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Am Anfang stand ein „falsch geparktes“ Fahrrad

Um dieses Fahrrad entbrannten in der Odenwälder Kreisstadt Erbach Befindlichkeiten zwischen den Akteuren und der Erbacher Stadtverwaltung, die sich inzwischen zu heftigen politischen Kontroversen ausgeweitet haben. Foto: Pressedienst Odenwälder >Bündnis gegen rechts<

Hessisches Innenministerium widerspricht der Rechtsauffassung des Erbacher Bürgermeisters Dr. Peter Traub und der Mehrheit des Magistrats der Odenwälder Kreisstadt

ERBACH. - Seit mehreren Wochen beschäftigt die Abkehr des Erbacher Magistrats von der Unterstützung des Bündnisses >Odenwald gegen rechts< nahezu alle Gesellschaftskreise in der Kreisstadt Erbach, wie dem Odenwaldkreis und weit darüber hinaus.

In der jüngsten Sitzung des Erbacher Parlaments drohte Bürgermeister Dr. Peter Traub nach kontrovers diskutierten Einwendungen gegen diesen Magistratsbeschluss gar mit Widerspruch, sollten die Mandatsträger den mehrheitlich gefassten Beschluss der Exekutive kippen.

Gestützt sah Traub sein angekündigtes Vorgehen auf §63 der Hessischen Gemeindeordnung (HGO). Danach ist der Verwaltungschef tatsächlich aufgefordert zu widersprechen, sofern ein Beschluss der Gemeindevertretung das Recht verletzt.

Eine solche Rechtsverletzung würde - einen entsprechenden Parlamentsbeschluss vorausgesetzt - im vorliegenden Fall jedoch nicht vorliegen, wie das hessische Innenministerium auf FACT-Anfrage nach entsprechender Situationsbeschreibung explizit erklärte:

>Die Gemeinden haben nach Artikel 28 Abs. 2 Satz 1 Grundgesetz (GG) das Recht, alle Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft im Rahmen der Gesetze in eigener Verantwortung zu regeln.

Die Gemeinden sind dabei auch berechtigt, sich aus ihrer ortsbezogenen Sicht mit bestimmten Fragen zu befassen, die zwar anderen Hoheitsträgern zugewiesen sind, aber spezifisch ortsbezogene Auswirkungen auf die Erledigung gemeindlicher Aufgaben haben. Sämtliche Maßnahmen der Gemeinde müssen also einen spezifischen örtlichen Bezug haben.

Sofern ein solcher Bezug gegeben ist, spricht nichts dagegen, wenn Kommunen auch zu gesellschaftspolitischen Entwicklungen Position beziehen (vgl. Beschluss des VG Wiesbaden vom 02.08.2013, AZ. 7L 767/13.WI zum Hissen der sogenannten Regenbogenflagge)<, heißt es in der Antwort der obersten kommunalen Aufsichtsbehörde in Hessen.

Betont wurde dabei vom stellvertretenden Pressesprecher des Innenministeriums Marcus Gerngroß auch die ohnehin unstrittig aufsichtsbehördlich nicht zu beanstandende Erbacher Magistratsentscheidung zu dieser Thematik.

Allerdings hat die Stadtverordnetenversammlung als oberstes gesetzgebendes Organ der kommunalen Selbstverwaltung die Möglichkeit diesen Beschluss aufzuheben. Im Falle eines Aufhebungsbeschlusses dieser Entscheidung durch das Stadtparlament würde ein Widerspruch des Bürgermeisters in einem möglichen verwaltungsgerichtlichen Verfahren dann jedoch keine rechtliche Wirkung entfalten.

„Viel Wind also um Nichts, wir haben in Erbach sicher dringendere Probleme, die einer Lösung bedürfen, als sich jetzt wochenlang damit zu beschäftigen, ob wir von einer ursprünglich wohlüberlegten Unterstützung eines Bündnisses, das sich gegen Extremismus jeder Art wendet, abweichen“, kommentierte ein Erbacher Bürger, der namentlich nicht genannt werden möchte, die aktuelle Situation.

In die haben sich inzwischen zahlreiche Institutionen und Gruppen wie auch die evangelische Kirche mit reichlich Unverständnis für diese Magistratsentscheidung eingeschaltet.

In der Tat löste „ein falsch geparktes Fahrrad“ diesen wochenlangen Wirbel aus, wie der Bürgermeister selbst in der jüngsten Parlamentssitzung im Mai offen bekundete.

Dabei handelte es sich um eine Aktion des Bündnisses >Odenwald gegen rechts<, das vor Ostern dieses Jahres in der Erbacher Innenstadt ein Fahrrad mit Veranstaltungshinweis und politischen Zielen aufgestellt hatte.

Fehler auf beiden Seiten der Beteiligten führten zu einer beispielhaften Posse (FACT berichtete unter: www.de-fakt.de/bundesland/hessen/odenwaldkreis/details/?tx_ttnews), die wiederum Befindlichkeiten auf ebenfalls beiden Seiten auslösten.

Schlussendlich bleibt das „falsch geparkte“ Fahrrad nur Auslöser einer verhärteten Front zwischen Bürgermeister Dr. Peter Traub und der Mehrheit des Erbacher Magistrats einerseits und heftigen Kritikern im Stadtparlament an der vom Magistrat verfügten städtischen Abkehr vom Bündnis andererseits.

Am Donnerstag, 17. Juni, folgt in der Erbacher Stadtverordnetenversammlung die Fortsetzung dieser inzwischen zur politischen Kontroverse ausgewachsenen Posse.

Die seither vom Bürgermeister angeführte rechtliche Grundlage für die entsprechende Magistrats-Entscheidung lässt sich dabei aufgrund der Aussage des Innenministeriums allerdings nicht mehr aufrecht erhalten.