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KOMMENTAR: „Bensheimer Weg“, ein Irrweg, mit reichlich großen Stolpersteinen

Seit Franz Apfel den Bensheimer Christdemokraten am 1. Dezember 2020 im Stadtparlament zurief: „die Arroganz der Macht in Bensheim ist gescheitert“ sind gut zwei Jahre vergangen.

Was der Fraktionschef der Bürger für Bensheim (BfB) angesprochen hatte, stand im Zusammenhang mit dem CDU-Antrag zur Abwehr eines Bürgerentscheids und Übernahme der Forderungen der Bürgerinitiative >Bensheimer Marktplatz Besser Beleben< für einen Ideenwettbewerb zur Marktplatzgestaltung.

Das damals beschriebene „Scheitern der Arroganz der Macht“ feiert aktuell fröhliche Urständ im Bensheimer Rathaus.

Der zum Jahresende 2020 nach vielen Irrungen und Wirrungen und der Abwahl des christdemokratischen Bürgermeisters Rolf Richter versöhnlich wirkende CDU-Antrag, mit großen Teilen der Bevölkerung Bensheims wieder auf Augenhöhe zu gelangen, führte nicht wirklich zum Frieden in der Stadtgesellschaft.

Umsetzungsversuche des Parlamentsbeschlusses wirken dilettantisch

Zu dilettantisch wirkten und wirken die Umsetzungsversuche des Parlamentsbeschlusses durch die Stadtverwaltung unter der Führung von Erster Stadträtin Nicole Rauber-Jung seither.

Statt zügig zu Jahresbeginn 2021 vorrangig – wie auch von der Stadtpolitik beauftragt – mit der BI in eine offene und konstruktive Arbeitshaltung zu kommen und mit der Auslobung des beschlossenen Ideenwettbewerbs zu beginnen, wurde im Frühjahr vergangenen Jahres das Vehikel >Bensheimer Weg< zur Aufgabenbewältigung ins Leben gerufen.

Unter dem Motto >365 Tage für die Zukunft unserer Innenstadt< sollten mehrere Teams die eigentliche Aufgabe der Stadtverwaltung übernehmen und Vorschläge zur Umsetzung des Beschlusses unter partizipativer Einbindung der Bevölkerung erarbeiten.

Nicht in fragwürdiges Konstrukt >Bensheimer Weg< integriert

Erst keine Agenda, dann alles sichten und sammeln, was in der Stadt schon mal gedacht worden ist (Stichwort Rotes Sofa) – da wollte und konnte die BI nicht mitmachen. Sie ist nicht - wie gewünscht - ins Empfehlungsteam eingestiegen und wurde somit auch nicht in das für diese Thematik fragwürdige Konstrukt >Bensheimer Weg< integriert – so viel zur Bürgerpartizipation!

Dann kam aus dem Rathaus (oder von der Stadttochter MEGB) gar noch der „heimliche Auftrag“, Nachteile eines Ideenwettbewerbs zu finden, um diesen durch ein Werkstattverfahren abzulösen.

Auf >Bensheimer Weg< zurück zur Stunde Null

Und der Hammer: der größte Teil des Stadtparlaments ist und bleibt bis heute unkritisch. Die Antipathie gegen die BI wird deutlich sichtbar: man beschließt den Ideenwettbewerb noch dreimal und entfernt sich mit jedem weiteren Beschluss mehr vom eigentlichen Bürgerbegehren und dem eigenen Abhilfebeschluss.

Der so von der Stadtpolitik mitgetragene >Bensheimer Weg< skizziert angesichts eines bereits 2019 für immerhin 25.000 Euro durchgeführten Bürgerdialogs mit den finalen Optionen 0-, 1- und 2-geschossige Bebauung des östlichen Marktplatzareals einen völlig überflüssigen, kostspieligen und zeitraubenden Rückschritt zur Stunde Null.

Es kam, wie von Realisten erwartet: das im Herbst 2021 vorgestellte Ergebnis des Empfehlungsteams mit Abkehr vom Ideenwettbewerb hin zu einem Werkstattverfahren erwies sich dann auch als nicht realisierbarer Flop, der kundigen Verwaltungsjuristen nur ein mildes Lächeln abrang.

„Ganz ehrlich, bei dem ganzen Hin und Her wird einem ja fast schwindelig“

Die vor Jahresfrist der Bensheimer Stadtverwaltung darauf von der staatlichen Kommunalaufsicht beim Hessischen Innenministerium („Ganz ehrlich, bei dem ganzen Hin und Her wird einem ja fast schwindelig“) erteilte Aufklärung: „Wenn die Stadt nunmehr vom exakten Wortlaut des Abhilfebeschlusses und damit des Bürgerbegehrens abrücken will, dann sollte sie das wenn irgend möglich im Einvernehmen mit den Vertrauenspersonen tun“, blieb im Rathaus ungehört.

„Eine Stadt, die bei einem Bürgerentscheid verliert, kann diese Entscheidung nicht unterlaufen, in dem sie drei Jahre lang gar nichts tut. Genauso wenig kann sie einen Abhilfebeschluss durch Aussitzen unterlaufen.

In beiden Fällen begibt sie sich in die Gefahr, die Geduld der Vertrauenspersonen und aller Unterzeichner des Bürgerbergehrens über Gebühr zu strapazieren, ein eventuelles Gerichtsverfahren zu provozieren und damit auch Vertrauen in der Bevölkerung zu verlieren und der Politikverdrossenheit Vorschub zu leisten.

„Handlungsspielraum von Magistrat und Stadtverordnetenversammlung ist >eingeengt<“

Aber ich komme um die Feststellung nicht herum, dass wegen der ganzen Vorgeschichte der Handlungsspielraum von Magistrat und Stadtverordnetenversammlung >eingeengt< ist“, ließ der zuständige Verwaltungsjurist im Innenministerium das Bensheimer Rathaus damals weiter wissen.

Alleine diese deutlichen Aussagen der obersten Kommunalaufsicht lassen angesichts des anschließenden Verhaltens im städtischen Bauteam die Inanspruchnahme eines geeigneten Germanistiklehrers, gegebenenfalls auch Dolmetschers, im Bensheimer Rathaus nötig erscheinen.

Seit fast 24 Monaten blieben nahezu alle Gesprächsangebote der BI ungehört

Seit Anfang 2021, und damit seit fast 24 Monaten, blieben nahezu alle Gesprächsangebote und -ersuche der BI an Erste Stadträtin und Bürgermeisterin ungehört bzw. wurden zuletzt auf einen Termin nach bereits erfolgter und damit unumkehrbarer Auslobung des Wettbewerbs fixiert.

Nicht nachvollziehbar auch die Verwunderung von Nicole Rauber-Jung über den Gang der BI zum Verwaltungsgericht nach vorheriger deutlicher Ankündigung der BI, eine nicht mit ihr abgestimmte Auslobung unter Nichtberücksichtigung der mit dem erfolgreichen Bürgerbegehren und per Abhilfebeschluss erworbener BI-Rechte juristisch überprüfen zu lassen.

Ursachen für erneuten Schritt der BI vor das Verwaltungsgericht liegen klar auf der Hand

Wenn die Baudezernentin dann trotz kommunalaufsichtlicher Aufklärung zur Rechtslage noch bekundet, sie erachte eine „exakte Umsetzung des Bürgerbegehrens als schwierig“, liegen die Ursachen für den erneuten Schritt der BI vor das Verwaltungsgericht klar auf der Hand.

Sie sagt aktuell auch in zwei Presseerklärungen, „wir folgen nicht den Auslegungen der Vertrauenspersonen der BI“, vergisst dabei aber offensichtlich ihren ureigensten Auftrag der ausschließlichen Umsetzung des Bürgerbegehrens.

Die Aussage von Nicole Rauber-Jung, die vom Sachverständigen der BI im Vorgespräch mit allen Beteiligten vorgetragenen Vorschläge seien nicht mehrheitsfähig gewesen, verdeutlicht darüber hinaus, dass die Baudezernentin den Rechtsanspruch der BI auf ordnungsgemäße Durchführung ihrer im Bürgerbegehren erworbenen Rechte noch immer nicht verinnerlicht hat und diese keines Mehrheitsbeschlusses des Preisgerichts bedürfen. Sie sind vielmehr zementierter Kern der Aufgabenstellung. 

Auch Vertreter des Bürgernetzwerks sehen „Unwissenheit oder Absicht“ im Rathaus

Und dann wird jetzt nachträglich noch bekannt, dass neben den BI-Vertrauensleuten auch die Vertreter des seither zur Marktplatzgestaltung völlig anders ambitionierten und ohne rechtliche Anspruchsgrundlage willkürlich als beratende Institution im Preisgericht verankerten Bürgernetzwerks sich mehr als kritisch äußern.

Die Vertreter des Bürgernetzwerkes konstatieren, die am 29. November öffentlich gemachte Auslobung der Bensheimer Stadtverwaltung basiere auf „Unwissenheit oder Absicht“ womit die Stadtspitze „als Verantwortliche die Stadtgesellschaft wieder deutlich und völlig unnötig spalten werden“, und offenbaren damit die Qualität der im Rathaus zu dieser Thematik geleisteten Arbeit.

Mediation der Lösungsweg zur Konfliktbeilegung?

Sie skizzieren auch das Kuriosum, der >Bensheimer Weg< kann auch als „Holzweg“ mit reichlich und vor allem großen Stolpersteinen gepflastert sein. Bleibt lediglich die finale Frage: Was nun, Frau Rauber-Jung?

Wünschenswert wäre, das aktuelle LED-Lichtermeer zum Weihnachtsmarkt auf und um den Bensheimer Marktplatz würde seine Strahlkraft bis ins Bensheimer Rathaus entfalten. Zur Problemlösung geeignet könnte allerdings auch die vom Verwaltungsgericht angebotene Mediation zur Konfliktbeilegung sein, zu der sich die BI bereits bereit erklärt hat.