KOMMENTAR: Irrlichterndes, ratloses Bensheimer Rathaus
Das Marktplatz-Chaos in Bensheim verfestigt sich. Der mit 4/5-Mehrheit gefasste Beschluss der Bensheimer Stadtverordneten vom 1. Dezember 2020 war klar umrissen und beauftragte die städtische Verwaltung mit der Umsetzung eines städtebaulichen Ideenwettbewerbs für die Ostseite des Marktplatzes unter Einbeziehung des gesamten Marktplatzareals.
Mit einer vermeintlich genialen Idee zauberte die Stadtspitze im Frühjahr dieses Jahres den >Bensheimer Weg< als Problemlöser aus dem Hut, der dem offenbar ratlosen städtischen Bauteam mittels eines >Empfehlungsteams Marktplatz< Lösungen aufzeigen sollte, obwohl solche bereits 2019 in einem für 20.000 Euro beauftragten Bürgerdialogprozeß erarbeitet worden waren.
Dieses neue Procedere ließ sich die Stadtspitze noch einmal mit einem Parlamentsbeschluss am 15.07.2021 absegnen. In diesem Beschluss bekräftigten die Stadtverordneten - diesmal sogar einstimmig - das Empfehlungsteam solle ein „Konzept zur Umsetzung des Beschlusses vom 01.12.2020 über die Durchführung eines städtebaulichen Ideenwettbewerbs am Marktplatz erstellen“.
Deutlicher geht nicht. Von Verfahrensänderung war dabei keine Rede. Rasch machten sich nun die Mitglieder dieses vom Rathaus zusammengestellten Teams „mit Herzblut“, wie es eine Teilnehmerin formulierte, an die Aufgabe, ohne allerdings von den städtischen Protagonisten mit den rechtlichen Vorgaben ausgestattet zu werden. So kam dann, was zwangsläufig kommen musste.
Das Empfehlungsteam präsentierte am 06. Oktober statt eines städtebaulichen Ideenwettbewerbs ein sogenanntes >Werkstattverfahren< zur Marktplatzgestaltung. Ein solches ist angesicht der Beschlusslage nach Auskunft des Hessischen Innenministerium nicht möglich und der Beschluss hat eine dreijährige Bindungswirkung, wie eine FACT-Anfrage in Wiesbaden ergab.
Auch die Vertreter der einzelnen Stadtverordnetenfraktionen positionierten sich nahezu einstimmig gegen die vorgeschlagene Verfahrensänderung.
Am 11. November zog Bürgermeisterin Christine Klein in der Stadtverordnetenversammlung die in Bensheim berühmt-berüchtigte Reißleine und äußerte sich klar für eine Abkehr vom vorgeschlagenen Werkstattverfahren, auch wenn man dieses nach wie vor für richtig erachte.
„Wir werden nicht mehr auf rechtliche Überprüfungen und Gutachten warten“, denn man wolle sich „nicht dem Risiko aussetzen, dass Dritte dagegen juristische Schritte einleiten“.
Man müsse davon unabhängig eine Entscheidung treffen, „denn die Tendenz aus dem politischen Raum ist meines Erachtens eindeutig“, befand die Bürgermeisterin damals und ergänzte: „Denn im Sinne unserer Innenstadt muss es jetzt vorangehen.“
Jetzt aber steht offenbar wieder der Rückzug vom Rückzug ins Haus, nachdem nach immerhin rund zwei Monaten zwei juristische Bewertungen zum Ergebnis kamen, der Parlamentsbeschluss habe keine dreijährige Bindungswirkung.
Eine rechtliche Auskunft beim Hessischen Innenministerium als oberster Dienstaufsichtsbehörde der Kommune wurde allerdings nicht eingeholt. Diese Möglichkeit hat sich offenbar noch nicht bis ins Bensheimer Rathaus herumgesprochen.
Und welche Aussagekraft die von der Stadt Bensheim eingeholten sogenannten Rechtsgutachten haben, mussten Ex-Bürgermeisteer Rolf Richter und dessen Stellvertreterin, Erste Stadträtin und Baudezernentin Nicole Rauber-Jung, schon im vergangenen Jahr leidvoll erfahren.
Beide hatten bekanntlich damals der Bürgerinitiative >Bensheimer Marktplatz besser beleben< die Fortsetzung der durch die Corona-Pandemie unmöglich gewordenen Unterschriftensammlung zum Bürgerbegehren nach Aufhebung der Kontaktbeschränkungen verwehrt, ehe das Verwaltungsgericht die Fakten mit dem bekannten Ergebnis zurechtrückte.
Selbst die aktuelle Bürgermeisterin Christine Klein machte außerhalb ihrer Rathausposition in der Angelegenheit der Riedwiesen-Bebauung ausreichend eigene Erfahrungen welche Wirkung gutsherrschaftliche Regentschaften auf Bürgerinnen und Bürger entfalten.
Auch die von Empfehlungsteam und Stadtspitze kommunizierte Behauptung auf den Ideenwettbewerb müsse ein Realisierungswettbewerb folgen, was viel Zeit und Geld koste, wird von Fachleuten widerlegt: „Es ist richtig, dass auf einen Ideenwettbewerb ein Realisierungswettbewerb folgen kann, aber keineswegs folgen muss.“
So wäre denn spätestens jetzt die Zeit gekommen, das Irrlichtern im Bensheimer Bauteam zu beenden und mit der unverzüglichen Umsetzung des inzwischen ein Jahr alten eindeutigen Parlamentsbeschlusses zur Durchführung eines städtebaulichen Ideenwettbewerbs zu ersetzen.