Bensheimer Jugend beim Christopher Street Day Darmstadt
BENSHEIM. - Am letzten Samstagvormittag ging es auf Bahnsteig 1 des Bensheimer Bahnhofs bunt zu: Viele junge Menschen, behangen mit Regenbogen- oder hellblau-rosa-weißen Trans*-Flaggen, hatten sich dort versammelt und freuten sich auf den Christopher Street Day (CSD) in Darmstadt.
Unter ihnen: die zehnköpfige Delegation der Queeren Jugend Bensheim, die als Fußgruppe bei der Demo-Parade des CSD mitgelaufen ist.
Unter dem diesjährigen Motto des Darmstädter CSD „Vielfalt verpflichtet“ demonstrierte die Queere Jugend Bensheim für mehr Solidarität und Sichtbarkeit für queeres Leben im ländlichen Raum.
Während in größeren Städten die queere Community schon gut vernetzt, sichtbar und organisiert ist, wird im ländlichen Raum oftmals noch hinter vorgehaltener Hand über das lesbische Paar in der Nachbarschaft oder über den Trans*Jungen aus der Parallelklasse gesprochen.
Insbesondere junge Menschen, die ihren Wohnort noch nicht selbst bestimmen können und in ihrer Mobilität von Erwachsenen abhängig sind, können oftmals nicht nach Darmstadt oder Mannheim fahren, um die dortigen Angebote zur queeren Vernetzung wahrzunehmen.
Diese Gegebenheiten führen dazu, dass sich queere Menschen nicht outen, keine anderen queeren Menschen kennenlernen können und oftmals unter Einsamkeit leiden.
Viele ziehen weg, sobald sie ihren Schulabschluss haben oder entscheiden sich dagegen, ihre Identität offen zu leben. Dadurch bleibt der Eindruck bestehen, im ländlichen Raum gebe es keine queeren Menschen, weshalb man sich hier nicht für ihre Rechte einsetzen müsse.
Dies will die Queere Jugend Bensheim, ein Jugendtreff der Jugendförderung Bensheim, unterstützt durch den Kreis Bergstraße und den hessischen Jugendring, nun ändern.
Paula Hille, die inhaltliche Leitung der Gruppe, sagt dazu: „Schätzungsweise zehn Prozent der Bevölkerung gehören der LSBTIQA*-Community an, das sind durchschnittlich zwei bis drei Jugendliche pro Schulklasse“.
Unter dem Begriff „Queer“ versammeln sich alle Zugehörigen der LSBTIQA* Community, also alle lesbischen, schwulen und bisexuelle, inter- und non-binäre, queere und asexuelle Menschen.
Paula Hille ergänzt: „In Bensheim gehen tausende Kinder und Jugendlichen zu Schule, also ist davon auszugehen, dass täglich hunderte junge queere Menschen nach Bensheim kommen oder sogar hier wohnen.
Genau für diese Jugendlichen wollen wir da sein; wir möchten ein Ort sein zum Freundschaften knüpfen, zum Du-Selbst-Sein, zum Lernen, zum Pause machen von einer heterosexuellen Gesellschaft. Wir möchten auch Ansprechpartner*in sein für Fachkräfte und Angehörige, um Fragen oder Sorgen zu klären.“
Die Queere Jugend Bensheim trifft sich immer am 2. und 4. Freitag im Monat und freut sich über neue Gesichter. Alle weiteren Informationen sowie Beratungsanfragen über Instagram (@queere.jugend_bensheim) oder an queerejugendbensheim(at)gmx.de.
Der CSD ist mittlerweile den meisten Menschen ein Begriff: Jedes Jahr erinnern Feste, Demonstrationen und Kundgebungen in verschiedenen Städten auf der ganzen Welt an die Stonewall Riots in der Christopher Street in New York City 1969.
Diese Aufstände, angeführt von mutigen Schwarzen Trans*Frauen und Drag Queens, waren eine Reaktion auf brutale Razzien in Bars und Clubs der queeren Community und der Anfang der „Schwulenbewegung“, die später für die Rechte aller queeren Menschen kämpft.
Auch heute noch hat der CSD politische Relevanz: als Zeichen der Solidarität mit Menschen auf der ganzen Welt, die noch immer für ihre Identität verfolgt oder getötet werden, als Warnung, dass einst erkämpfte Rechte auch wieder abgeschafft werden können, wie es gerade in Italien geschieht, als Forderung nach vollkommener rechtlicher Gleichstellung (beispielsweise im Abstammungsrecht) und nach effektiverem Schutz vor Diskriminierung.