KOMMENTAR: >Bensheimer Weg< beim Marktplatz ein Irrweg
„Wenn du nicht mehr weiter weißt, bilde einen Arbeitskreis!“ Dieses geflügelte Wort ohne Reim, dafür jedoch etwas moderner, könnte auch lauten: eine Task Force, ein Evaluationsteam oder wie in Bensheim: ein Empfehlungsteam.
Damit soll dem „Empfehlungsteam Marktplatz“, wie es korrekt bezeichnet wird, keineswegs die Berechtigung aberkannt oder dessen Mitgliedern die Kompetenz abgesprochen werden. Vielmehr ist deren Engagement ausdrücklich zu loben.
Wenn die Team-Beteiligte Doris Gölz erklärt: „Wir haben uns mit viel Herzblut um unseren Marktplatz gekümmert“, dann verdient das allerhöchsten Respekt vor dem ehrenamtlichen Handeln.
Allerdings hat sich das dem Empfehlungsteam vorgeschaltete Steuerungsteam mit Bürgermeisterin, Erster Stadträtin und dem Geschäftsführer der Marketing- und Entwicklungsgesellschaft Bensheim (MEGB), bisher offenbar vornehm zurückgehalten und keineswegs mit Ruhm bekleckert.
Insbesondere beim vorgeschlagenen Verfahrenswechsel von städtebaulichem Ideenwettbewerb zu einem Werkstattverfahren blieb augenscheinlich das Empfehlungsteam alleine im Regen zurück. Dabei umfasst der Aufgabenbereich des Steuerungsteams insbesondere „die Vorbereitung finaler politischer Entscheidungen sowie die Bereitstellung von Ressourcen“.
Dem selbst definierten Anspruch der Stadtspitze zufolge „findet ein intensiver Austausch zwischen Team Innenstadt, Projektleitung und dem Steuerungs-Team regelmäßig statt“. Rund sieben Monate nach „Einstieg“ in den viel gepriesenen >Bensheimer Weg< erweist sich dieser Anspruch jedoch als Rohrkrepierer.
Auch bleibt die Frage jenseits des „Empfehlungsteams Marktplatz“ völlig offen, ob ein solches Gremium bei der klaren Faktenlage zum Bensheimer Marktplatz überhaupt von der Stadtspitze hätte eingesetzt werden müssen - besser: eingesetzt werden dürfen.
Schließlich gab es im Jahr 2019 bereits einen Bürgerdialogprozess mit zahlreicher Beteiligung Bensheimer Bürgerinnen und Bürger, für dessen Moderation der Magistrat unter Führung des damaligen Bürgermeisters Rolf Richter dem Bürgernetzwerk über dessen Trägerverein Transforum e.V. aus städtischen Steuergeldern 20.000 Euro bezahlt hat.
Das Ergebnis dieses Bürgerdialogs mit den finalen Optionen 0-, 1- und 2-geschossige Bebauung der Ostseite des Marktplatzes war Grundlage des Bürgerbegehrens das die BI >Bensheimer Marktplatz besser beleben< vor dem Verwaltungsgericht erstritten hat.
Mit dem Beschluss der Bensheimer Stadtverordneten vom 01. Dezember 2020, einen städtebaulichen Ideenwettbewerb für die Ostseite des Marktplatzes unter Einbeziehung des gesamten Marktplatzareals gemäß der im Bürgerbegehren geforderten Maßnahmen auszuloben, war der Auftrag klar formuliert.
Es bleibt das Geheimnis des städtischen Bauteams, mit Erster Stadträtin und Baudezernentin Nicole Rauber-Jung an der Spitze, weshalb der Beschluss bis dato nicht gemäß § 66, Abs. 1, Satz 2, der Hessischen Gemeindeordnung, HGO, („Der Gemeindevorstand hat die Beschlüsse der Gemeindevertretung vorzubereiten und auszuführen“) umgesetzt, und stattdessen mit der Implementierung eines Empfehlungsteams samt weiterer übergeordneter Gremien das Rad noch einmal auf Null gedreht wurde.
Diese Frage stellt sich umso mehr, als Rauber-Jung noch Mitte vergangenen Jahres der BI die Corona-bedingte Fristverlängerung zur Vorlage der für das Bürgerbegehren nötigen Unterschriften versagte, und sich die BI ihr Recht vor dem Verwaltungsgericht erstreiten musste.
Rauber-Jung argumentierte damals, es werde keine Fristverlängerung zur Unterschriftensammlung für die BI geben, vielmehr werde die Ausschreibung des städtebaulichen Wettbewerbs für ein Gebäude mit gastronomischer Nutzung zügig vorangetrieben, denn schließlich habe man gemäß Parlamentsbeschluss „einen klaren Auftrag, den es zu erfüllen gilt“.
Der Ausgang dieser Situation ist bekannt. Der Ersten Stadträtin aber offenbar nicht bekannt scheint die Beschlusslage seit 1. Dezember 2020. Damit ist sie verpflichtet einen städtebaulichen Ideenwettbewerb auszuloben, der die Optionen 0-, 1- und 2-geschossige Bebauung an der Ostseite unter Einbeziehung des gesamten Marktplatzareals umfasst. Und dieser Beschluss hat eine dreijährige Bindungswirkung.
Jede weitere Zeitverzögerung bei der Ausführung dieses Beschlusses muss als stures Festhalten an eigenen Vorstellungen der städtischen Protagonisten - entgegen der aktuell nach Darstellung des Hessischen Innenministeriums wie auch hochrangiger Verwaltungsrichter gegebenen unumstößlichen Faktenlage gesehen werden.
Das vom Empfehlungsteam vorgeschlagene Werkstattverfahren ist zweifellos ein geeignetes Instrument, das auch in Bensheim künftig zu Lösungen führen kann. Im vorliegenden Fall aber ist es angesichts einer rasch erforderlichen Lösung für den >Marktplatz der Zukunft< nicht realisierbar.
Und der viel gepriesene >Bensheimer Weg< könnte bei weiterem Festhalten an alten Rathaus-Strukturen schnurgerade als Irrweg abqualifiziert werden, denn schon Arthur Schopenhauer befand: „Der eigentümliche Fehler der Deutschen ist, dass sie, was vor ihren Füßen liegt, in den Wolken suchen.“