LESERBRIEF: Werbetrommel eifrig für Projekte in eigener Sache gerührt
Das in Bensheim aktive >Bürgernetzwerk< bilanzierte jüngst seine Tätigkeit der vergangenen zweieinhalb Jahre. Solch ein verschwurbeltes Wortgeklingel mit wenig Substanz wie dieser Beitrag ist mir selten untergekommen.
Da rührt man eifrig die Werbetrommel für Projekte in eigener Sache und ist beleidigt, dass der Resonanzboden für die Begeisterung fehlt. Dabei will man doch nur mit wolkigen Begriffen und einem domestizierten Bächlein Bensheim in eine märchenhafte Zukunft „küssen“.
Deshalb wird man wohl Dankbarkeit erwarten dürfen. Und es gilt, was der Bürger unter „Bürgerbeteiligung“ zu verstehen hat, muss er gefälligst dem Bürgernetzwerk (BNW) überlassen. Wo käme man denn hin, wenn das „Lenkungsteam“ des BNW sich diese „Lenkung“ aus der Hand nehmen ließe.
Schaut man sich den Masterplan mit 20 Einzelpunkten an, drängt sich unweigerlich die Frage auf: Wer soll das bezahlen? Die Stadt, die von einem genehmigungsfähigen Haushalt meilenweit entfernt ist? Was im übrigen nur darauf hinweist, dass sie sich in der Vergangenheit offensichtlich kräftig übernommen hat.
Bei den vorgeschlagenen Beleuchtungskonzepten scheint man vergessen zu haben, dass für diesen Zustand der Begriff der „Lichtverschmutzung“ geprägt wurde. Mir ist in jedem Fall ein sichtbarer Sternenhimmel über Bensheim lieber als ein in kitschigem Lila angestrahltes Rinnentor.
Dass der geistige Vater der Bürgernetzwerk-„Geschäfts“-Idee (soviel Präzision muss schon sein) an seinem Kind nichts auszusetzen hat, kann nicht überraschen.
Schließlich hat er mit der Mutter (Das Bensheimer Kind wohnt auch bei seiner Mutter) vieler Bürgernetzwerke, der IFOK GmbH, ein „Befriedungsbusiness“ (Thomas Wagner, Die Mitmachfalle 1.1.2013) gegründet, das sich „auf die Öffentlichkeitsarbeit sowie die Planung und Umsetzung von Bürgerbeteiligungsverfahren spezialisiert“ (ebd.) hat. Dagegen ist ausdrücklich nichts einzuwenden. Der Bürger sollte es nur wissen.
Das Institut für Organisationskommunikation ist wirtschaftlich und politisch gut vernetzt und weiß natürlich, wie man Kommunikationsprozesse lenken kann, um ein gewünschtes Ergebnis zu erreichen.
Und so verwundert es nicht, dass die Stadt die politische Mediation des von ihr finanzierten Dialogforums „Marktplatz der Zukunft“ in die Hände des BNW gegeben hat.
Im Ergebnis aber ist das Dialogforum gescheitert, hat nicht zur Befriedung sondern zum Protest von mehreren tausend Bürgern geführt. Obendrein haben sich die politischen Verhältnisse hoffentlich (Da gibt es noch einige Wahlversprechen einzulösen) ein wenig verschoben, und der Zugang zur Stadt scheint nicht mehr so einfach zu sein. Das ist bitter für Vaters Kind.
Doris Tiemann
64625 Bensheim