LESERBRIEF: Bürgerbeteiligung sollte niemals diskreditiert werden
„Der Bensheimer Marktplatz dümpelt schon so lange vor sich hin, dass ein paar Monate mehr oder weniger zugunsten einer nachhaltigen Entscheidungsfindung durchaus zu rechtfertigen sind“Die Aussagen der Geschäftsleute in einer Tageszeitung gerade zu diesem Zeitpunkt sind einigermaßen irritierend. Ich bezweifle, dass Bürgerbeschimpfung ein geschäftsförderndes Modell sein kann. Dazu braucht es wohl eher Bedarfsorientierung am Kunden und vor allem kundenfreundlicher Umgangsformen.
Die BI hat sich ja deshalb zusammengefunden, weil gerade nicht alle der beim Bürgerdialog gemachten Vorschläge in den Vorgaben für die Ausschreibung ihren Niederschlag finden. So ist der gar nicht so seltene Wunsch einer Nichtbebauung völlig unter den Tisch gefallen. Auch dieser Vorschlag stünde ja einer „überdachten“ Gestaltung nicht im Wege.
BI nun wirklich nicht verantwortlich
Für den „Trümmerhaufen am oberen Marktplatz“ ist die BI nun wirklich nicht verantwortlich zu machen. Da sollte man sich lieber an diejenigen wenden, die – ohne Baugenehmigung für ein zukünftiges Gebäude – mit einem übereilten Abriss Fakten geschaffen haben, die heute allen Bürgern ein Ärgernis sind.
Noch weniger zeichnet die BI Verantwortung für „Online Handel, Wegzug des Ärztehauses, schlechtes Wetter und Coronavirus“. Außerdem entbehrt es nicht einer ziemlichen Dreistigkeit, Bürgerinitiativen mit Hinweis auf das heimische Bürgerhausdesaster diskreditieren zu wollen.
Erst die gezielte Irreführung der Öffentlichkeit, dass das Bürgerhaus im damaligen Zustand nicht mehr genutzt werden dürfe, hat eine Entscheidungsfindung in Gang gesetzt.
Kein Vertrauen in die städtischen Entscheidungsträger
Der darauf folgende Bürgerentscheid präferierte schließlich eine schnelle, kostengünstige Sanierung, die leider von verantwortlicher Seite durch einen kostentreibenden, monströsen „Neubau auf alten Grundmauern“ (Tageszeitung vom 16. Juli 2019) unterlaufen wurde.
Hätte sich der überwiegende Bürgerwille durchgesetzt, wäre zumindest dieses Desaster vermieden worden. Das war eine Erfahrung, die dem Vertrauen in die städtischen Entscheidungsträger bis heute nicht förderlich ist.
Systemgastronomie durch die Hintertür wieder einführen?
So ist die Befürchtung nicht von der Hand zu weisen, dass das alte Konzept eines von der Stadt finanzierten Gebäudes für eine Systemgastronomie durch die Hintertür wieder eingeführt werden könnte.
Was ist das anderes als Begünstigung für einen „Filialisten“, der ganz schnell wieder einen teuren Leerstand produzieren kann, wenn sich das Konzept für ihn nicht rechnet?
Nichts an diesen Vereinbarungen ist transparent
Und transparent ist an diesen Vereinbarungen gar nichts. Der Marktplatz dümpelt schon so lange vor sich hin, dass ein paar Monate mehr oder weniger zugunsten einer nachhaltigen Entscheidungsfindung durchaus zu rechtfertigen sind, denn ohne ein gesamtheitliches Konzept für die Innenstadtgestaltung werden wir dort eine ewige Baustelle haben.
Dem oberen Marktplatz für eine Übergangszeit ein angenehmeres Erscheinungsbild zu verpassen, dürfte mit etwas gutem Willen und wenig Aufwand kein Problem darstellen.
Bürgerbeteiligung und Einmischung sollten niemals diskreditiert werden. Sie sind notwendig, um in einer parlamentarischen Demokratie oligarchische Strukturen zu verhindern.
Doris Tiemann
64625 Bensheim