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MEGB soll Synergien schaffen bei Stadtmarketing und Wirtschaftsförderung

Berechtigung für die Stadttochter zur Aufgabenübernahme des sozialen Bensheimer Wohnungsbaus sorgt für kontroverse Diskussionen im Stadtparlament

BENSHEIM. - Richtungsweisende Entscheidungen zur Stadtentwicklung hatten die Bensheimer Stadtverordneten in ihrer jüngsten Sitzung zu treffen. Diese fielen mehr oder minder kontrovers aus und wurden mit entsprechend unterschiedlichen Mehrheiten ausgestattet.

Der Magistratsvorlage zur Übertragung der Aufgaben des Stadtmarketings und der Wirtschaftsförderung an die Marketing- und Entwicklungsgesellschaft Bensheim (MEGB) sowie deren Berechtigung Aufgaben des sozialen Wohnungsbaus für die Stadt Bensheim zu übernehmen, folgten die Parlamentarier überwiegend und lehnten einen Änderungsantrag der Freien Wähler mit 35 zu sechs Stimmen bei zwei Enthaltungen ab.

Einmütige Zustimmung zur Fusion der GGEW mit Energieried

Einstimmig erfolgte das parlamentarische Plazet zur Fusion der GGEW AG mit der Energieried GmbH & Co. KG. Deutlich konträrer verlief hingegen die Beurteilung der Neuausrichtung der 100-prozentigen Stadttochter MEGB.

Die Verwaltungsvorlage, der MEGB die Aufgaben des Stadtmarketings und der Wirtschaftsförderung sowie Aufgaben des sozialen Wohnungsbaus der Stadt Bensheim zu übertragen und den Gesellschaftsvertrag entsprechend zu ändern führte zu umfangreichen Diskussionsbeiträgen.

Dazu legte die Fraktion der Freien Wählergemeinschaft (FWG) einen Änderungsantrag vor, bei dem die Übernahme der Projekte des sozialen Wohnungsbaus entfallen sollten.

„Kein SMARTes Ziel definiert“

Die FWG begründete diesen Änderungsvorschlag mit dem bisher fehlenden geplanten Umfang des städtischen sozialen Wohnungsbaus. „Für die Aufgaben im sozialen Wohnungsbau wird in der Verwaltungsvorlage kein SMARTes Ziel definiert, sondern nur ganz allgemein, konzeptlos und unverbindlich eine >Absicht< bekundet“, sagte Fraktionssprecher Dr. Rolf Tiemann.

Als SMARTe Zielformulierung formulierte er:
S = spezifisch mit einer genauen Beschreibung des erwünschten Zustandes;
M = qualitativ und quantitativ messbar;
A = aktiv beeinflussbar,

R = relevant im Sinne von herausfordernd und unter den gegebenen Umständen erreichbar;
T = terminiert.

„Kein Realisierungskonzept präsentiert“

Dies sei alles nicht gegeben. Die FWG halte es sehr wohl „für wichtig und erforderlich, dass in Bensheim schnell viele Sozialwohnungen gebaut werden, die die Stadt dauerhaft belegen kann. Dies unterstützen wir ausdrücklich.“

Um „schnell“ und „dringlich“ scheine es bei dem geplanten, städtischen Bau von Sozialwohnungen jedoch nicht zu gehen, „denn sonst wäre der Stadtverordnetenversammlung sicherlich ein Realisierungskonzept präsentiert worden“.

Der FWG-Sprecher merkte an: „Am Meerbachsportplatz haben die Stadtverordneten bedauerlicherweise die Chance verpasst, gemeinsam mit der Wohnbau Sozialwohnungen und dauerhaft >bezahlbaren< Wohnraum zu schaffen, der jetzt schon zur Verfügung stünde“.

„Verfrüht und nicht zielführend“

Den in der Verwaltungsvorlage vorgeschlagenen Weg für den Bau von Sozialwohnungen halte die FWG „für verfrüht und nicht zielführend“. Zum jetzigen Zeitpunkt sei es weder erforderlich noch sinnvoll, das Aufgabenfeld der MEGB auf „Sozialen Wohnungsbau“ zu erweitern.

Die Stadt solle zunächst den geplanten Umfang des städtischen sozialen Wohnungsbaues festlegen. „Hierzu müssten Fragen beantwortet werden wie: Welche städtischen Grundstücke kommen in Betracht? Wieviele Wohnungen sollen bis wann erstellt werden? Welche finanziellen Mittel werden benötigt und wie werden sie beschafft?

Auf der Basis der Antworten sollte dann – faktenbasiert - nach dem bestgeeigneten Partner für die Realisierung gesucht werden. Das kann die MEGB sein, muss sie aber nicht“, sagte Tiemann.

Mit der Durchführung konkreter Einzelprojekte wie Bürgerhaus, Haus am Markt und Kaufhaus Krämer sei die MEGB auch betraut worden, ohne dass der Gesellschaftsvertrag geändert worden sei. „Dies können wir bei Einzelprojekten auch weiterhin tun, um z.B. mit einem Pilotprojekt >Sozialer Wohnungsbau< zu starten – etwa der Bebauung des Hoffart-Geländes.“

„Ein konkretes Ziel wird nicht gehen“

Bernhard Stenger sieht die neue MEGB-Aufgabe im sozialen Wohnungsbau aus Sicht der CDU-Fraktion lediglich als Option. „Ein konkretes Ziel wird nicht gehen“, befand Stenger. Es sei keineswegs so, dass alles was gebaut wird im sozialen Wohnungsbau, die MEGB machen müsse.

„Wir sagen, das kann die MEGB machen. Wir möchten mit der MEGB zusammen einen Wettbewerb um die besten Ideen haben.“ Die MEGB werde sich gegen und mit anderen um die besten Ideen bewerben.

„Die Stadt hat es in der Hand“

„Wenn der Platzhirsch Wohnbau eine bessere Idee vorlegt, dann wird’s die Wohnbau machen, gar keine Frage, aber es könnte eben auch die MEGB sein.

Der Vorteil ist ganz klar, die Stadt hat es in der Hand, sie hat die Belegungsrechte auf Dauer, und das ist ein ganz wichtiger Aspekt für uns, deshalb möchten wir diese Option für die MEGB schaffen.“

Doppelstrukturen abbauen und Kosten sparen

Jetzt durch die Verwaltung vorgelegte vertiefende Untersuchungen zeigten auf, es gebe Synergien mit dem Stadtmarketing und mit der Wirtschaftsförderung. „Die Aufgaben können sinnvoll bei der MEGB gebündelt und von dort erledigt werden. Doppelstrukturen würden abgebaut und Kosten gespart“, sagte Fraktionsvorsitzende Doris Sterzelmaier für die GRÜNEN.

„Ein weiteres Ergebnis ist, dass sich die MEGB im Sozialen Wohnungsbau engagieren soll. Wir alle wissen, es fehlt an Wohnungen und besonders an bezahlbarem Wohnraum und an Sozialwohnungen.“

Die 20 neuen Sozialwohnungen in der Dammstraße / Kreuzergelände, die fast fertigen 25 Sozialwohnungen beim alten EKZ Gelände und die absehbaren 100 Sozialwohnungen auf dem Meerbachsportplatz, würden nicht reichen.

„Der freie Markt hat den Bedarf bisher nicht gedeckt“

Die Stadt selbst könnte auch dafür sorgen. Warum sollte die Stadt über ihre Tochter MEGB nicht auch Sozialwohnungen bauen. Der freie Markt hat den Bedarf bisher nicht gedeckt.

Bei der Entscheidung heute, gehe es darum, dass sich die MEGB um den Bau von Sozialwohnungen kümmert, indem sie die Bauträgerfunktion für die Stadt übernimmt.

„Dadurch ergeben sich für die Stadt Vorteile bei der Belegungsbindung von Sozialwohnungen, beim Vergaberecht und bei den Kosten. Der Kauf ausgelaufener Belegungsrechte durch die Stadt und die Zahlungen an fremde Dritte, würden entfallen“, befand Sterzelmaier.

Aus Grüner Sicht gebe es keinen Grund, weiter abzuwarten. Außerdem sei im Beschluss vorgesehen, dass jedes entsprechende Projekt der MEGB vorher der Stadtverordnetenversammlung zu unterbreiten sei.

„Vieles unterschreiben, was im Änderungsantrag der FWG ausgeführt wurde“

Er könne vieles unterschreiben, was im Änderungsantrag der FWG ausgeführt worden sei, sagte SPD-Fraktionschef Jürgen Kaltwasser. Dennoch komme seine Fraktion in der Gesamtbetrachtung zum Ergebnis, diesen abzulehnen.

Die aktuell zu treffenden Beschlüsse basierten auf der Beschlusslage vom Juli dess vergangenen Jahres. „Vorliegend haben wir es mit einem komplexen und facettenreichen Sachverhalt mit weitreichenden Folgen für die nähere und weitere Zukunft unserer Stadt und deren Entwicklung zu tun.“

Die Übertragung der Stabsstelle Stadtmarketing und der Wirtschaftsförderung an die MEGB sei ebenso logisch, wie sinnvoll. „Dabei können Synergien genutzt und Reibungsverluste vermieden werden.“ Inwieweit sich das im monitären Bereich, sprich der Haushaltskonsolidierung, niederschlage, lasse die Magistratsvorlage offen.

Blutauffrischung für MEGB durch „Leuchtturm Stadtmarketing“

„Der Buchstabe >M< der MEGB steht für >Marketing<. Warum es daher überhaupt einer gesonderten Stabsstelle bedurfte, will ich an dieser Stelle nicht weiter vertiefen. Das Stadtmarketing in Form der Stabsstelle ist sehr gut aufgestellt und zählt ohne Zweifel zu den Leuchttürmen unserer Verwaltung“, lobte Kaltwasser.

Die mit der Verschmelzung einhergehende Blutauffrischung bei der MEGB werde dieser sicher gut tun. „Die Beinfreiheit der Neuzugänge muss natürlich erhalten bleiben“, mahnte der SPD-Sprecher an und ergänzte. „Wir stimmen dieser Übertragung vorbehaltlos zu.“

Ebenso trage man den Beschlussvorschlag des Magistrats mit, die MEGB zu berechtigen, Aufgaben des sozialen Wohnungsbaus für die Stadt Bensheim zu übernehmen. Man habe auf diesem Gebiet einen erheblichen Nachholbedarf. „Es brennt“, sagte Kaltwasser.

„Im sozialen Wohnungsbau wenig bis nichts getan“

Die Unterbringung geflüchteter Menschen trage zur Verschärfung dieser Situation bei. „Die Vergangenheit, in der bezüglich des sozialen Wohnungsbaus wenig bis nichts getan wurde, hat uns längst eingeholt.

Die Devise muss lauten: bauen, bauen, bauen. Darum ist es mir zunächst völlig egal, ob die MEGB baut, bauen lässt, oder am Ende des Tages die Stadt selbst oder durch einen Dritten handelt. Fazit: Es muss etwas passieren, am Besten schon gestern! Wir werden die weitere Entwicklung genau im Auge behalten und erwarten zeitnah entsprechende Vorlagen.“

Der SPD-Sprecher mahnte die zu dieser Thematik noch immer offenen Fragen seiner Fraktion vom Juli vergangenen Jahres an. Diese lasse der Magistrat mit einem Hinweis auf mögliche Projektvorlagen unbeantwortet. „Ich erinnere an diese Fragen und freue mich auf zeitnahe Projektvorlagen und noch mehr auf deren Realisierung“, schloss Kaltwassser.

Tobias Fischer: „MEGB sehr sinnvoll für die Stadt, sie bietet einen Mehrwert“

„Auch wir werden der Vorlage zustimmen, auch wenn wir in den vergangenen Jahren mehrfach konstruktiv oder auch weniger konstruktiv über die MEGB geurteilt haben“, bekundete Tobias Fischer für die FDP-Fraktion.

Der Grund dafür sei ganz einfach: „wir hatten in den letzten Monaten umfassend Gelegenheit uns über die MEGB zu informieren, und sind zu dem Entschluss gekommen, dass diese Gesellschaft sehr sinnvoll ist für die Stadt, dass sie einen Mehrwert bietet, und deswegen ist es auch folgerichtig den Vertrag jetzt so zu gestalten, dass diese Stadttochter MEGB sinnvoll agieren und sich weiterentwickeln kann“.

Auch für das Personal sei es eine wichtige Weichenstellung, „denn keiner von uns möchte in der Haut stecken, wenn er nicht weiß, ob sein Arbeitsplatz morgen oder übermorgen noch Bestand hat“. Die FDP-Fraktion halte es weder für schädlich noch für unschädlich die neue Aufgabenstellung im Gesellschaftervertrag aufzunehmen.

„Zustimmung, damit sich die MEGB neu aufstellen, neu positionieren kann“

Wichtigster Punkt sei aus FDP-Sicht jedoch, dass die Zustimmungspflicht der Stadtverordneten zu den jeweiligen Projekten gegeben sei. „Wir geben also keinerlei Befugnis oder Verantwortung aus der Hand.“ Man unterhalte sich aktuell nicht darüber, wieviele Wohnungen künftig die MEGB bauen werde, sondern über die grundsätzliche Ausrichtung der MEGB.

„Wir bauen jetzt erst mal das Grundkonstrukt, denn wir können nicht ein Haus bauen, bevor wir nicht die Grundmauern gebaut haben“, wandte sich Fischer gegen das Änderungsansinnen der FWG.

So gesehen sei das jetzt eine Weichenstellung, der man wohlwollend zustimmen werde, „damit sich die MEGB neu aufstellen, sich neu positionieren kann, und warten dann auf die vielen Vorlagen, die kommen werden.“ Dann müsse man schauen, was tatsächlich passiere, denn man dürfe keinesfalls naiv erwarten, dass auf einen Schlag 100 neue Sozialwohnungen kommen würden.

„Verwaltungsvorlage ohne echtes Konzept, die Konsequenzen sind nicht bedacht“

„Was den sozialen Wohnungsbau betrifft, können wir das nicht mittragen“, sagte BfB-Fraktionsvorsitzender Norbert Koller. „Die Verwaltungsvorlage ist viel zu allgemein formuliert, ein echtes Konzept nicht zu erkennen, die Konsequenzen sind nicht bedacht.“

Darmstadt habe mit der Bauverein AG eine stadteigene Wohnungsbaugesellschaft. Diese habe 250 Mitarbeitende und umfängliche, vielfältige Aufgaben, die mit Bensheim nicht vergleichbar seien.

„Um aus der MEGB eine Wohnungsbaugesellschaft zu machen, müssten umfassend grundlegende Strukturen aufgebaut werden, die dauerhaft eine reibungslose Abwicklung wie Projektsteuerung, Planung, Bauleitung, Vermarktung, Verwaltung, Instandhaltung usw. ermöglichen“, zeigte Koller die Schwachstellen auf.

„Die personellen Wechsel in der MEGB sind auffällig“

„Mal schnell einen Architekten einstellen, der das alles managt“, habe bei der MEGB ja schon in der Vergangenheit nicht geklappt. „Das ist auch naiv. Die personellen Wechsel in der MEGB sind auffällig.“

Wohnungsbau bedeute für die MEGB Konkurrenz mit Wohnbau, GGEW und privaten Investoren. „Wo sollen überall Wohnungen gebaut werden? Die noch verfügbare Landschaft wird versiegelt, um dann die MEGB wirtschaftlich darstellen zu können.

Wir haben das System mit den Stubenwald-Abschnitten schon ausprobiert mit einem Unternehmen, das seine Existenzgrundlage daraus bezieht, ständig die knappen Flächen in Bensheim bebauen zu müssen.

„So haben wir uns die Neuausrichtung der MEGB nicht vorgestellt!“

Die Kommunalpolitik soll die Grundlagen dafür schaffen, um den Wohnungsbau überall zu ermöglichen, egal, ob es in die Landschaft passt, oder wie es dann aussieht. Eben genau das wollen wir nicht mehr. So haben wir uns die Neuausrichtung der MEGB nicht vorgestellt!“

Man befinde sich im Zeitalter de Klimawandels. Es gehe darum, Flächen zu entsiegeln, Grünzonen und Frischluftschneisen zu schaffen. „Wir wollen, dass Verhandlungen mit der Wohnbau und der GGEW aufgenommen werden.“

Es solle untersucht werden, ob die Umnutzung von Gewerbe- und Industriegebäuden für den Wohnungsbau geeignet sind. Koller nannte dazu die Stichworte Homeoffice und Wegfall von Flächen. „Die Aufgaben der MEGB sollen auf ein Minimum begrenzt werden“, erläuterte der BfB-Sprecher die Sicht seiner Fraktion.

„Stadtmarketing und Wirtschaftsförderung gehört in eine Hand“

„Stadtmarketing und Wirtschaftsförderung gehört in eine Hand. Das ist ein vernünftiger Weg, der genügend Handlungsspielraum gibt“, sagte Rolf Kahnt für die Fraktion >Vernunft und Augenmaß< (VuA). Der soziale Wohnungsbau indessen stelle die Stadt vor ungemein große Herausforderungen.

„Ich finde es logisch, dass die Stadtverordneten vor Übernahme eines sozialen Wohnbauprojekts durch die MEGB einen entsprechende Vorlage erhält. Mehr kann man da eigentlich nicht machen.“

Den sechs Einzelpunkten der entsprechenden Magistratsvorlage wurde jeweils mehrheitlich bei Gegenstimmen von FWG und BfB (je drei) zugestimmt, zwei Unterpunkte der Magistratsvorlage wurden einstimmig verabschiedet.