KOMMENTAR: Kollektives Versagen
Die Stadt Oberzent sichert gemäß eines aktuellen Parlamentsbeschlusses für rund eineinhalb Jahre den seit 2018 laufenden Betrieb des bis ursprünglich 2020 vorgesehenen provisorischen, Gesundheitsversorgungszentrums an der Beerfeldener Mümlingtalstraße.
Damit wird gewährleistet, den Bestand zu sichern, den Leistungsanbietern Planungssicherheit zu geben und insbesondere den Patienten Sicherheit für ihre Versorgung zu geben, warb Bürgermeister Christian Kehrer für diese zweifellos vernünftige Vorgehensweise.
Das ist die positive Nachricht zumal dieses städtische Engagement, gemessen an den Gesamtinvestitionen in dieses Projekt einen überschaubaren finanziellen Anteil erfordert (siehe FACT-Bericht unter: www.de-fakt.de/bundesland/hessen/odenwaldkreis/details/?tx_ttnews)
Knapp 700.000 Euro an Fördergeldern und städtischem Invest wurden bis dato verbraten. Nebst dauerhaftem Ärger mit der Beratungsagentur ASD Concepts und deren Chefin Elke Kessler, ständiger Intransparenz bis zu gänzlich fehlender Kommunikation war das in 2010 gestartete Projekt praktisch schon frühzeitig zum Scheitern verurteilt.
Verantwortlichkeiten wurden von links nach rechts und von oben nach unten und zurück verschoben. Wenn jetzt, nach dem Scheitern des Gesamtprojekts, Sprecher aller Fraktionen Kritik äußern, dann hat diese ebenso ihre Berechtigung wie die Frage nach der Eigenverantwortlichkeit.
Im Wahlkampf 2018, nach der erfolgten Fusion der ehemals selbständigen Kommunen Beerfelden, Rothenberg, Hesseneck und Sensbachtal, hatten alle Bürgermeisterkandidaten und alle Parteien und Wählergruppen die Realisierung des Projekts Gesundheitsversorgungszentrum priorisiert.
Wenn FDP-Sprecher Frank Leutz als Konsequenz aus der jetzt offenkundigen Misere anmahnt „dass uns so etwas nicht mehr aus der Hand gleitet“, beschreibt er die Situation wohl treffend.
Denn bei allen richtigen Darstellungen mit dem Verweis auf Managementfehler („im Verein wurde vieles unter den Teppich gekehrt, Frau Kessler hat Fragen gekonnt umschifft und uns an der Nase herumgeführt“) und der sicher auch nicht unberechtigten Kritik an der Stadtverwaltung stellt sich die Frage nach der Kontrollfunktion des Stadtparlaments.
Von dieser Seite hätte viel früher die Reißleine gezogen werden, und dem orientierungslosen Treiben der ASD-Chefin samt des offensichtlich überforderten Vereins >Gesundheitsversorgungs-Kooperation< Einhalt geboten werden müssen.
So aber blieb am Ende des kollektiven Versagens tatsächlich nur die von Horst Kowarsch aufgezeigte Option „aus dem Schlechten noch das Beste zu machen“, und mit weiteren gut 134.000 Euro wenigstens den Bestand zu sichern, bis der Hausarzt im kommenden Jahr eine dann hoffentlich fertiggestellte neue Praxis beziehen kann – und hoffentlich auch der seit wenigen Monaten in Beerfelden praktizierende Kinder- und Jugendlichen-Psychotherapeut eine neue Bleibe für seine Praxis findet.