Geschäftsgebäude der Sparkassse Bensheim: „Hier wird Vermögen verbrannt“
Kontroverse Wege zum übereinstimmenden Ziel, die Sparkasse in der Bensheimer Innenstadt zu haltenBENSHEIM. - Die Bensheimer Stadtverordnetenversammlung beschloss in dieser Woche mehrheitlich mit 20 Stimmen aus den Fraktionen von CDU und SPD bei 17 Gegenstimmen den Bebauungsplan >BO 62 Bahnhofstraße Südwest<.
Dieses Bebauungsangebot ermöglicht der Sparkasse Bensheim nach mehreren baupolitischen Kehrtwenden in jüngster Vergangenheit den aktuell geplanten Abriss des 2008 sanierten und nach Aussagen von Bausachverständigen statisch völlig intakten Geschäftsgebäudes am Bahnhof und einen Neubau an gleicher Stelle für derzeit kalkulierte 36 Millionen Euro.
In Heppenheim werden 2,3 Mio. Euro Gewinn verteilt, in Bensheim gibts erneut eine Nullrunde
Nahezu zeitgleich hatten die Mitglieder des Zweckverbands der Sparkasse Starkenburg in dieser Woche über die Verwendung ihres Jahresüberschusses 2019 von mehr als 2,3 Millionen Euro zugunsten der Trägerkommunen zu entscheiden.
Bei der benachbarten Bensheimer Schwestersparkasse ist eine Gewinnausschüttung des Jahresüberschusses 2019 an die Trägerkommunen des Zweckverbands (Bensheim hält als Standortkommune 53,5% der Anteile in diesem Verband) einmal mehr nicht vorgesehen, wie vom kommissarischen Vorstand der Sparkasse Bensheim schon vor mehreren Wochen bekannt gegeben.
Intransparenz: Frage nach Brandschutz- und Statik-Gutachten
Dieses Szenario führte zwangsläufig zum verbalen Schlagabtausch zwischen den Fraktionen im Stadtparlament. „Hier wird Vermögen verbrannt, wo ist ein Brandschutz- oder das Statik-Gutachten?“, kritisierte BfB-Sprecher Norbert Koller, der für seine Fraktion einen Änderungsantrag begründete, die Intransparenz bei der Bewertung des Bestandsgebäudes.
Der Änderungsantrag zielte darauf ab, die neue Bürgermeisterin Christine Klein als künftige Verwaltungsratsvorsitzende der Sparkasse Bensheim müsse sich ein eigenes Bild davon machen können ob eine Sanierung des bestehenden Sparkassengebäudes möglich ist bevor endgültige Entscheidungen über das jüngste Sparkassen-Ansinnen zum Abriss des Geschäftsgebäudes und Neubau getroffen würden.
Die BfB und weitere Parlamentsfraktionen hatten zuvor auch die Prüfung einer Fusion des Instituts mit der Sparkasse Starkenburg als Option ins Gespräch gebracht.
„Eine schwere Hypothek für die neue Bürgermeissterin“
In diesem Zusammenhang wurde auch der am 01. November abgewählte Bürgermeister Rolf Richter kritisiert, der qua Amt auch den Verwaltungsratsvorsitz der Sparkasse Bensheim seit 2015 inne hat, und für „eine verfehlte Geschäftspolitik des Kreditinstituts an entscheidender Stelle mitverantwortlich“ sei.
„Warum wird das Verfahren nicht transparent gemacht?“, fragte Koller. Insbesondere müsse über die Themen Brandschutz und Statik offen informiert werden bevor eine Entscheidung für einen Neubau fallen könne, betonte der Stadtverordnete, der die BfB auch im Bau-, Umwelt- und Planungsausschuss der Stadt vertritt.
„Jetzt liegt der Ball bei Ihnen, Frau Klein, Sie müssen das jetzt entscheiden – eine schwere Hypothek. Wir wollen einen Aufschub bis Sie sich eingearbeitet haben.“ Für die Abstimmung beantragte Koller das namentliche Votum aller Parlamentarier.
„Es geht hier um einen Bebauungsplan um baurechtliche Dinge festzulegen“
„Es geht hier nicht um die Frage Sanierung, Abriss, Aufstockung oder Neubau, es geht hier um einen Bebauungsplan um baurechtliche Dinge festzulegen, und um nichts anderes“, hielt CDU-Sprecher Feridun Bahadori entgegen.
Die Sparkasse Bensheim habe sich an die Stadt gewandt mit dem Begehren, dass dort ein modernes, zukunftsorientiertes Gebäude – wie auch immer – entstehen könne. Diesem Begehren wolle man nachkommen, „um die Leitplanken zu schaffen, damit sich die Sparkasse den Anforderungen der Zukunft in Bezug auf Gebäude erfolgreich stellen kann“.
Ausdrücklicher Wunsch, dass die Sparkasse da bleibe, wo sie war und wo sie ist
Alle wollten schließlich, dass die Sparkasse in der Innenstadt „und in exponierter Lage gegenüber dem Tor zu unserer Stadt, dem Bahnhof, für alle optisch gut sichtbar bleibt“. Deshalb hielten es die Christdemokraten geboten, diesen Beschluss so zu fassen.
Alle Banken müssten sich auch in Zukunft flexibel an die Marktsituationen anpassen. Das schließe auch ein, dass ein Gebäude diesen Anforderungen gerecht werden könne. Es sei im Konsens mit der überwiegenden Zahl der Bevölkerung ausdrücklicher Wunsch der CDU-Fraktion, dass die Sparkasse da bleibe, wo sie war und wo sie ist.
„Entscheidung über Sanierung oder Abriss und Neubau Sache des operativen Vorstandes“
„Ob sich die Sparkasse für eine Sanierung, Aufstockung, Erweiterung oder Abriss und Neubau entscheidet, ist eigentlich nur Sache des operativen Vorstandes der Sparkasse Bensheim.“ Ob für die Entscheidungsfindung Gutachten zu Statik und Brandschutz herangezogen würden, sei nicht Parlamentsaufgabe, sondern die Aufgabe des operativen Vorstandes.
Er sei überzeugt, dass man nicht alles abreißen müsse und bautechnisch sicher mit dem Bestand etwas anzufangen sei, „aber diese Entscheidung liegt nicht bei uns“, sagte Bahadori.
„Möchte als Stadtverordneter nicht die Arbeit des Sparkassenvorstandes machen“
Dies sei weder Angelegenheit der Stadtverordnetenversammlung, und bei allem Respekt vor dem Amt der neuen Bürgermeisterin, entscheide das auch nicht Christine Klein, „denn Sie werden Vorsitzende des Verwaltungsrats und nicht der Vorstand der Sparkasse“.
Insofern brauche man sich auch nicht die Gutachten zum Sparkassengebäude anzuschauen. „Ich möchte als Stadtverordneter nicht die Arbeit des Sparkassenvorstandes machen.“
Den Änderungsantrag, der nicht sachlich begründet sei, „lehnen wir ab, der Verwaltungsvorlage stimmen wir zu, damit die Sparkasse soviel Freiheit bekommt, die sie braucht, um es so machen zu können wie sie es braucht. Die Entscheidung liegt bei denen.“
„Natürlich ärgert das Verfahren die Bürger und auch uns“
Er habe wenig Verständnis dafür, wenn jemand in der jetzigen Situation über Sinn oder Unsinn der letzten zwei oder drei Jahre Sparkassengeschichte rede. „Natürlich ärgert das Verfahren die Bürger und auch uns“, sagte SPD-Sprecher Moritz.
„Umzug, Abriss, Teilabriss, dann doch kein Abriss, Ausgliedern, Eingliedern oder doch zurück, ist zu kurz gefasst. Wir beschließen einen Bebauungsplan und geben damit mehr Möglichkeiten.“ Oberstes Ziel müsse es sein, die Sparkasse in der Innenstadt zu halten und damit zu kräftigen.
„Auch nach dem heutigen Beschluss hat es die Sparkasse noch immer selbst in der Hand.“ Und auch die neue Bürgermeisterin sowie der Wunsch mancher Fraktion könnten selbst nach dem Bebauungsplan-Beschluss noch mit Sachverstand in den zuständigen Gremien wirken.
Seine Fraktion habe den ursprünglichen Neubau mit über 40 Millionen Kosten von Anfang an immer kritisch gesehen, sagte Moritz. Den BfB-Änderungsantrag lehne seine Fraktion ab, der Verwaltungsvorlage stimme man zu.
„Der vorliegende Entwurf verzichtet weitgehend auf städtebauliche Gestaltung“
Normalerweise habe die Stadt ihre städtebaulichen Vorstellungen in einem Bebauungsplan zum Ausdruck zu bringen und zu fixieren, verdeutlichte Dr. Thomas Götz für die GLB.
„Der vorliegende Entwurf wird diesem Anspruch allerdings nur ansatzweise gerecht. Er verzichtet weitgehend auf die städtebauliche Gestaltung. Deutlich wird das beispielsweise darin, dass die angedachte Wohnbebauung in diesem Karree nicht mitgeplant wird.“
„Wechsel von Rolf Richter zu Christine Klein sollte zu einer Denkpause genutzt werden“
Vieles spräche für einen vorhabenbezogenen Bebauungsplan, aber dafür läge hier ebenfalls kein detaillierte Abstimmung vor. „So sollte der Wechsel von Rolf Richter zu Christine Klein im Verwaltungsrat zu einer Denkpause genutzt werden“, sprach sich Götz für die Annahme des BfB-Antrags aus.
Sie jüngste Aussage, dass Abriss des Gebäudes und Neubau alternativlos seien, sollte noch einmal auf den Prüfstand gestellt werden, denn „die neue strategische Ausrichtung der Sparkasse“ könne neue Anforderungen an das Verwaltungsgebäude mit sich bringen.
„So spricht vieles gegen eine Verabschiedung des Bebauungplans hier und heute.“ Dennoch solle man alles dafür tun, dass die Präsenz der Sparkasse in der Bensheimer Innenstadt gesichert bleibt.
„Bauabsicht der Sparkasse von Märchen umgeben“
Die Baugeschichte der Sparkasse sei an sich schon traurig genug, konstatierte Jascha Hausmann für die FDP-Fraktion. Sie sei von >Märchen< umgeben. Das erste Märchen, das er höre sei „wenn wir jetzt nicht handeln, verlieren wir Zeit“.
Eine Planung liege bis dato nicht vor. „Man könnte glauben, dass es auch mit der Veränderung in der Geschäftsführung und dann auch im Verwaltungsrat zu tun hat.“ Der Verwaltungsrat kontrolliere den Vorstand.
„Wer hier etwas verzögert hat war die Sparkasse und nicht wir“
Von daher mache es durchaus Sinn den Bebauungsplan zurückzustellen, „bis Frau Klein den Verwaltungsratsvorsitz übernommen hat.“ Dann solle die Sparkasse ihre Planung vorlegen. „Und dann machen wir einen vorhabenbezogenen Bebauungsplan.
„Wer hier etwas verzögert hat war die Sparkasse und nicht wir“, erinnerte Hausmann an den baupolitischen Schlingerkurs in der jüngsten Firmengeschichte der Bensheimer Sparkasse. Er habe nochmal nachgeschaut, weil schon so lange her, und bestätigt gefunden, Fantasia sei gerettet. Vielleicht erfahre Bensheim diese Rettung ja auch noch, spöttelte Jascha Hausmann.
Abriss des Sparkassen-Gebäudes am Bahnhof sehr wohl im Bebauungsplan enthalten
Rolf Kahnt bezeichnete die Sparkasse als „unverzichtbaren Bestandteil Bensheims, „der erhalten bleiben muss“. Der AfD-Sprecher sei zuversichtlich, dass die Sparkasse, nach der erfolgten Kritik, eine vernünftige Planung vornehmen werde, warb Kahnt um Vertrauen dafür, „dass die Sparkasse das macht, was machbar ist“.
Der Abriss des bestehenden Sparkassen-Geschäftsgebäudes am Bahnhof sei sehr wohl schon im Bebauungsplan enthalten, widersprach Dr. Rolf Tiemann (FWG) der Aussage von CDU-Sprecher Feridun Bahadori, es gehe hier um einen völlig ergebnisoffenen Bebauungsplan und signalisierte Zustimmung zum BfB-Änderungsantrag.
Es gehe hier wohl nur um die Notbremse, die von der Sparkasse nach ihrem zwischenzeitlich geplanten Umzug an den Berliner Ring betätigt werde, keineswegs aber um einen eilbedürftigen Bebauungsplan, konstatierte FDP-Fraktionschef Holger Steinert.