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„Der Odenwald ist kein Hinterhof für Windkraftparks“

Der Landrat des Odenwaldkreises Frank Matiaske ist empört über Regierungspräsidentin Brigitte Lindscheid und übt scharfe Kritik: Ungleichbehandlung bei Windkraft-Planung skandalös

ODENWALDKREIS / DARMSTADT. - Der Landrat des Odenwaldkreises, Frank Matiaske, hat Regierungspräsidentin Brigitte Lindscheid für aktuelle Äußerungen zur Windkraft im Odenwald scharf kritisiert.

„Frau Lindscheid hat sich offen dafür ausgesprochen, dass der Odenwald mit Windkraftanlagen über Gebühr belastet wird. Diese Ungleichbehandlung ist ein Skandal und ich erwarte, dass diese Aussage korrigiert wird. Das Regierungspräsidium sieht den Odenwald offenbar als Hinterhof, der weniger wichtig ist als andere Regionen in Südhessen.“

Hintergrund ist der Streit über die Windkraftvorrangflächen in dem vom Regierungspräsidium vorgelegten Entwurf des Teilplans Erneuerbare Energien 2018. Lindscheid hatte am Freitag, 30. November, in einem Interview mit der Frankfurter Allgemeinen Zeitung (FAZ) gesagt: „Die Konzentration von Anlagen in besonders für Windkraft geeigneten und weniger dichtbesiedelten Gebieten wie dem Mittelgebirge Odenwald muss verständlicherweise über dem hessenweit verbindlichen Zwei-Prozent-Ziel liegen.“

„Hier wird ganz offen mit zweierlei Maß gemessen“, moniert Matiaske. „Ich bin nicht grundsätzlich gegen Windkraft und der Odenwaldkreis leistet bereits seinen Beitrag zur Energiewende, aber es kann nicht sein, dass das Kreisgebiet als hessischer Windkraft-Park herhalten muss, die Natur besonders leidet und das Landschaftsbild verunstaltet wird.“

Die aktuellen Planungen sähen für den Odenwaldkreis sage und schreibe 18 Standorte für Windkraftanlagen mit einer Gesamtfläche von rund 2.300 Hektar vor. „Wenn man zugrunde legt, dass für ein einzelnes Windrad eine Fläche von zehn Hektar verbraucht wird, könnten im Kreis theoretisch rund 230 Windräder errichtet werden. Andere Schätzungen gehen sogar von über 400 Anlagen aus.“

Hinzu kämen noch jene, die in direkter Nachbarschaft auf den Gebieten anderer Kreise stünden. „Im 200 Hektar großen Hambacher Forst wurde gegen die Nutzung des Waldes zur Energiegewinnung erfolgreich protestiert, im Odenwaldkreis ist dafür im Entwurf des Teilplans Erneuerbare Energien mit den 2.300 Hektar mehr als das Zehnfache vorgesehen.

Das heißt: Für die Errichtung der Fundamente von Windkraftanlagen, die allesamt mitten im Wald stehen, und die Zuwegung zu diesen Flächen müsste ein riesiger Baumbestand abgeholzt werden.“

Matiaske sieht in den Äußerungen Lindscheids weitere Beispiele für eine Ungleichbehandlung des Odenwalds. So seien Windkraftanlagen auf dem Taunuskamm der Regierungspräsidenten zufolge nicht genehmigt worden, weil in der Bauphase eine Verunreinigung des Grundwassers im Wasserschutzgebiet nicht sicher genug habe ausgeschlossen werden können.

„Dieses Argument gab es auch bei uns, spielte aber keine Rolle“, sagt Matiaske und verweist auf das Vorgehen der Gemeinde Mossautal gegen eine Windkraftanlage auf einem direkt angrenzenden Areal, das zum Kreis Bergstraße gehört.

„Wenn Frau Lindscheid außerdem sagt, dass 98,3 Prozent der Fläche Südhessens für neue Windkraftanlagen gesperrt würden und den Odenwald zugleich als besonders geeignet hervorhebt, ist klar, wer vor allem die Lasten der Energiewende zu tragen hat.“

Eine Ungerechtigkeit sieht Matiaske überdies in der Beurteilung kommunaler Planungen durch Lindscheid. „Einerseits sagt sie, der Entwurf des Teilplans sei selbstverständlich in enger Abstimmung mit dem Regionalverband Frankfurt/Rhein-Main erstellt worden, andererseits hat sie keinerlei Anstrengungen unternommen, den von allen Städten und Gemeinden des Odenwaldkreises vorgelegten Windkraft-Flächennutzungsplan zur Grundlage von Entscheidungen zu machen.“

Jener Plan werde von allen Kommunalparlamenten und vom Odenwaldkreis mitgetragen und zeige den guten Willen, zur Energiewende beizutragen.

Das Regierungspräsidium hatte den Flächennutzungsplan, der acht Vorranggebiete auf 1,6 Prozent der Kreisfläche vorsieht, im Dezember 2015 abgelehnt. Dagegen sind die Kommunen zusammen mit dem Odenwaldkreis juristisch vorgegangen; ein Urteil des Hessischen Verwaltungsgerichtshof steht noch aus.

Für Matiaske liegt nahe, dass das Regierungspräsidium den Flächennutzungsplan aus politischen Gründen gekippt hat, weil die juristischen Argumente nicht ausreichten. „Dafür spricht eine uns vorliegende E-Mail aus dem Regierungspräsidium.“

Schon das zeige, dass das Thema Windkraft in Südhessen, einschließlich der Aufstellung des Teilplans Erneuerbare Energien 2018, nicht sachlich behandelt, sondern ideologisch vorangetrieben werde. „Das bestätigt Frau Lindscheid in dem FAZ-Interview aufs Neue.“

Über den Teilplan befindet die Regionalversammlung Südhessen als politisches Entscheidungsgremium. Eigentlich sollte die Abstimmung am 14. Dezember erfolgen, sie wurde aber verschoben.

Der Odenwaldkreis hat fünf Vertreter in diesem Gremium. Matiaske appellierte an alle Fraktionen, sich mit dem Odenwaldkreis solidarisch zu zeigen und den Teilplan in der vorliegenden Form abzulehnen.