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„Eine Peinlichkeit reiht sich an die andere, wann hört das endlich auf?“

Hoffnung für die Neugestaltung des Bensheimer Marktplatzes nach 16-monatigem Leerlauf bringt der nunmehr dritte identische Beschluss der Stadtverordneten seit dem 01. Dezember 2020 zur Auslobung eines ergebnisoffenen städtebaulichen Ideenwettbewerbs. Foto: er

Nach 16 Monaten Leerlauf „ein guter Tag für den Bensheimer Marktplatz“

BENSHEIM. - „Heute ist ein guter Tag für den Bensheimer Marktplatz, weil wir jetzt endlich etwas auf den Weg bringen.“ Angesprochen hat der Christdemokrat Feridun Bahadori in der jüngsten Sitzung der Bensheimer Stadtverordneten damit den 16-monatigen Leerlauf seit der ersten Entscheidung und dem nunmehr dritten Beschluss der Parlamentarier zur Neugestaltung des Marktplatzes im Zentrum der Stadt.

Nach umfangreichen Diskussionen – auch zu zwei Änderungsanträgen – entschieden sich die Mandatsträger dann jeweils einstimmig sowohl für den Änderungsantrag der Koalition aus CDU, SPD und FDP mit einer zeitlichen Limitierung der Auslobungsfrist des städtebaulichen Wettbewerbs bis 30. Juni 2022 als auch für die um diese Erweiterung ergänzte Magistratsvorlage.

Der gemeinsame Änderungsantrag von FWG und BfB wurde in vier einzelnen Punkten jeweils mit unterschiedlichen Voten mehrheitlich abgelehnt.

Ursprungsbeschluss vom 01. Dezember 2020

Rückblende: Vor nunmehr 16 Monaten, exakt am 01. Dezember 2020, hatten die Stadtverordneten auf Antrag der CDU „die Durchführung der mit dem Bürgerbegehren vom 3. Juli 2020 verlangten Maßnahmen“ beschlossen.

Diese Entscheidung erfolgte mit 29 Ja-Stimmen aus den Fraktionen der CDU, GRÃœNEN, BfB, FWG und AfD bei 7 Gegenstimmen der SPD-Fraktion, sowie 4 Enthaltungen der FDP-Fraktion.

„Ergebnis ist im Rahmen einer Bürgerinformationsveranstaltung vorzustellen“

„Die Umsetzung des begehrten städtebaulichen Ideen-Wettbewerbs soll für die Ostseite des Marktplatzes unter Einbeziehung des gesamten Marktplatzareals erfolgen.

Über den Verfahrensfortgang und das Ergebnis ist der Stadtverordnetenversammlung zu berichten. Das Ergebnis ist im Rahmen einer Bürgerinformationsveranstaltung vorzustellen“, lautet der damalige Beschluss.

Damit entsprach das Stadtparlament bekanntlich einem durch die Bürgerinitiative >Bensheimer Marktplatz besser beleben< mit rund 4.000 Unterstützern vor dem Verwaltungsgericht erstrittenen Bürgerbegehren und hob den zuvor gefassten Beschluss zur Durchführung eines Bürgerentscheides am 17. Januar 2021 auf.

Beschluss bis dato nicht umgesetzt

Umgesetzt wurde der Beschluss durch das städtische Bauteam bis dato allerdings nicht. Im April vergangenen Jahres, und damit bereits knapp fünf Monate nach dem Beschluss, schaffte die Stadtspitze mit Erster Stadträtin und Baudezernentin Nicole Rauber-Jung und Bürgermeisterin Christine Klein mit ihrer Kreation des sogenannten >Bensheimer Wegs< ein Vehikel, mit dem dieser Auftrag umgesetzt werden sollte.

Eifrig wurden von der städtischen Verwaltung mehrere Teams zusammengestellt, die Lösungswege zur Umsetzung des Stadtverordnetenbeschlusses aufzeigen sollten.

Dieses Umsetzungsmodell ließ sich die Stadtspitze noch einmal mit einem Parlamentsbeschluss absegnen, der am 15. Juli 2021 auch einstimmig mit dem nach wie vor identischen Ziel erfolgte, den durch das Bürgerbegehren verlangten städtebaulichen Ideenwettbewerb zu realisieren.

Ergebnis aus dem E-Team: Vorschlag zum Verfahrenswechsel

Das von der Stadtverwaltung installierte sogenannte Empfehlungsteam (E-Team) präsentierte im Herbst vergangenen Jahres nach mehreren Sitzungen dann sein Ergebnis: ein Verfahrenswechsel von einem städtischen Ideenwettbewerb hin zu einem sogenannten Werkstattverfahren, weil ein solches „viel transparenteres Verfahren“, das mehr Bürgerbeteiligung garantiere, „ein flexibles und agiles Instrument ist und die Akzeptanz bei den Bürger*innen steigert“.

Es sei kein starrer Weg, der Zeit- und damit Kostenersparnis ermögliche, „da direkt im Anschluss an das Werkstattverfahren die Realisierung beauftragt werden kann“.

Das E-Team präsentierte somit keine Lösung zur Umsetzung des Stadtverordneten-Beschlusses sondern lediglich eine Verfahrensänderung. Die Stadtspitze wollte diesen Verfahrensvorschlag umsetzen, musste dann allerdings einmal mehr eine juristische Ohrfeige quittieren.

Hessisches Innenministerium watschte Stadtspitze ab

Das hessische Innenministerium watschte die die Bensheimer Verwaltung regelrecht ab und verwies auf die nicht rechtskonforme Änderung (siehe FACT-Bericht unter: www.de-fakt.de/bundesland/hessen/kreis-bergstrasse/details/?tx_ttnews).

Auch die hessische Architektenkammer zeigte der Stadtspitze auf, dass der von der BI erstrittene städtebauliche Ideenwettbewerb der richtige Weg zu einem guten Ergebnis für den „Marktplatz der Zukunft“ in Bensheim ist.

Untere Denkmalbehörde sieht Lösung jetzt auch ohne Gebäude

Als schließlich in einer weiteren Sitzung gar noch die untere Denkmalbehörde einräumte, es könne durchaus eine Lösung ohne Gebäude am östlichen Marktplatz geben, formulierte der Magistrat den Vorschlag zum nunmehr dritten Parlamentsbeschluss seit dem 01.12.2020.

Dieser verweist kurz und knapp auf die „dargestellte Vorgehensweise zur Umsetzung des Beschlusses vom 01.12.2020 über die Durchführung eines städtebaulichen Ideenwettbewerbs am Marktplatz“ und deren „Weiterverfolgung“.

Ergänzt wurde er, wie erwähnt, um den Koalitionsvorschlag, dass dem unterstützenden Architekturbüro bis Ende Juni dieses Jahres ein entsprechender Auslobungstext vorliegen muss.

Abgelehnt wurden hingegen die von den Freien Wählern (FWG) und Bürger für Bensheim (BfB) beantragten Änderungswünsche.

FWG und BfB fordern begrenztes Stimmrecht in der Jury

Dr. Rolf Tiemann (FWG) begründete den Änderungsantrag. So wollten die beiden Fraktionen im Kreis der drei Sachpreisrichter*innen die untere Denkmalbehörde nicht vertreten wissen.

Stattdessen sollte hierfür eine sachkompetente und neutrale Persönlichkeit gesucht werden. „Die Begründungen für diese vorgeschlagene Änderung sind zum einen: Der unteren Denkmalbehörde wird nach dem Abschluss des Ideenwettbewerbes der zur Umsetzung ausgewählte Vorschlag zu Stellungnahme und Genehmigung vorgelegt.

Aus Gründen der Neutralität sollte die untere Denkmalbehörde daher nicht mit über die Auswahl des Umsetzungsvorschlages abstimmen.“

Zweifel an Unabhängigkeit und reiner Sachorientierung

Zum anderen habe die untere Denkmalbehörde im Laufe des bisherigen Verfahrens sich widersprechende Aussagen zu dem was genehmigungsfähig sei, gemacht und damit Zweifel an ihrer Unabhängigkeit und reinen Sachorientierung aufkommen lassen.

Die untere Denkmalbehörde solle stattdessen dem Kreis der Sachverständigen angehören. „Dem Kreis der Sachverständigen sollen unserer Meinung nach jedoch keine Vertreterin bzw. kein Vertreter des Empfehlungs-Teams Marktplatz und auch nicht der Geschäftsführer der MEGB angehören.“

Tiemann begründete diesen Änderungswunsch wie folgt: „Das E-Team hat bezüglich der in den Ideenwettbewerb inhaltlich einzubringenden Kriterien keinen weiteren Beitrag geleistet sondern sich ausschließlich mit Verfahrensfragen befasst (Werkstattverfahren anstatt Ideenwettbewerb).

BI >Bensheimer Marktplatz besser beleben< und Netzwerk als Garanten

Für die Einbringung und Berücksichtigung der inhaltlichen Kriterien aus dem Bürgerdialog sind diejenigen, die das Bürgernetzwerk und die Bürgerinitiative „Bensheimer Marktplatz besser beleben“ (BMBB) vertreten, die Garanten.“

Die Stadttochter Marketing- und Entwicklungsgesellschaft (MEGB) als Grundstückseigentümer werde ausreichend durch die Verwaltungsspitze vertreten, die bei allen Sitzungen anwesend sei. Zudem bestehe möglicherweise ein Interessenkonflikt zwischen berechtigten Interessen der MEGB und der Forderung nach Neutralität des Preisgerichtes.

Bürgerversammlung für Vorstellung der überarbeiteten Entwürfe

„Für die nachgelagerte partizipative Phase schlagen wir eine Bürgerversammlung für die Vorstellung der überarbeiteten Entwürfe vor. Zuvor soll den Bürgerinnen und Bürgern Gelegenheit gegeben werden, sich die überarbeiteten Entwürfe in einer Ausstellung auch in Form einer 3-D Animation anzuschauen und sich eine Meinung zu bilden.

Diese Ergänzung erhöht unseres Erachtens die Transparenz und schafft für die Bürgerinnen und Bürger die Möglichkeit, sich intensiv mit den Entwürfen auseinander zu setzen.“

„Es gibt Verantwortlichkeiten“

Franz Apfel, Fraktionschef der BfB, kritisierte die von der Stadtspitze zu verantwortende Verzögerung bei der Umsetzung des Parlamentsbeschlusses vom 01.12.2020. „Der städtebauliche Ideenwettbewerb hätte längst ausgeführt werden müssen. Es gibt Verantwortlichkeiten.“

Diese sieht Apfel bei Bürgermeisterin Christine Klein und der Ersten Stadträtin und Baudezernentin Nicole Rauber-Jung. „Eine Peinlichkeit reiht sich an die andere, wann hört das endlich auf?“, fragte der BfB-Sprecher und verband mit dem aktuellen Beschluss die Hoffnung auf Besserung.

Nachdrücklich forderte Franz Apfel die Stadtspitze auf, „ab jetzt mit der BI konstruktiv und vertrauensvoll zusammenzuarbeiten“, und lobte ausdrücklich die BI >Bensheimer Marktplatz besser beleben< „für deren Engagement, Kontinuität und Standhaftigkeit“.

„Lasse mir die Entscheidung nicht nehmen“

CDU-Sprecher Feriduhn Bahadori mochte sich für seine Fraktion den Änderungswünschen von FWG und BfB nicht anschließen, weil er darin „zu viel Vergangenheit“ wähnt. „Ich bin sehr ergebnisoffen“, sagte Bahadori. Deshalb wolle er die Vorschläge den Fachleuten überlassen und die Vergangenheit ruhen lassen.

Aus diesem Grund sehe er kein Hindernis, sowohl jeweils Vertreter der Unteren Denkmalbehörde als auch des E-Teams und der MEGB im Gremium der Sachpreisrichter aufzunehmen.

Eine Bürgerversammlung zur Präsentation der Ergebnisse aus dem städtebaulichen Ideenwettbewerb halte er für entbehrlich, weil er sich als Stadtverordneter „die Entscheidung nicht wegnehmen lasse“.

Umsetzungsproblem des Beschlusses

Ein Umsetzungsproblem des Beschlusses vom 01.12.2020 sieht GRÜNEN-Fraktionsvorsitzende Doris Sterzelmaier bei der Stadtverwaltung. „Ob der Bensheimer Weg für die Innenstadt gut oder schlecht ist, lässt sich meiner Meinung nach heute noch nicht sagen.“ Für die Neugestaltung des Marktplatzes sei der >Bensheimer Weg< wegen der bestehenden Beschlüsse ungeeignet.

Eine Vertreter/in der Unteren Denkmalbehörde sei in der Wettbewerbsjury kein Stimmrecht einzuräumen, erklärte Sterzelmaier die GRÜNEN mit FWG und BfB solidarisch.

„Wir sehen den Platz der Denkmalbehörde in beratender Funktion und daher in der Gruppe der Sachverständigen ohne Stimmrecht.

Eine Behörde hat nach Recht und Gesetz zu entscheiden und die Denkmalbehörde hat sich selbst für ein Gebäude am oberen Marktplatz ausgesprochen. Eine objektive Beurteilung der Architektenentwürfe sehen wir daher nicht.“ Weitere Ausschlüsse aus dem Kreis der stimmberechtigten Sachpreisrichter wollten die GRÜNEN nicht mittragen.

„Unbehagen bei der geplanten Besetzung des Preisgerichts“

Keine Gefahr bezüglich Eigeninteressen eines MEGB-Vertreters als Sachpreisrichter in der Jury sieht Thorsten Eschborn für die FDP, „denn wir sind die Gesellschafter“.

Rolf Kahnt richtete den Dank der Fraktion >Vernunft und Augenmaß< an die BI für deren Anstoß zum Ideenwettbewerb und stellte die rhetorische Frage: „wovor hat man denn Angst?“

Das Unbehagen bei der geplanten Besetzung des Preisgerichts könne er teilen, sagte Dr. Rolf Schepp (FDP). Hier sei völlige Transparenz geboten und müsse gewährleistet werden.