeln zwischen den Menschen, Schutzkonzepte fĂŒr Kirchen.
Ăbungen per Videokonferenz
In der Pfarrerausbildung sind auch praktische Ăbungen zu Beerdigungen im Predigerseminar in Herborn vorgesehen. Durch Corona und den Lockdown waren auch die hinfĂ€llig, sie wurden durch Videos und Videokonferenzen ersetzt.
Die drei Seminarwochen seien eine echte Herausforderung gewesen, sagt der 52-JĂ€hrige, eine Videokonferenz nach der anderen, dazu Homeschooling der Tochter, der Gesangsunterricht seiner Frau per Skype und der ganz normale Alltag.
Um ein GefĂŒhl fĂŒr Beerdigungen zu bekommen, war Mark Adler auĂerdem bei mehreren Beerdigungen seines Lehrpfarrers dabei.
âIch hatte das GlĂŒck, dass mein Schulpraktikum ganz normal zu Ende gingâ, sagt Mark Adler. Beim Nachfolgekurs sei das anders gewesen. âCorona beeintrĂ€chtigt die Ausbildung nicht unerheblich.â
Es gebe keinen Schul- und keinen Konfirmandenunterricht, die Gemeindearbeit sei so eingeschrÀnkt, dass man viel weniger mitbekomme als unter normalen UmstÀnden.
DafĂŒr war in den vergangenen Wochen viel FlexibilitĂ€t gefragt: Die Reinheimer Pfarrerinnen und Pfarrer haben sich zu Andachten in den Reinheimer Nachrichten abgesprochen, die dann auch in den BriefkĂ€sten der evangelischen Haushalte verteilt wurden.
Dank Mark Adler ist die Kirchengemeinde nun auch bei Facebook vertreten. Er fĂŒhrte Seelsorge-GesprĂ€che am Telefon.
Aufgewachsen in Berlin studierte Mark Adler nach dem Abitur Gesang und arbeitete jahrzehntelang als lyrischer Tenor an verschiedenen BĂŒhnen. Seit 2005 lebt die Familie in SĂŒdhessen, seit knapp sechs Jahren in Eberstadt. Die Jungs sind inzwischen 20 und 18, die Tochter elf Jahre alt.
Mit Ende 40 entschied sich Mark Adler, seinem Leben eine neue Wendung und mehr Sinn zu geben und begann in Heidelberg den berufsbegleitenden Masterstudiengang Theologie. Seit 1. September 2019 ist er im Vikariat, also der praktischen Ausbildung fĂŒr den Pfarrberuf, in Georgenhausen-Zeilhard.
âStĂŒck fĂŒr StĂŒck wĂ€chst man weiter in die Rolle hineinâ, sagt der angehende Pfarrer. Die Corona-Auflagen fĂŒhrten zu ungewohnten Situationen, wie zum Beispiel bei den TrauergesprĂ€chen. Seelsorge finde nun hĂ€ufig auch zwischen TĂŒr und Angel statt. âEs ist anders, aber es geht.â
HINTERGRUND
Ein Quereinstieg in den Pfarrberuf ist auch per Fern- oder Teilzeitstudium möglich. Die Philipps-UniversitĂ€t Marburg war Vorreiterin in der Theologie-Ausbildung fĂŒr Quereinsteiger: Seit 2007 gibt es dort den dreijĂ€hrigen berufsbegleitenden Masterstudiengang Evangelische Theologie.
NÀchstmöglicher Einstieg ist im April 2022 (Bewerbungsschluss 31.10.2021). Die zweite Möglichkeit, an einer staatlichen Hochschule berufsbegleitend Theologie zu studieren, gibt es seit dem Wintersemester 2013/14 als PrÀsenzstudium an der UniversitÀt Heidelberg.
Genau wie in Marburg richtet sich der Studiengang an Menschen mit Berufserfahrung und abgeschlossenem Hochschulstudium. Anders als in Marburg können Quereinsteiger in Heidelberg zu jedem Semester beginnen und zwischen Teilzeit und Vollzeit wÀhlen.
In der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau (EKHN) sind mittlerweile 20 Absolventinnen und Absolventen des Masterstudiengangs in Vikariat oder im Pfarrdienst angekommen. Weitere Informationen: Rebecca MĂŒller, Telefon 06151/405-378, E-Mail: rebecca.mueller(at)ekhn.de.