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KOMMENTAR: Im Bensheimer Rathaus den Schuss nicht gehört

Seit 01. Dezember 2020 liegt der Bensheimer Stadtverwaltung und hier namentlich dem städtischen Bauteam um Erste Stadträtin und Baudezernentin Nicole Rauber-Jung der politische Auftrag vor, einen städtebaulichen Ideenwettbewerb für den Bensheimer Marktplatz auszuloben.

Dieser, mit einer Vier-Fünftel-Mehrheit auf CDU-Antrag gefasste Beschluss, sollte den jahrelang offen ausgetragenen Streit um das zwischenzeitlich abgerissene Haus am Markt und die Neugestaltung der Ostseite des Bensheimer Marktplatzes befrieden, wartet jedoch nach vierzehn langen Monaten noch immer auf seine Umsetzung.

Der Parlamentsbeschluss resultiert insbesondere auf dem von der Bürgerinitiative >Bensheimer Marktplatz besser beleben< vor dem Verwaltungsgericht erstrittenen und dann erfolgreichen Bürgerbegehren als Basis für einen Bürgerentscheid.

Stadtverordnetenversammlung trat BI-Forderung bei

Dieser orientierte sich bekanntlich ausschließlich am Ergebnis eines 2019 durchgeführten Bürgerdiaologs mit den Optionen 0-, 1- und 2-geschossige Bebauung des östlichen Marktplatzes und wurde mit dem gefassten sogenannten Abhilfebeschluss obsolet, indem die Stadtverordnetenversammlung dieser BI-Forderung beitrat.

Die Umsetzung dieses Beschlusses freilich wird seit nunmehr vierzehn Monaten von Rauber-Jung und ihrem städtischen Bauteam verweigert, ja regelrecht torpediert.

Statt diesen zügig umzusetzen, zauberte die Stadtspitze mit dem >Bensheimer Weg< im April vergangenen Jahres ein neues Konstrukt aus dem Hut, mit dessen Hilfe der Parlamentsbeschluss realisiert werden sollte.

>Bensheimer Weg< als Umsetzungshilfe zum Ideenwettbewerb einstimmig beschlossen

Diesen in Bensheim kreierten vermeintlichen „Königsweg“ ließ sich die Stadtverwaltung noch einmal durch das Parlament absegnen. Und so beschlossen die Stadtverordneten am 15. Juli vergangenen Jahres – diesmal sogar mit einstimmigem Votum – den >Bensheimer Weg< zur zeitnahen Umsetzung des städtebaulichen Ideenwettbewerbs zu beschreiten.

Es wurden in der Folge von der Stadtspitze innerhalb des >Bensheimer Wegs< verschiedene Teams „mit verwaltungsgenehmer Besetzung“ gebildet, die dem offenbar überforderten städtischen Bauteam den Weg zu einer vernünftigen Ausschreibungs-Lösung aufzeigen sollten.

Insbesondere blieb - neben der Mitwirkung verwaltungsnaher Personen im Empfehlungsteam - die aktive Rolle führender Köpfe der städtischen Tochter >Marketing- und Entwicklungsgesellschaft Bensheim< in Steuerungsteams mehr als fragwürdig.

Basics waren schon im Bürgerdialog 2019 erarbeitet

Nachdem die Basics ja schon im mit 20.000 Euro aus städtischen Mitteln finanzierten Bürgerdialog 2019 fixiert waren, und diese ja auch das unumstößliche Fundament des Bürgerbegehrens bildeten, sollte jetzt also erneut das sogenannte Empfehlungsteam des >Bensheimer Wegs< den städtischen Protagonisten auf die fachlich wackligen Beine helfen.

Das Anfang Oktober vergangenen Jahres präsentierte Ergebnis war dann allerdings keineswegs der Weisheit letzter Schluss, denn es offenbarte statt eines Fortschritts für den Ideenwettbewerb nur den Vorschlag für einen Verfahrenswechsel.

Werkstattverfahren statt Ideenwettbewerb lautete das Beratungsergebnis

Werkstattverfahren statt städtebaulichem Ideenwettbewerb lautete nach mehrmonatiger Beratung die finale Forderung, die das Procedere nach Ansicht des Empfehlungsteams deutlich beschleunigen sollte.

Kein wirkliches Highlight angesichts der schon bei der Presse-Präsentation geäußerten juristischen Hürden für einen solchen Verfahrenswechsel.

Es kam wie es zwangsläufig kommen musste, die Zulässigkeit einer solchen Änderung wurde anschließend juristisch abgeklopft (warum erst nach der Präsentation, bleibt das unergründliche Geheimnis der Stadtspitze) und zum Jahresende, nach weiteren drei Monaten Zeitverzug, kam das vernichtende Urteil für die städtischen Protagonisten aus dem Hessischen Innenministerium, dem obersten kommunalen Aufsichtsgremium.

„Einmaliger Vorgang in Hessen - bei dem einem ja fast schwindelig wird“

Von einem „einmaligen Vorgang in Hessen - bei dem ganzen Hin und Her einem ja fast schwindelig wird“ ist dort u.a. die Rede, verbunden mit der dringenden Warnung vor einem bestehenden Klagerisiko für die Stadt Bensheim durch die BI und/oder deren Unterstützer bei dem beabsichtigten Verfahrenswechsel.

Ulrich Dreßler, Referatsleiter Kommunalaufsicht u.a. im Innenministerium, zeigte weiter auf, „die Stadt sollte auch nicht allzu sehr auf Zeit spielen und möglichst bald und möglichst klar zu erkennen geben, was sie denn nun wirklich will“.

„Abhilfebeschluss nicht durch Aussitzen unterlaufen“

Eine Stadt, die bei einem Bürgerentscheid verloren habe, könne diese Entscheidung nicht unterlaufen, in dem sie drei Jahre lang gar nichts tue. „Genauso wenig kann sie einen Abhilfebeschluss durch Aussitzen unterlaufen“, warnt der Verwaltungsjurist.

„In beiden Fällen begibt sie sich in die Gefahr, die Geduld der Vertrauenspersonen und aller Unterzeichner des Bürgerbergehrens über Gebühr zu strapazieren, ein eventuelles Gerichtsverfahren zu provozieren und damit auch Vertrauen in der Bevölkerung zu verlieren und der Politikverdrossenheit Vorschub zu leisten.“

Handlungsspielraum von Magistrat und Stadtverordnetenversammlung „eingeengt“

Er komme um die Feststellung nicht herum, sagt Dreßler, „dass wegen der ganzen Vorgeschichte der Handlungsspielraum von Magistrat und Stadtverordnetenversammlung >eingeengt< ist“.

Dringend angeraten wird den städtischen Protagonisten auch die Einbeziehung der Bürgerinitiative, als Träger des durch Abhilfebeschluss abgewendeten Bürgerentscheids.

Den >Bensheimer Weg< als „Irrweg“ erkannt

Die Vertrauensleute der BI hatten sich übrigens frühzeitig aus dem Empfehlungsteam verabschiedet, weil die Zielsetzung dieses Gremiums unklar war, dann nochmals Bürgerbefragungen stattfinden sollten, anstatt mit Experten zügig an der Umsetzung des Ideenwettbewerbs zu arbeiten. 

Selbst wenn sich der viel gepriesene >Bensheimer Weg< bei anderen Projekten als durchaus denkbarer Lösungsansatz erweisen kann, führte er in Sachen Marktplatz schnurstracks ins Nirwana.

Bürgervotum schon einmal missachtet

Schon nach dem Bürgerdialog hatte die Baudezernentin zu Jahresbeginn 2020 das abschließende Bürgervotum missachtet und aus den drei genannten Optionen die eingeschossige Variante willkürlich herausgegriffen und zur Umsetzung ausgerufen.

Offenbar sollte die Lostrommel diesmal also erneut auf Erfüllung der von Nicole Rauber-Jung und ihrem Bauteam gewünschten Ergebnis gedreht werden.

Wer aber aktuell nach dem deftigen, für die Stadtspitze an Deutlichkeit keine Wünsche offenlassenden Rüffel aus Wiesbaden glauben mochte, die vom Stadtparlament gleich doppelt gefassten Beschlüsse würden nach mehr als einem Jahr Zeitverlust nun zeitnah umgesetzt, sieht sich einmal mehr getäuscht.

Als finalen „Rettungs-Strohhalm“ angebliche Denkmalschutz-Vorgaben bemüht

Jetzt werden zur Umsetzung der penetrant unveränderten eingeschossigen Bauwünsche der Stadtspitze als finaler Rettungs-Strohhalm angebliche Denkmalschutz-Vorgaben bemüht. Mögliche Vorgaben dieser Art wurden jedoch schon im Bürgerdialog 2019 verworfen.

„Alles ist möglich, es gibt keine Denkverbote“, hatte damals die zuständige Vertreterin der Denkmalschutzbehörde vor rund 250 Bürgerinnen und Bürgern im Kolpinghaus geäußert.

Sofern Rauber-Jung dennoch das Recht verletzt sieht, bleibt die Frage weshalb sie nicht analog des Paragrafen 63 der Hessischen Gemeindeordnung innerhalb von zwei Wochen nach der Beschlussfassung vom 01. Dezember 2020 diesem Beschluss widersprechen hat.

Den Stadtverordneten-Beschluss jetzt endlich umsetzen!

Dies ist unterblieben und so sollten die Erste Stadträtin und ihr Bauteam nunmehr endlich das in Angriff nehmen, was Frau Rauber-Jung bei allen anderen ihr genehmen Projekten (siehe Großkita Fehlheim-Schwanheim oder Zugang des Kinderspielplatzes Wambolder Hof zur Lauter) liebend gerne bemüht: „Wir haben einen Stadtverordneten-Beschluss umzusetzen!“

Genau das gilt es nach nunmehr vierzehn weiteren verlorenen Monaten beim Marktplatzprojekt jetzt endlich zu realisieren - auch wenn man im Bensheimer Rathaus den Schuss offenbar noch immer nicht gehört hat, und den Komödienstadl zum Thema Marktplatz trotz eindeutiger Parlamentsbeschlüsse wohl gerne in die nächste Runde schicken will. Spätestens dann allerdings wäre die Kompetenz-Frage in Richtung Stadtspitze zu stellen.