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„Sie riskieren ihr Leben, wenn sie ausrücken!“

Die Ãœbergabe der ausrangierten Drehleiter der Bensheimer Freiwilligen Feuerwehr erfolgte an Vertreter der Wehr aus Khmelnytskyi in der Ukraine.

Bensheimer Feuerwehrleute bei der Einweisung in die Bedienung der Drehleiter für ihre Kameraden aus Khmelnytskyi. Fotos: Pressedienst Bensheim

Bensheim spendet ausrangierte Drehleiter an die Feuerwehr in Khmelnytskyi

BENSHEIM. - Sie haben Freunde im Krieg verloren, Kollegen und Kameraden. Die Hoffnung und den Mut haben die Angehörigen des staatlichen Feuerwehr- und Rettungsdienstes aus Khmelnytskyi in der Ukraine jedoch nicht verloren.

Aber die schrecklichen Ereignisse, von denen sie berichten, und die Bilder, die sie von Einsätzen zeigen, zeugen von der Brutalität und der Grausamkeit des russischen Angriffskriegs.

Eine Delegation war nun erneut in Bensheim, um ein weiteres Fahrzeug als Spende mit in die Heimat zu nehmen: die ausrangierte Drehleiter der Feuerwehr-Mitte.

Bei der Übergabe am Dienstag verdeutlichten Oberst Ruslan Dadashov, Irina Driukova und Alexandr Skakun, welchen Gefahren sich die Rettungskräfte bei ihren Einsätzen ausgesetzt sehen.

„Sie riskieren jedes Mal ihr Leben, wenn sie ausrücken“, betonte Stadtbrandinspektor Jens-Peter Karn. Auch die bisherige Drehleiter der dortigen Feuerwehr wurde beschossen und zerstört.

Khmelnytskyi liegt im Südwesten des Landes zwar 700 Kilometer von der eigentlichen Frontlinie entfernt. Aber die Stadt mit mehr als 267.000 Einwohnern sieht sich immer wieder Drohnenangriffen auf die Infrastruktur ausgesetzt, unter anderem befindet sich ein Kernkraftwerk in der Nähe.

„Es ist fürchterlich, die Bevölkerung leidet sehr“, berichtete der Auerbacher Ralph Finkenwirth. Er hilft mit seiner Familie seit zweieinhalb Jahren ehrenamtlich den Menschen in Khmelnytskyi.

Mit Vladimir Baran, der in Alsbach lebt und als Dolmetscher bei den Besuchen der Ukrainer fungiert, will er nun den Verein Ukraine Wiederaufbau-Initiative (UWI) ins Leben rufen. Der Verein befindet sich aktuell in der Gründung.

Bürgermeisterin Christine Klein dankte bei der offiziellen Übergabe allen, die sich ehrenamtlich und hauptberuflich engagieren. Der Magistrat habe ohne Wenn und Aber beschlossen, auch die Drehleiter zu spenden.

„Es ist nur ein kleiner Teil, den wir leisten können, aber das machen wir gerne – um die Menschen zu schützen und die Kolleginnen und Kollegen der Feuerwehr zu unterstützten“, so Klein.

Ihr Dank galt auch den Firmen, die mit Hilfsgütern einen wichtigen Beitrag leisten. Dazu zählt von Beginn an Peggy Matas, die Inhaberin des Parkhotels Krone in Auerbach. Dort dürfen die Gäste bei ihren Besuchen kostenlos übernachten, Verpflegung inklusive.

Neben feuerwehrtechnischer Ausrüstung wie Schläuche, Löschmittel und Werkzeug sollten ursprünglich auch 40 Werksfahrräder von Dentsply Sirona und medizinisches Material mitgeliefert werden.

Aus logistischen Gründen, die ukrainische Delegation konnte nur in einem Kombi und nicht mit einem Kleinlaster anreisen, musste dieser Transport verschoben werden. Im Hintergrund wird aber schon daran gearbeitet, die Lieferung an den Bestimmungsort zu bringen.

Das bestätigte am Dienstag Jürgen Pfliegensdörfer vom Bensheimer Team Tour der Hoffnung. Gemeinsam mit dem Verein Wir sind Bergstraße hat die Tour der Hoffnung nicht nur mehrere Hilfstransporte auf den Weg gebracht, sondern kümmert sich ebenso um Geflüchtete, die in Bensheim und der Region untergekommen sind.

Pfliegensdörfer sagte bei der Übergabe eine Vereinsspende in Höhe von 1500 Euro zu. Mit dem Geld können Helme und Splitterschutzwesten angeschafft werden, die die Rettungskräfte dringend brauchen.

Der kurze Aufenthalt der Gäste aus Khmelnytskyi zeigte erneut, wie groß und stabil das lokale Hilfsnetzwerk mittlerweile geworden ist. Es wird Hand in Hand für die gute Sache gearbeitet. Für die Bensheimer Feuerwehren ist das Engagement eine „Herzensangelegenheit“, erklärte Bürgermeisterin Klein.

Stadtbrandinspektor Jens-Peter Karn freute sich erneut, ein voll einsatzfähiges Fahrzeug übergeben zu können. „Hier bei uns hat es viele Menschenleben gerettet. Ich hoffe, dass es bei Euch auch viele Leben retten kann.“

Zwei Tage wurde Maschinist Alexandr Skakun intensiv von den Bensheimer Kameraden geschult. Die Verständigung lief über Dolmetscherin Tetiana Parkhomenko, aber die Experten auf beiden Seiten kamen auch ganz ohne Worte aus. „Feuerwehr ist international.

Da sitzen die Handgriffe, selbst wenn man nicht die gleiche Sprache spricht“, bestätigte Karn. In Khmelnytskyi wird Skakun vier weitere Personen an der Drehleiter ausbilden.

Oberst Ruslan bedankte sich in einer kurzen Ansprache für den Einsatz der Bensheimerinnen und Bensheimer. Das Fahrzeuge werde Leben retten, daher sei es wichtig, schnell damit zurück nach Hause zu kommen.

Irina Driukova überreichte Gastgeschenke, darunter Honig und eine Flagge, sowie Präsente des Bürgermeisters von Khmelnytskyi. „Wir sind zu Freunden geworden. Und ich hoffe, dass wir nach dem Krieg Freunde bleiben können“, brachte sie ihre Verbundenheit zum Ausdruck.

Der 16 Jahre alten Allegra Finkenwirth, die im Herbst 2022 den Impuls für die Fahrzeugspenden gab (siehe Infobox), sagte sie: „Du bist ein Vorbild für andere junge Menschen.“

Am Mittwoch brach das Trio in den frühen Morgenstunden auf. Vor ihnen lag eine 26-stündige Fahrt ohne große Pausen. Khmelnytskyi liegt etwa 1.600 Kilometer von Bensheim entfernt.

„Ihre Befehle sind eindeutig, sie müssen rechtzeitig zurück sein, um nicht als fahnenflüchtig zu gelten“, bemerkte Jens-Peter Karn. Bürgermeisterin Christine Klein wünschte eine gute Heimreise. „Kommen Sie gesund zu uns zurück“, gab sie den Gästen mit auf den Weg.

Denn es dürfte vermutlich nicht das letzte ausrangierte Bensheimer Feuerwehrfahrzeug gewesen sein, das sich auf den Weg in die Ukraine macht.

Infobox:

Der Kontakt nach Khmelnytskyj besteht seit dem ersten Hilfstransport im Oktober 2022. Die Familie Finkenwirth aus Auerbach beziehungsweise deren Tochter Allegra, die bei der Auerbacher Jugendfeuerwehr im Einsatz ist, hatte den Kontakt hergestellt.

Die mittlerweile 16 Jahre alte Schülerin hatte vom ehemaligen Au-pair-Mädchen der Familie, Anastaia Opalink, erfahren, dass die Feuerwehr in deren ukrainischen Heimat, bei der ihr Onkel arbeitet, dringend ein Fahrzeug braucht.

Der Magistrat beschloss daraufhin die Weitergabe eines ausrangierten, aber runderneuerten Tanklöschfahrzeugs der Auerbacher Feuerwehr. Seitdem erhält die Bensheimer Feuerwehr regelmäßig Informationen über die dramatische Lage vor Ort.

Die Verantwortlichen erreichen immer wieder Hilfeersuchen des staatlichen Feuerwehr- und Rettungsdienstes aus Khmelnytskyj.

Im Frühjahr 2023 folgte als weitere Spende ein ausgemustertes Tanklöschfahrzeug der Werksfeuerwehr von Dentsply Sirona. Zuletzt war im Oktober eine Feuerwehr-Delegation aus der ukrainischen Region in Bensheim, um das ehemalige Tragkraftspritzenfahrzeug der Feuerwehr Gronau entgegenzunehmen.

Außerdem konnten den Kameradinnen und Kameraden die alte Drehleiter der Feuerwehr Mörfelden-Waldorf zur Verfügung gestellt werden.

Die Vereine Wir sind Bergstraße und das Team Bensheim der Tour der Hoffnung, die als eingespieltes Doppel seit Beginn des russischen Angriffskriegs im ehrenamtlichen Dauereinsatz sind, konnten über Spenden die Finanzierung sicherstellen.

Nun folgt die „alte“ Bensheimer Drehleiter (Baujahr 1996), die an die Kameradinnen und Kameraden in Khmelnytskyi gespendet wird.

Das Fahrzeug hat noch einen Restwert von 17.000 Euro. Die Stadt Bensheim hatte im vergangenen Jahr eine neue Drehleiter angeschafft, die seit Anfang 2024 im Einsatz ist.