Strafverfahren gegen Ex-Landrat Dietrich Kübler eingestellt
Für einen Freispruch, wie von der Verteidigung gefordert, reichte es nicht: Mit der Zahlung eines Bußgelds in Höhe von 10.000 Euro an einen gemeinnützigen Verein im Odenwald kann sich der frühere Kreischef vom Vorwurf der Untreue zu Lasten des Odenwaldkreises befreienDARMSTADT / ODENWALDKREIS. - Nach mehr als vierjährigem Stillstand im Berufungs-Strafverfahren gegen den früheren Landrat des Odenwaldkreises, Dietrich Kübler (71, ÜWG), ging am Ende alles ganz schnell.
Lothar Happel, Vorsitzender Richter der 8. Kleinen Strafkammer am Landgericht Darmstadt, hatte es eilig, wollte die Strafakte rasch schließen.
Mit 10.000 Euro Geldbuße, zu zahlen bis 1. März dieses Jahres an den eingetragenen Verein >Helfer vor Ort< in Mossautal, konnte sich Dietrich Kübler am heutigen Mittwoch vom staatsanwaltlichen Schuldvorwurfs der Untreue freikaufen, ist somit nicht vorbestraft.
„Nicht auf einem türkischen Bazar“
Nein, er sehe sich nicht auf einem türkischen Bazar, sagte der Vorsitzende in Bezug auf die ursprünglich von ihm angebotene Summe von 16.000 Euro Bußgeld als Basis zur Verfahrenseinstellung.
Vielmehr sei das eine von ihm fixierte Summe gewesen, die er zuvor nicht mit seinen Schöffen abgestimmt habe, lautete sein Erklärungsversuch bezüglich der Reduzierung der Strafsumme.
Happel, verwies zu Beginn des zweiten Verhandlungstags im Berufungsverfahren erneut auf seine vor Wochenfrist offenbarte Sichtweise, der Angeklagte sei nicht entscheidungsbefugt gewesen bei der Auftragsvergabe des Standortmarketing-Konzepts, und könne sich somit auch nicht der Untreue schuldig gemacht haben (siehe FACT-Bericht unter: www.de-fakt.de/bundesland/hessen/odenwaldkreis/details/?tx_ttnews).
Staatsanwalt sieht Untreue noch immer gegeben
Staatsanwalt Joachim Hauschild teilte die rechtlichen Bedenken des Vorsitzenden nicht, sah den Schuldvorwurf der Untreue vielmehr noch immer gegeben, wollte sich aber aufgrund der Länge des Verfahrens sowie angesichts weiterer mindestens elf Verhandlungstagen mit „weiteren 30 bis 35 Zeugen“ (O-Ton Happel) und möglicher Strafnachlässe wegen der jahrelangen Verfahrensverzögerung einer Einstellung nicht verschließen.
Kübler-Verteidigerin Andrea Combé liebäugelte noch immer mit einem Freispruch, gab sich letztlich aber mit der auf 10.000 Euro reduzierten Höhe der Strafzahlung zufrieden, zumal der Angeklagte selbst seine Zustimmung schon vor Wochenfrist gegeben hatte.
Im erstinstanzlichen Strafverfahren zur sogenannten Standortmarketing-Affäre war Kübler im Dezember 2017 nach zwölf Verhandlungstagen noch zu sieben Monaten Haft zur Bewährung und 25.000 Euro Geldbuße verurteilt worden.
Deutliche Warnungen des eigenen Rechtsamts ignoriert
Damals hatten rund 30 Zeugen geschildert, wie der Angeklagte alle überaus deutlichen Warnungen seines eigenen Rechtsamts ignorierte und dessen schriftliche Ausführungen sogar dem Entscheidungsgremium, dem Kreisausschuss des Odenwaldkreises, vorenthielt.
Kübler stand von 2009 bis 2015 dem Kreisausschuss als Landrat vor und war kraft Amtes auch Aufsichtsratsvorsitzender der kreiseigenen Tochter OREG. In dieser Funktion hatte er das Heft des Handelns bei der Vergabe des Standortmarketing-Auftrags an sich gezogen und dem damaligen Geschäftsführer wie auch der Abteilungsleiterin Wirtschaftsförderung mit Konsequenzen gedroht, falls sie sich der Auftragsvergabe an die von ihm protegierte Werbeagentur widersetzen würden.
Die Abteilungsleiterin wurde auf seine Anweisung hin sogar degradiert, was nach deren Aussage im erstinstanzlichen Verfahren einem monatlichen Einkommensverlust von rund 400 Euro gleichkam.
Nicht die OREG-Geschäftsführung sondern Kübler hatte den Anftrag erteilt
Schlussendlich hatte Kübler in seiner Funktion als Aufsichtsratsvorsitzender der OREG massiv in den Geschäftsbereich eingegriffen und den verfahrensrelevanten Auftrag für das Projekt, das mit 137.900 Euro gefördert war, über die Köpfe der eigentlich zuständigen Protagonisten der Kreistochter hinweg an den Geschäftsführer der von ihm bevorzugten Agentur erteilt.
Einem von der OREG-Geschäftsführung dann verlangten schriftlichen Vertrag vom Agentur-Geschäftsführer hatte dieser dann die Zustimmung verweigert und berief sich vielmehr auf den von Kübler fernmündlich erteilten Auftrag.
Rund 100.000 Euro Gesamtschaden für den Odenwaldkreis
Diese und weitere Fakten wurden im erstinstanzlichen Verfahren vor dem Amtsgericht Michelstadt akribisch aufgearbeitet und führten letztlich zur Verurteilung Küblers wegen Untreue zu Lasten des Odenwaldkreises in Höhe von 68.700 Euro zuzüglich weiterer, für das Strafmaß jedoch unerheblicher, weil Kübler nicht schuldhaft anzulastender rund 30.000 Euro Verlust im Zusammenhang mit diesem Projekt.
Der Vorsitzende Richter am Amtsgericht Michelstadt hatte damals in seiner Urteilsbegründung abschließend bemerkt: „Bescheißen darf man nicht, und hier wurde beschissen!“
Nunmehr bleibt abzuwarten, wie das Verwaltungsgericht, das die Verursacherfrage für den entstandenen Schaden zu klären hat, in einem nachrangigen Verfahren entscheiden wird. Das Gericht hatte seine Entscheidung bis zum Abschluss des Strafverfahrens zurückgestellt.
Siehe auch Kommentar unter: www.de-fakt.de/bundesland/hessen/odenwaldkreis/details/?tx_ttnews