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Prof. Wink: Stillfüssel-Genehmigung verstößt gegen Naturschutzgesetz – Uhu als lebender Beweis

Im Windkraftgelände Stillfüssel bei Wald-Michelbach Anfang Juni gefunden: Ein Uhu-Kücken, das aus seinem Nest geflüchtet oder vertrieben worden war.

Inzwischen zu einem fast ausgewachsenen Tier gereift, ist der junge Uhu, der von Naturschutz-Experten aufgezogen wurde, und demnächst an seinem Geburtsort ausgewildert werden soll. Fotos: Andreas Krauch

„Offenbar wurde für die Planungen zum Windenergiepark Stillfüssel eine ornithologische und artenschutzrechtliche Erfassung nur oberflächlich durchgeführt“ + + + Verwaltungsgericht unter Zugzwang

ODENWALD. - Auch wenn der im Frühjahr diesen Jahres auf dem Wald-Michelbacher Höhenzug >Stillfüssel< durch einen vermeintlichen Experten mehr oder weniger mutwillig zerstörte Brutplatz bis dato durch die Staatsanwaltschaft Darmstadt noch nicht zur Untersuchung über die Erbauer des Horsts freigegeben wurde, führt der namhafte Ornithologe Michael Wink die der Genehmigung des Windparks Stillfüssel zugrunde liegenden Gutachten angeblicher Experten ad absurdum.

Prof. Dr. Michael Wink, Direktor des Instituts für Pharmazie und molekulare Biotechnologie, Abteilung Biologie der Universität Heidelberg, sichtete die vorhandenen Gutachten und Vogel-Beobachtungsdaten aus dem Eiterbachtal, Ulfenbachtal und vor allem im geplanten Windpark Stillfüssel.

Bei 58 nachweislichen Beobachtungen durch Naturschützer wurden alleine in diesem Jahr 64 mal Rotmilane beobachtet, 10 mal Wespenbussarde und 61 mal Schwarzstörche im und rund um das WKA-Baugebiet Stillfüssel gesichtet.

Prof. Dr. Wink: „Erfassung nur oberflächlich durchgeführt“

Außerdem könne sich Prof. Wink als Ornithologe, „der seit vielen Jahren Exkursionen ins Eiterbachtal unternommen hat, somit selbst von der Situation ein Bild machen“. Auch hat er aktuell eigene Beobachtungen angestellt, dabei einen Futter suchenden Schwarzstorch am Eiterbach bei der Brücke nahe dem Wasserwerk beobachtet, „der dann Richtung Stillfüssel flog, wo er vermutlich brütete“.

Wink stellt demzufolge eindeutig fest: „Offenbar wurde für die Planungen zum Windenergiepark Stillfüssel eine ornithologische und artenschutzrechtliche Erfassung nur oberflächlich durchgeführt.

Denn die Untersuchungen aus den Jahren 2016 und 2017 belegen das Vorkommen von vielen Vogelarten, die bei WEA-Planungen berücksichtigt werden müssen (wie Schwarzstorch, Wespenbussard, Rotmilan, Uhu u.a.). Diese Arten waren vermutlich auch vor 2016 anwesend!“

Verstoß gegen das aktuelle Bundesnaturschutzgesetz

Eine Errichtung von WEA-Anlagen an Stellen, die in einem 1- bis 3 km-Radius um die Brutstätten der betroffenen Arten liegen, sei ein Verstoß gegen das aktuelle Bundesnaturschutzgesetz (§44 BnatSchG).

Auch sei die Raumnutzung der vorkommenden „windkraftrelevanten“ Arten – meist Vogelarten des Anhangs I der Vogelschutzrichtlinie entscheidend, wie Michael Hahl, von der Umweltvereinigung >Initiative Hoher Odenwald (IHO) - Verein für Landschaftsschutz und Erhalt der Artenvielfalt e.V.< ergänzend anmerkt.

Uhu als lebender Beweis des Experten-Gutachtens

Den lebenden Beweis für Wink's aktuelles Gutachten fanden Mitglieder der Bürgerinitiativen (BI) Siedelsbrunn und Ulfenbachtal Anfang Juni nach der Zerstörung des erwähnten Brutplatzes im Frühjahr diesen Jahres mit einem jungen Uhu, der offenbar aus einem Brutplatz geflohen oder vertrieben worden war, im rechtlich umstrittenen Windparkgebiet Stillüssel.

Dem im Februar zerstörten Bruthorst, der höchstwahrscheinlich von einem Uhu stammte, folgte im Juni also der Fund eines jungen Uhus. Der Nachweis für einen Uhu-Nachwuchs im Windparkgebiet des Stillfüssel im Jahr 2017 ist somit eindeutig erbracht. Der junge Nestflüchtling wurde durch Fachleute aufgepäppelt, ist inzwischen nahezu ausgewachsen und soll demnächst an seiner Geburtsstätte wieder ausgewildert werden.

„Massiver Konflikt zwischen geplanten WEA und dem Artenschutz“

Die Empfehlungen des ausgewiesenen Experten Prof. Dr. Wink sind denn auch eindeutig: Wie den durch Naturschützer vorgenommenen Kartierungen leicht zu entnehmen sei, „gibt es einen massiven Konflikt zwischen der Errichtung der geplanten WEA und dem Artenschutz.

Denn die Waldgebiete rund um das Eiterbach-, Ulfenbach- und Dürr-Ellenbachtal sind Brutgebiete von geschützten Vogelarten wie Schwarzstorch, Wespenbussard, Rotmilan, Habicht, Mäusebussard, Uhu, Sperlingskauz, Raufußkauz und Waldlaubsänger.

Ihre Brutvorkommen oder Jagdreviere liegen vielfach in einem 1 km-Radius um die geplanten WEA (90% der Schwarzstorch-Meldungen liegen innerhalb der 3 km-Schutzzone).“

„Arbeiten müssten sofort gestoppt werden!“

Sollten die WEA errichtet werden, werde es zu einer erheblichen Beeinträchtigung dieser geschützten Arten durch Kollision oder Störung der Brut und damit funktionale Schädigung von Brut- und Lebensstätten kommen, sagte der Heidelberger Professor. „Aus artenschutzrechtlicher Perspektive müssten die angelaufenen Arbeiten sofort gestoppt werden, denn sie stellen einen Verstoß gegen §44 BNatSchG dar!“

Schwarzstorch, die Greifvögel und Uhu seien bekanntermaßen kollisionsgefährdet und durch die Störung des Brutbetriebs bedroht,, daher müssten Mindestabstände der WEA zu den Vorkommen dieser Arten eingehalten werden. „Schwarzstorch, Sperlings- und Raufußkauz benötigen ungestörte Lebensräume.“

Fundamentierung führt zu unumkehrbaren Eingriffen

Die mit dem Bau von WEA einhergehenden Maßnahmen, auch jene zur Anlage der Zufahrtswege, führten zu massiven Störungen in der Brutsaison geschützter Arten. Auch führe die weitere Fundamentierung zu unumkehrbaren Eingriffen in Boden und Grundwasserleiter mit entsprechenden Folgen.

Die bereits erfolgte Rodung habe 2017 schon zu einer erheblichen Störung und Unruhe geführt. „Da das Planungsgebiet in unmittelbarer Nähe zum Naturschutzgebiet NSG Eiterbachtal liegt, kommt es dort zu einer gravierenden Verschlechterung, die vom Bundesnaturschutzgesetz verboten ist.“

Auch Verstöße gegen das gewichtige EU-Artenschutzrecht

Auch gegen das noch deutlich gewichtigere EU-Artenschutzrecht werde hier in gravierenden Punkten verstoßen sowie die in unmittelbarer Nachbarschaft zum geplanten Windpark befindlichen FFH-Gebiete und die Vogelarten gemäß der Vogelschutzrichtlinie der EU massiv beeinträchtigt.

Die Forderungen des Heidelberger Professors gehen sogar noch deutlich weiter: „Die intensiven Untersuchungen der letzten Jahre haben die Bedeutung von Eiterbach- und Ulfenbachtal und die angrenzenden Waldgebiete erst richtig transparent gemacht.

Naturschutzgebiet Eiterbachtal sollte um den Stillfüssel erweitert werden

Aus Sicht des Naturschutzes sollte nicht nur auf Einrichtung des Windenergieparks Stillfüssel verzichtet, sondern stattdessen das Naturschutzgebiet Eiterbachtal um die Waldgebiete rund um den Stillfüssel erweitert werden. Denn das Gebiet ist überregional als Brutplatz für diverse geschützte und seltene Vogelarten von besonderem Interesse.“

Zusammenfassend ist festzuhalten, dass es sich durch die nebeneinander liegenden Fließgewässer Eiterbach, Steinach und Ulfenbach um Top Nahrungshabitate handelt. "Diese FFH (Flora Fauna Habitat) Gebiete werden von Tieren angeflogen und dabei über die angrenzenden Höhenrücken wie dem Stillfüssel überflogen.

Aus diesem Grund müssen diese Bergrücken barrierefrei bleiben. Eine Windkraftanlage stellt auf diesen Höhenrücken eine Gefahr für alle Überfliegenden Vogelarten dar", konstatiert Vera Krug für die Bürgerinitiativen Siedelsbrunn und Ulfenbachtal.

Unverständliche Hängepartie vor dem Verwaltungsgericht Darmstadt

Vor diesem Hintergrund sei die aktuelle Hängepartie vor dem Verwaltungsgericht Darmstadt umso unverständlicher. Dort haben Naturschützer der IHO am 08. Juli diesen Jahres einen Eilantrag gegen die aufgrund der Genehmigungsverstöße gegen das Bundesnaturschutzgesetz und das EU-Artenschutzrecht widerrechtlich erteilte Bauerlaubnis für fünf Windräder auf dem Stillfüssel eingereicht.

Der Eilantrag zielt zweigeteilt auf einen Hängebeschluss (Baustopp) und gegen die hier vorgenommene fehlerhafte Umweltverträglichkeitsvorprüfung.

„Baugenehmigung entspricht in wesentlichen Punkten rechtlichen Zulassungskriterien nicht“

Angesichts des inzwischen weit fortgeschrittenen Bauvorhabens und des jüngsten ornithologischen Gutachtens des Heidelberger Experten sei es umso dringlicher, dass sich das Darmstädter Verwaltungsgericht nunmehr zeitnah zum Klagebegehren des IHO-Vereins positioniere, um nicht Gefahr zu laufen, durch geschaffene Fakten erneut ausgehebelt zu werden.

Alle vorliegenden Fakten stützen die Thesen der IHO-Naturschützer und der Bürgerinitiativen Siedelsbrunn und Ulfenbachtal: „Die in einer Nacht- und Nebelaktion am 30. Dezember 2016 vom Regierungspräsidium Darmstadt zur Errichtung des Windparks Stillfüssel erteilte Baugenehmigung für fünf Windkraftanlagen entspricht in wesentlichen Punkten nicht den rechtlichen Zulassungskriterien“, sind die Mitglieder unisono überzeugt.