„Bensheimer Stadtspitze verdreht die Aussagen zur Marktplatzgestaltung“
Mitglieder des Reflexionsteams unter dem Dach des >Bensheimer Wegs< widersprechen Aussagen der Stadtspitze zu einer Sitzung mit Fachleuten der Architektenkammer und des Frankfurter Büros UmbauStadtBENSHEIM. - „Sie können es einfach nicht lassen, sind stur wie die Esel und wollen trotz heftigster Nackenschläge von offizieller Seite partout ihren Bau für eine Bierkneipe durchsetzen. Und dazu sind ihnen offenbar alle Mittel genehm“, sagt ein gut informierter und höchst interessierter Bensheimer Bürger, der namentlich nicht genannt werden möchte.
Gemeint ist die Bensheimer Stadtspitze und insbesondere das städtische Bauteam unter der Leitung von Nicole Rauber-Jung. „Die Baudezernentin wollte von Anfang an am östlichen Marktplatz ein Gebäude haben und verteidigt dieses Vorhaben mit allen, teils höchst fragwürdigen Mitteln.“
Fachleute Gertrudis Peters und Martin Fladt klärten auf
Bezug nimmt der Kritiker damit auf die jüngste Presseveröffentlichung der Bensheimer Stadtverwaltung, in der über ein Treffen der Mitglieder des sogenannten Reflexionsteams (R-Team) mit Fachleuten der Architektenkammer und des Frankfurter Büros UmbauStadt berichtet wird.
Das R-Team ist bekanntlich ein Baustein des >Bensheimer Wegs< und soll im Zusammenwirken mit dem Empfehlungs-Team (E-Team) das Projekt >Gestaltung des Marktplatzareals< voran bringen.
In der städtischen Darstellung zum Treffen heißt es: „Ideenwettbewerb, Realisierungswettbewerb, Werkstattverfahren und der Wunsch nach Bürgerbeteiligung sowie Transparenz. Rund um den Marktplatz und dessen Gestaltung sind viele Begriffe gefallen, die eines eint und eins zum Ziel haben: eine Verfahrensweise zur Gestaltung und Zukunft des Bensheimer Marktplatzes zu entwickeln, die auf eine breite Akzeptanz bei den Bürgerinnen und Bürgern stößt.“
Gertrudis Peters, stellvertretende Hauptgeschäftsführerin der Architektenkammer Hessen, und Dipl.-Ing. Architekt Martin Fladt vom Frankfurter Büro UmbauStadt, hätten gemeinsam mit den Vertreterinnen und Vertretern der Fraktionen im Reflexions-Team (R-Team) alle bisher gesammelten Fakten und Begriffe genau unter die Lupe genommen.
In der Pressemitteilung der Stadtverwaltung heißt es weiter dazu: „Die Empfehlungen, die das E-Team erarbeitet hat, sind wertvolle Impulse, die sich mit einem städtebaulichen Ideenwettbewerb vertragen.“ Die Empfehlung des E-Teams – bestehend aus AkteurInnen der Bürgerschaft – und der Weg dahin seien „somit ein wichtiger und notwendiger Schritt“ gewesen.
„Städtebaulichen Ideenwettbewerb eine völlig richtige Maßnahme“
Diese städtische Darstellung sei eine völlige Verdrehung der Fakten, berichten derweil mehrere Teilnehmer an der besagten Sitzung. Nach FACT-Recherchen hätten sich sowohl die Vertreterin der Architektenkammer als auch der Fachmann des Frankfurter Büros UmbauStadt klar positioniert und den vom Stadtparlament beschlossenen städtebaulichen Ideenwettbewerb als völlig richtige Maßnahme deklariert.
So sei auch der Ideenwettbewerb – entgegen der von der Verwaltungsspitze vertretenen Meinung – kein geschlossenes Verfahren, das Bürgerbeteiligung ausschließt. Ganz im Gegenteil: „Еin Ideenwettbewerb ist eine sehr gute Chance die Bürger einzubinden: Ein Ideenwettbewerb ist für die Situation Marktplatz genau das richtige Verfahren, während ein Werkstattverfahren für die Marktplatzgestaltung ungeeignet ist“, hätten die Fachleute ausdrücklich dargelegt.
Ausschreibung mit richtigem Teilnehmerfeld wesentliche Maßnahme
Eine wesentliche Voraussetzung sei, wie Gertrudis Peters und Martin Fladt unisono bekundet hätten, dass eine Ausschreibung mit dem richtigen Teilnehmerfeld (junge Büros, Büros mit überregionaler Erfahrung, richtige Wahl der Jury) auf breiter Basis erfolge.
Auch müsse die Aufgabenstellung der Ausschreibung natürlich qualifizierte Büros motivieren, sich zu beteiligen. Schon hier aber läge offenbar die Crux, sagt der Bensheimer, und verdeutlicht dies an einer Frage aus dem städtischen Bauteam an die Fachleute, wie denn eine solche Ausschreibung zu erfolgen habe.
„Alle drei Optionen (0-, 1- , 2-geschossig) in die Ausschreibung aufnehmen“
Zur Ausschreibung könne die Architektenkammer im beschränkten Maße Hilfestellung geben und beraten. Es gebe jedoch qualifizierte Verfahrensbetreuer, wie eben Herrn Fladt von UmbauStadt, die das Wettbewerbsverfahren professionell betreuen und begleiten könnten, habe Peters gesagt.
In der Diskussion habe die Fachfrau der Architektenkammer empfohlen das Ergebnis des Bürgerdialoges, mit den drei Optionen (0-, 1- , 2-geschossig), in die Ausschreibung aufzunehmen.
Diesem fachlich fundierten Vorschlag habe sich Nicole Rauber-Jung einmal mehr widersetzt mit ihrem vermeintlich letzten Trumpf in Form des angeblich vom Denkmalschutz verlangten Ensembleschutzes.
Dabei habe sie auf die untere Denkmalschutzbehörde verwiesen und deren „seit Jahren getroffenen Aussage Nichtbebauung ist nicht zulässig“. Gertrudis Peters habe hierzu kritisch angemerkt, die Definition Ensembleschutz sei nicht nur auf ein Gebäude fixiert. Ihr Fazit: Man müsse die Alternativen einfach mal gegenüberstellen und dann offen diskutieren.
„Folgebebauung kann nicht gefordert werden“
Völlig ignoriert werde in diesem Zusammenhang von Rauber-Jung das klare Statement aus dem Heppenheimer Landratsamt zur geplanten Nachfolgebebauung am früheren Standort >Haus am Markt<. Von dort erhielt die FDP-Fraktion im Bensheimer Stadtparlament am 08.11.2019 die Antwort durch Abteilungsleiter Steffen Deichfuß auf eine entsprechende Anfrage.
In der baurechtlichen Prüfung habe sich ergeben, schrieb Deichfuß damals unmissverständlich, „dass eine Folgebebauung nicht gefordert werden kann“.
Und auch Angela Exo von der Unteren Denkmalschutzbehörde beim Heppenheimer Landratsamt hatte zu Beginn des Bürgerdialogs im Herbst 2019 klar artikuliert, es sei gestalterisch alles möglich und es gäbe keine Denkverbote bei der Ideenfindung.
„Jetzt künstlich herbeigezauberter Ensembleschutz“
Im Falle eines zwingenden Ensembleschutzes wäre darüber hinaus die Abrissgenehmigung für das >Haus am Markt< nicht ohne entsprechende genehmigungsfähige Neubaupläne erteilt worden, erläutert ein erfahrener Städteplaner „die Situation um den jetzt künstlich herbeigezauberten Ensembleschutz“.
Dieser solle wohl jetzt als „Killerargument für jedwede andere Pläne, die den Interessen der städtebaulichen Ideen von Frau Rauber-Jung und ihrem Team gegenüber stehen“ herhalten.
Die Stadtbaurätin habe vom ersten Tag ihrer Tätigkeit in Bensheim Abriss und Neubau des Hauses am Markt gegen alle Widerstände vorangetrieben und verfolge dieses Ziel offenbar auch heute noch – ohne Rücksicht auf reale Gegebenheiten.
Weitere Sitzung soll >gordischen Knoten< lösen
Als Lösungsansatz ist nunmehr ein weiteres Treffen des Reflexionsteams geplant, bei dem der Denkmalschutz noch einmal gehört und der >gordische Knoten< gelöst werden soll. Danach solle die Politik über den weiteren Weg entscheiden, hieß es von der Bensheimer Stadtspitze.
Diese Sitzungsrunde habe „wertvolle Erkenntnisse für das weitere Verfahren gebracht“, und „uns alle noch mal alles erhellt“, habe die Magistratsspitze hoffnungsvoll dargelegt.
„Wir lassen uns auf alles ein, was die Stadtverordneten beschließen. Es liegt an der Stadtverordnetenversammlung, uns zu sagen, ob das der richtige Weg ist. Dann beschreiten wir ihn gerne. Die Entscheidung liegt bei ihnen“, wolle die Stadtverwaltung den ihr zweifach erteilten Auftrag nunmehr erneut an die Stadtverordneten zurück delegieren.