Weihnachtsgruß des Landrats an die Bürgerinnen und Bürger des Kreises Bergstraße
Liebe Mitbürgerinnen und Mitbürger im Kreis Bergstraße,mein erstes komplettes Jahr als Landrat geht zu Ende und es ist an der Zeit, Resümee zu ziehen:
Das Jahr 2016 hat den Blick auf einige Herausforderungen eröffnet: Unsere Gesellschaft scheint auseinanderzudriften anstatt zusammenzuwachsen. Das Vertrauen in Politik, Medien und andere gesellschaftliche Instanzen schwindet. Mit neuen Begriffen wie „postfaktisch“ und „abgehängte Bevölkerungsschichten“ wird nach Erklärungsmodellen für den jüngsten Erfolg populistischer Politik gesucht.
Die jüngsten Ereignisse in Berlin erfüllen uns mit Trauer und Wut. Tiefste Trauer um die Menschen, die auf dem Berliner Weihnachtsmarkt ihr Leben lassen mussten und Wut über die hasserfüllten Menschen, die dieses Leid verantworten. Ich bin entsetzt und schockiert über das was in Berlin geschehen ist.
Viele Menschen und ich stellen sich die Frage: Warum? Warum ereignen sich immer häufiger solche tragischen Vorfälle? Warum verbreitet sich der Hass wie ein Lauffeuer um den gesamten Globus?
Eine Antwort kann ich Ihnen darauf leider nicht geben. Aber ich möchte Sie ermutigen: Lassen Sie sich nicht verunsichern, bleiben Sie stets offen und schenken Sie Vertrauen.
Auch wenn die „Vertrauenskrise“ ein internationales Phänomen ist – ist das Vertrauen sowie Verlässlichkeit die entscheidende Basis kommunaler Politik: Als Landrat des Kreises Bergstraße bin ich mir dieser Verantwortung bewusst und ich setze mich jeden Tag dafür ein, das mir von Ihnen gegebene Vertrauen zu festigen und unseren Kreis voranzubringen.
Auch die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Kreises sowie die seit dem Sommer in der Führung des Kreises tätigen Kreisbeigeordneten Diana Stolz und Karsten Krug, scheuen keine Herausforderungen, um das Leben in unserer wunderbaren Region noch lebenswerter zu machen.
Wie auch schon das Jahr 2015 war 2016 von zentralen Themen wie der Flüchtlingssituation und der Gesundheitsversorgung geprägt. In beiden Bereichen gab es im Laufe des Jahres viele Entwicklungen. Hinsichtlich der Gesundheitsversorgung sind wir auf einem guten Weg.
Der Zustrom der schutzsuchenden Menschen sowie die Unterbringung derer, verlangte viel von allen betroffenen Akteuren ab. Uns ist es gelungen die Rahmenbedingungen zu schaffen und dafür Sorge zu tragen, den Alltag der Bürgerinnen und Bürger weitestgehend unberührt zu lassen. So mussten zum Beispiel keine Schulsporthallen zu Notunterkünften umfunktioniert werden.
Doch die Unterbringung der Flüchtlinge war nur der erste Schritt, nun folgt die Integration der ca. 3600 Menschen, die derzeit mit unterschiedlichen Formen des Aufenthaltsstatus im Kreis Bergstraße leben, was eine große Herausforderung für uns und unser Land sein wird. An dieser Stelle möchte ich den zahlreichen Ehrenamtlichen danken, die sich in den vergangenen Monaten selbstlos dafür einsetzen, dass unsere neuen Mitbürgerinnen und Mitbürger rasch die Sprache lernen und kulturelle Missverständnisse überwinden.
Kenntnisse der deutschen Sprache und zu unserer Gesellschaft sind der Schlüssel zur Integration, ob nun aus wirtschaftlicher, sozialer oder kultureller Sicht. Seit November 2015 hat die Kreisvolkshochschule zahlreiche Deutschkurse für geflüchtete Menschen durchgeführt, eine erste Maßnahme der Integration, welche mir sehr wichtig war.
Aber ich möchte ausdrücklich betonen, dass unsere gesellschaftlichen Regeln zu achten und zu respektieren sind. Wer in Deutschland leben möchte, muss sich selbstverständlich und bedingungslos an Gesetz und Recht halten.
Dies müssen wir auch von unseren neuen Mitbürgerinnen und Mitbürgern einfordern, beziehungsweise im Falle der Missachtung die bestehenden Gesetze konsequent anwenden.
Ein weiteres Thema das uns bewegte war die Entwicklung der Gesundheitsversorgung. Das Luisenkrankenhaus in Lindenfels schloss Ende Juli endgültig seine Tore. Auch die anderen, weiter bestehenden Krankenhäuser im Kreis haben einen strukturellen Wandel erfahren: Das Heilig Geist Hospital Bensheim und das St. Marienkrankenhaus in Lampertheim befinden sich unter neuer Trägerschaft.
Erfreulich ist, dass das Kreiskrankenhaus Heppenheim in diesem Jahr ein neues Labor mit den modernsten technischen Voraussetzungen bezogen hat und damit zu den Vorreitern im gesamten Rhein-Main-Neckar-Gebiet gehört.
Zum Jahresende wurde das Netzwerk Ortsnahe Versorgung Odenwald (NOVO) geboren. Die interkommunale Zusammenarbeit von NOVO soll die medizinische Versorgung im Odenwald langfristig sichern. Gemeinsam mit der Gesundheitsdezernentin Diana Stolz betrachte ich NOVO als neue Perspektive mit vielen Möglichkeiten.
Zudem ist es gelungen, dass das Kreiskrankenhaus in Heppenheim als Teil der Universitätsmedizin Heidelberg das medizinische Versorgungszentrum (MVZ) in Lindenfels übernimmt.
Neben der Diskussion um die medizinische Versorgung ist zu betonen, dass es beim Diskurs zur Gesundheitsversorgung nie um die Notfallversorgung ging. Diese war zu jeder Zeit und durchgängig sichergestellt. Notfalleinsätze werden im Kreis zu fast 90 Prozent innerhalb der 10-minuten Hilfsfrist gewährleistet. Diesen Wert konnten wir im letzten Jahr verbessern, und ich bin zuversichtlich, dass er sich noch weiter in Richtung 100 Prozent steigern wird.
Der Kreis Bergstraße steht mit seinen insgesamt 74 Schulen für eine starke Lern- und Bildungslandschaft. Um für die Herausforderungen des 21. Jahrhunderts gewappnet zu sein, hat der Kreis Bergstraße als Schulträger längst auf Hightech in den Klassenräumen gesetzt.
Mit Ablauf des Jahres 2016 wurden rund 6.000 neue PC´s und Laptops mit einem Anschaffungswert von über 3 Millionen Euro an die Schulen ausgeliefert. Der bereits vorhandene Hardwarebestand ist aktualisiert und mehr als 300 neue Rechner stehen den Schülerinnen und Schülern zusätzlich im Unterricht zur Verfügung.
Insgesamt wurden 2016 ca. 16 Millionen Euro für Neubauten und den Erhalt der Schulen investiert. Ein großes Bauprojekt wurde kürzlich an der Eugen-Bachmann-Schule in Wald-Michelbach abgeschlossen. Nach drei Jahren der Umbauphase wurden abschließend die neuen Lehrräume für Naturwissenschaften fertiggestellt.
Durch die zur Verfügung stehenden 7,4 Millionen Euro an Fördermitteln, die der Kreis Bergstraße aus dem hessischen Kommunalinvestitionsprogramm erhalten hat, werden weitere Maßnahmen wie der Bau von Mensen an der Sonnenuhrenschule in Birkenau, der Adam-Karrillon-Schule Wald-Michelbach und an der Schillerschule Bürstadt realisiert.
Die groß angelegte Sanierung des Alten Kurfürstlichen Gymnasiums in Bensheim schreitet ebenfalls voran und soll bis 2019 abgeschlossen sein.
Als einer von sechs Pilotschulträgern im Land Hessen startete der Kreis Bergstraße im Schuljahr 2015/2016 mit sechs Grundschulen mit dem Pakt für den Nachmittag (PfN). Der „Pakt für den Nachmittag“ ist ein passgenaues und freiwilliges Ganztagsangebot für Bildung und Betreuung an Grundschulen und garantiert damit eine feste Betreuungsmöglichkeit täglich von 7:30 - 17 Uhr inklusive Ferienbetreuung.
Für das Schuljahr 2016/2017 haben sich vier weitere Schulen angemeldet, für 2017/2018 weitere drei. Als Schuldezernent ist es mein Wunsch und Ziel, dieses Programm möglichst flächendeckend an allen Grundschulen im Kreis Bergstraße zu implementieren.
Der technische Fortschritt ist nicht nur an den Schulen zu sehen: Überall ist die Digitalisierung auf dem Vormarsch. Da ich es heutzutage als Grundvoraussetzung betrachte, ein WLAN-Netz zur Verfügung zu haben, wurden an zahlreichen Orten in unserem Kreis WLAN-Hotspots eingerichtet.
Zudem planen wir nun, nachdem wir im Jahr 2017 den flächendeckenden Ausbau des Breitbandnetzes mit 50 Mbit abschließen werden, einen Ausbau der Internetversorgung mit 1 GBit – das sind 1000 Mbit.
Eine weitere Herzensangelegenheit ist für mich die Digitalisierung der Verwaltung. Mit der Einführung des E-Governments wollen wir die Verwaltung einfacher und effizienter gestalten und Bürgerschaft und Unternehmen ermöglichen, unabhängig von Öffnungs-und Sprechzeiten und ortsunabhängig mit der Kreisverwaltung zu kommunizieren, ohne notwendige Behördengänge. Dadurch sollen Informationen oder Anträge schneller übermittelt und bearbeitet werden.
Als Aushängeschild und Attraktivitätsfaktor unserer Region ist mir die Wirtschaft im Kreis Bergstraße besonders wichtig. Ich freue mich, dass die Zusammenarbeit mit der Wirtschaftsregion Bergstraße seit dem Beginn meiner Amtszeit sehr erfolgreich ist.
Immer mehr neue, junge und innovative Unternehmen siedeln sich bei uns an. Vor kurzem konnte ich mir davon persönlich ein Bild machen, als ich mit der Wirtschaftsförderung eine Tour zu verschiedenen Betrieben unternahm, die allesamt durch zukunftsweisende Technologiekonzepte überzeugen.
Bergsträßer Unternehmen sind mit ihren Produkten weit über die Kreisgrenzen hinaus bekannt und erfolgreich. Ein absolutes Novum ist, dass zwei von insgesamt vier Hessen-Champions aus dem Kreis Bergstraße kommen.
In der Kategorie „Weltmarktführer“ gewann die ESM Energie- und Schwingungstechnik Mitsch GmbH aus Rimbach die Auszeichnung. Die Firma Jöst Abrasives GmbH aus Wald-Michelbach wurde in der Kategorie „Innovation“ ausgezeichnet.
Auch im Gründerwettbewerb der Gründungsoffensive Bergstraße-Odenwald wurden in diesem Jahr wieder großartige Unternehmensideen belohnt.
Der wirtschaftliche Erfolg unseres Kreises zeigt sich auch an den niedrigen Arbeitslosenzahlen, die im November ein neues Rekordtief erreichten. Im Vergleich zum hessischen Landesdurchschnitt von 5 Prozent sind bei uns nur 3,5 Prozent der Erwerbsfähigen ohne Arbeit.
Im Bereich der Verkehrsinfrastruktur können wir ebenfalls Erfolge verzeichnen. Im Bundesverkehrswegeplan 2030, der kürzlich verabschiedet wurde, sind mehrere Straßenbauprojekte und der Bau der ICE-Trasse zwischen Frankfurt und Mannheim als Projekte mit vordringlichem Bedarf vermerkt. Was bedeutet, dass diese Projekte nun geplant und umgesetzt werden sollen.
Das Thema ICE-Trasse wird uns auch im kommenden Jahr noch beschäftigen. Zwar steht die Form der Umsetzung noch nicht fest, doch der Kreis Bergstraße behält gemeinsam mit den anderen südhessischen Kreisen seine klare, befürwortende Position, aber unter dem Ziel des bestmöglichen Lärmschutzes für die Anwohnerinnen und Anwohner der Neubaustrecke wie auch der bestehenden Strecken.
Dieses Jahr war ein Jubiläumsjahr. Neben dem Jubiläum „70 Jahre Hessen“ haben wir auch das 15-jährige Bestehen der Kreispartnerschaft mit Schweidnitz und das 25-jährige Jubiläum des Deutsch-Polnischen Nachbarschaftsvertrags gefeiert.
Überhaupt gehört es im Kreis Bergstraße zur Kultur, Freundschaften zu pflegen und miteinander gesellige Stunden zu verbringen. Dies schätze ich an meiner neuen Heimat und im Kreis sehr, auch weil ich dadurch im vergangenen Jahr viele interessante Menschen kennengelernt habe.
Zudem habe ich Sie, liebe Bewohnerinnen und Bewohner dieses Kreises, als sehr engagiert im kirchlichen, sozialen, kulturellen und sportlichen Bereich kennengelernt. Ob bei der Feuerwehr, beim Tennisverein oder beim Naturschutzbund, überall traf ich Menschen, die mit Freude und Einsatzbereitschaft im Vereinsleben aktiv sind.
Die gilt auch für die vielen ehrenamtlichen Kommunalpolitikerinnen und -politiker in den Gremien des Landkreises sowie der Ortsteile, Städte und Gemeinden, die sich gemeinsam für unsere Demokratie über Parteigrenzen hinweg einsetzen. All den für die Mitmenschen engagierten Menschen unseres Kreises bin ich sehr dankbar,
Angesichts all dieser positiven Gesichtspunkte und Entwicklungen gehe ich mit einem zuversichtlichen Gefühl ins Jahr 2017.
Ich weiß, dass auch das kommende Jahr seine Herausforderungen mit sich bringt- von einigen wissen wir bereits, andere werden unerwartet eintreffen.
Als Kreis Bergstraße können wir das Jahr mit der Gewissheit angehen, dass wir in einer sicheren, wirtschafts- und gemeinschaftsstarken Region leben. Dass wir auch außergewöhnliche Situationen wie den letztjährigen großen Ansturm von Flüchtlingen gemeinsam bewältigen können, haben wir bereits bewiesen.
Ich wünsche mir, dass Sie auch in Zukunft in die Stärken unseres Landkreises vertrauen und im Gegenzug werde ich mich als Landrat weiterhin mit ganzer Kraft für die Belange des Kreises Bergstraße einsetzen.
Ich wünsche Ihnen allen ein besinnliches Weihnachtsfest und einen guten Start ins neue Jahr.
Ihr
Christian Engelhardt