NEWS

Weihnachtsmarkt Bensheim: Holzgeschnitze Pferde drehen ihre Runden

Das historische Pferdekarussell der Riedrodener Schaustellerfamilie Schneider dreht in diesem Jahr erstmals seit Jahrzehnten wieder seine Runden beim Bensheimer Weihnachtsmarkt vor dem Hospitalbrunnen.

Markus Schneider zeigt, wie das große Karussell angetrieben wird: An einem Seil werden Elektroden langsam in den mit Salzwasser gefüllten Bottisch eingelassen, und schon beginnt sich das tonnenschwere Karussell zu drehen.

Mit dem kleineren Kinderkarussell betreiben die Schneiders noch ein weiterers Fahrgeschäft auf dem Bensheimer Weihnachtsmarkt, wie sie ebenfalls mit diversen Veraufsständen hier vertreten sind. Fotos: er

Historisches Pferdekarussell der Riedrodener Schaustellerfamilie Schneider erstmals seit Jahrzehnten in der Bensheimer Innenstadt aufgebaut

BENSHEIM. - Markus Schneider steht im Innern des über 100 Jahre alten Pferdekarussells und lässt die Elektroden an einem kleinen Seil ganz langsam in den mit rund zwanzig Litern Salzwasser gefüllten Kuntstoff-Bottisch.

Ebenso langsam beginnt sich das große, tonnenschwere historische Karussell um ihn herum zu drehen. Mindestens fünfzehn Runden lang bewegen sich jetzt wunderschöne, handgeschnitzte Holzpferde, eine Kutsche, kleine Autos und zwei Traktoren um den knapp sieben Meter hohen Mittelmast.

Nostalgie pur also, vom Antrieb bis hin zu den holzgeschnitzten fahr- bzw. reitbaren bunten Figuren auf dem Karussell. Lediglich die zum Karussell gehörende große Drehorgel ist etwas verstimmt, wie Markus Schneider sagt, und muss erst zum Orgelbauer, ehe sie wieder eingesetzt werden kann.

Das 1901 im thüringischen Weimar hergestellte und seither im Besitz der Riedrodener Schaustellerfamilie Schneider befindliche Fahrgeschäft wurde in den vergangenen Jahren nur noch selten aufgebaut, drehte eigentlich nur noch regelmäßig beim Lorscher Weihnachtsmarkt am ersten Adventswochenende seine Runden, wo es reichlich Bewunderung erhielt.

Beim Bensheimer Weihnachtsmarkt drehte sich derweil seit Jahren ein Riesenrad vor dem Hospitalbrunnen. Für weitere Großfahrgeschäfte war in der Hauptstraße oder auf dem Marktplatz kein Platz.

Das sollte sich in diesem Jahr ändern, nachdem der Riesenradbetreiber einem Platzangebot aus Berlin den Vorzug vor dem Bensheimer Weihnachtsmarkt gab. Doch da gibt’s ja noch die mit Bensheim eng verbundene Schaustellerfamilie Schneider aus Riedrode.

Markus Schneider und seine Familie sind in siebter Generation als Schausteller auf Reisen und beschicken mit mehreren Geschäften seit mehr als 90 Jahren sowohl das >Bergsträßer Winzerfest< in Bensheim als auch den Weihnachtsmarkt in der größten Bergsträßer Kommune.

Schnell war man sich mit Markus Schneider einig, das historische Pferdekarussell vor dem Hospitalbrunnen, wo seither das Riesenrad stand, aufzubauen und somit noch etwas mehr Nostalgie beim Bensheimer Weihnachtsmarkt einkehren zu lassen.

Klären musste Markus Schneider zuvor allerdings noch seine seit Jahren bestehende Verpflichtung, das Karussell jeweils zum ersten Adventswochenende beim Lorscher Weihnachtsmarkt aufzubauen.

Doch weil die Schaustellerfamilie seit vielen Jahrzehnten zu nahezu allen Kommunen in der Region beste Beziehungen pflegt, war auch dieses Hindernis schnell aus dem Weg geräumt, und in Lorsch wurde im besten Einvernehmen mit den Veranstaltern ein fast ebenso nostalgisches Karussell, bestückt mit alten Holzautos aufgebaut.

So war der Weg frei für das mit 12 Metern Durchmesser relativ große historische Karussell nach Bensheim. Hier konnten die Schneiders rechtzeitig zu Beginn des Weihnachtsmarktes neben ihrem hier seit Jahren vertretenen Kinderkarussell in der Hauptstraße auch das historische Pferdekarussell erstmals seit vielen Jahren „in Bensheim, meinem Wohnzimmer“, wie Markus Schneider sagt, aufbauen.

Wer die Geschichte der Schneiders kennt, kann die Verbindung des Schaustellers zu Bensheim nachvollziehen, kommt die Familie doch schon seit mehr als 90 Jahren in nunmehr der 7. Generation mit ihren Geschäften in die größte Stadt des Landkreises Bergstraße.

Die Familientradition der Schneiders als Schausteller reicht gar mehr als 100 Jahre zurück. So existiert beispielsweise noch ein Foto aus der Zeit um 1920, als die Schiffschaukel noch auf einem offenen Wagen transportiert wurde.

Gezogen wurde dieser, wie auch der Packwagen für das historische Pferdekarussell und der Wohnwagen von einem Lanz-Bulldog, der vorgeglüht und dann angeleiert werden musste.

In der heutigen Zeit fast nicht mehr vorstellbar, sagt der agile Schausteller Markus Schneider, der zusammen mit seiner Frau Silke, den Kindern Markus jun. und Marissa, Schwiegertochter Julia und Schwiegersohn Patrick, mehrere Fahr- und Verkaufsgeschäfte betreibt.

Zwei der Fahrgeschäfte und diverse Verkaufsgeschäfte sind beim aktuellen Weihnachtsmarkt in Bensheim im Einsatz. Hierher kommen die Schneiders jährlich mindestens zweimal, denn neben dem Weihnachtsmarkt beschicken sie auch das Bergsträßer Winzerfest in der Bensheimer Innenstadt.

Heute lassen sich die Transporte für die Fahrgeschäfte freilich deutlich leichter bewältigen als zu Beginn des vergangenen Jahrhunderts. So sind beispielsweise das große Kinderkarussell und auch die Schiffschaukel auf sogenannten Mittelbauwagen untergebracht, die sich in wenigen Stunden aufbauen lassen.

Lediglich das große Rundfahrgeschäft, und – wie beschrieben, auch das historische Pferdekarussell – das nur noch selten seine Runden dreht, jetzt aber beim Bensheimer Weihnachtsmarkt zu bewundern ist – brauchen eine längere Aufbauzeit.

„Das Pferdekarussell ist unser Tafelsilber“, sagt Markus Schneider, der sich als „Schausteller aus Leidenschaft“ bezeichnet und auch die Historie pflegt.

Bei ihm muss alles funktionieren: „Selbst das kleinste Birnchen, das seinen Dienst quittiert, muss schnellstens ausgetauscht werden, damit alles seine Ordnung hat“, achtet der Chef auf Perfektion, die seiner gesamten Familie eigen ist.

Und mit der knapp zwei Jahre alten Enkeltochter Tiana steht schon die nächste Generation der Schneiders aus Riedrode in den Startlöchern, auch wenn sicher noch einige Jahre vergehen, bis die dann 8. Generation ins Schaustellergeschäft einsteigen wird.