KOMMENTAR: Die politische Mär vom ergebnisoffenen Bürgerbeteiligungs-Prozess
Das >Haus am Markt< liegt seit Sommer 2019 in Trümmern, wie der noch immer nicht entfernte, große und unansehnliche Schutthaufen an der Süd-Ost-Seite des Bensheimer Marktplatzes nachhaltig dokumentiert.
Seit der - auf welcher Motivationsbasis auch immer gefällten - „Reißleinen-Entscheidung“ von Bensheims Bürgermeister liegt der nach wie vor bestehende Neubaubeschluss des Bensheimer Stadtparlaments für ein entsprechendes Ersatzgebäude ebenfalls in Trümmern.
Auch die Regierungskoalition aus CDU, Grüner Liste Bensheim (GLB) und Bürger für Bensheim (BfB) samt der hauptamtlichen Magistratsmitglieder um Bürgermeister Rolf Richter offenbart sich in dieser Frage keineswegs gefestigter.
„Keine Schlachten der Vergangenheit schlagen“, wollte Dr. Hans-Peter Meister, einer der beiden Frontleute des Bürgernetzwerks Bensheim, das sich als „politisch neutral“ und nur beratend für die städtischen Gremien einbringen will, zum Start des politisch verordneten „ergebnisoffenen Bürgerdialogs“.
Genau dorthin, in die „Schlachten der Vergangenheit“ nämlich, droht jedoch das Unternehmen „Ergebnisoffener Bürgerdialog“ angesichts zahlreicher uneinsichtiger Mandatsträger, vornehmlich aus den Koalitionsfraktionen CDU und Bürger für Bensheim (BfB) jetzt allerdings zurück zu verfallen.
„Unser Bürgernetzwerk bietet allen Bürgerinnen und Bürgern die Gelegenheit, mitzureden, die eigene Stimme einzubringen und mit anderen nach der besten Lösung zu suchen – und dafür zu sorgen, dass Politik und Wirtschaft auch entsprechend handeln“, lädt Transforum e.V. auf seiner Internet-Plattform ein, jenseits von politischen und wirtschaftlichen Entscheidern teilzuhaben an der Gestaltung einer modernen, zukunftsorientierten Stadt.
Der jetzt quasi abgeschlossene Bürgerdialog zum >Haus am Markt< sollte insbesondere den Bürgerwillen dokumentieren, nachdem Bürgermeister Rolf Richter und die Stadtverordneten-Mehrheit aus CDU, GLB und BfB den „Karren an die Wand gefahren“ hatten.
Zur Orientierungshilfe für das weitere Vorgehen gaben die gewählten Mandatsträger unserer parlamentarischen Demokratie das ihnen übertragene Votum vor weiteren, möglicherweise ebenfalls fatalen und kostspieligen Entscheidungen an die Bürger Bensheims zurück.
Dass sie diese, selbst gewählte Orientierungshilfe jetzt konterkarierten, indem vorwiegend Mandatsträger aus CDU und BfB, städtische Bedienstete und Angestellte der stadteigenen Marketing- und Entwicklungsgesellschaft (MEGB), als ausschließlich an einem möglichst großen Ersatzbau für das >Haus am Markt< Interessierte, den „ergebnisoffenen Bürgerdialog“ massiv beeinflussten und – wie es ein Teilnehmer ausdrückte – „unterwanderten“, zeugt von wenig politischem Fingerspitzengefühl.
„In bewegten Zeiten, wie den jetzigen, reicht es nicht, weiter zu machen wie bisher. Neue Herausforderungen brauchen neue Antworten!“, lautet das Motto des eingetragenen Vereins Transforum, dem Träger des Bürgernetzwerks.
Bensheimer Bürgerinnen und Bürger warten auf Lieferung. Dies nicht zuletzt deshalb, weil vorab schon mit 45.000 Euro Steuergeldern aus der Stadtkasse bezahlt. Da kann es nicht angehen, dass diejenigen städtischen Vertreter, die das Chaos verursachten, jetzt erneut ihren Willen auf Biegen und Brechen und gegen jedwede Vernunft via "unterwandertem" Bürgerdialog durchzusetzen gedenken.
Wenn BfB-Fraktionschef Franz Apfel vor der Abstimmung im Bürgerforum darauf pochte, er sei schließlich auch Bensheimer Bürger und lasse sich sein Stimmrecht nicht verbieten, dann trifft dies zweifellos zu.
Ebenso treffend ist allerdings das in den Raum gestellte Gegenargument, wenn er und seine politischen Mitstreiter ihr ureigenes Wahlversprechen („Mit uns wird es keinen Abriss des Hauses am Markt geben“) gehalten hätten, dann wäre jetzt ein solcher Bürgerdialog obsolet gewesen.
Kritiker stellen in diesem Zusammenhang auch die Frage, weshalb die stadteigene GmbH-Tochter Marketing- und Entwicklungsgesellschaft Bensheim (MEGB) sich ihrer selbst gestellten Aufgabe entzieht, und für deren ureigene Aufgaben immerhin 25.000 Euro an den externen Dienstleister Bürgernetzwerk via Transforum e.V. gezahlt wurden.
Vor diesem Hintergrund sollte der GmbH der Firmenname entzogen, oder – besser noch – die Stadttochter gleich komplett aufgelöst werden.
Wie gesagt, das >Haus am Markt< liegt in Trümmern, und mit ihm der politische Anstand und der Respekt vor dem Bürgerwillen in Bensheim.
Das trifft für die Regierungskoalition aus CDU, GLB und BfB ebenso zu, wie auf den hauptamtlichen Magistrat mit Bürgermeister Rolf Richter, dem seitherigen Ersten Stadtrat Helmut Sachwitz und Finanzdezernent Adil Oyan.
Der Fragestellung eines FACT-Lesers ist fast nichts hinzuzufügen: „Ein Bürgermeister, der erst handelt, mindestens 4 Millionen (Gebäudewert, Abbruch- und Planungskosten) versenkt und dann erst denkt, ist der in Bensheim noch tragbar?
Wer dann noch den Bürgerwillen als späte Einsicht vorschiebt, in Wirklichkeit jedoch keine Baugenehmigung und - infolge starker Gewerbesteuereinbrüche - kein Geld mehr hat, kann man dem noch vertrauen? Ich empfinde keine Schadenfreude – nur Entsetzen.“
Andere nennen das auch „Chaos im Bensheimer Rathaus!“