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>Haus am Markt<: „MietvertrĂ€ge nur einseitig unterschrieben“

Stein des Anstosses: Das 6,8 Millionen Euro teure Neubauprojekt >Haus am Markt< am Bensheimer Marktplatz. Foto: er

Ungereimtheiten um ZustÀndigkeiten in stÀdtischen Bensheimer Gremien und ihrer Tochter MEGB zum 6,8-Millionen-Projekt am Marktplatz

BENSHEIM. - Das >Haus am Markt< in Bensheim ist gerade einmal 40 Jahre alt und soll nach dem mehrheitlichen politischen Willen der StadtvÀter abgerissen und durch einen 6,8 Millionen teuren Neubau ersetzt werden.

Aktuell werden dazu Fakten bekannt, die den politischen Weg zu diesem Projekt jedoch in einem zweifelhaften Licht erscheinen lassen.

BĂŒrgermeister Rolf Richter (CDU) prĂ€sentierte am Donnerstag, 31. Januar, gemeinsam mit seinem Bruder Helmut Richter, GeschĂ€ftsfĂŒhrer der stĂ€dtischen Tochter >Marketing- und Entwicklungsgesellschaft mbH< (MEGB), sowie den beiden hauptamtlichen Magistratsmitgliedern, Erster Stadtrat und Baudezernent Helmut Sachwitz (CDU), und Finanzdezernent Adil Oyan (GRÜNE Liste Bensheim, GLB) die aktuellen PlĂ€ne.

Drei „MietvertrĂ€ge“ ohne Gegenzeichnung

Mit dem >Cafe Extrablatt< als Mieter des Erdgeschosses im Zukunftsprojekt sowie der heimischen Familienberatung (1. Obergeschoss) und Hospiz-Verein (2. OG) wurden zeitgleich drei Mieter des kĂŒnftigen Neubaus im Zentrum der Stadt vorgestellt (siehe FACT-Bericht unter: www.de-fakt.de/bundesland/hessen/kreis-bergstrasse/details/?tx_ttnews).

Jetzt erscheint diese Mitteilung in einem völlig anderen Licht. Auf FACT-Nachfrage beim Magistrat der Stadt, teilte Pressesprecher Matthias Schaider aktuell mit: „Es wurden bisher lediglich einseitig von den Mietern unterzeichnete MietvertrĂ€ge vorgelegt.“

„Alles andere kaum vorstellbar“

Damit werden Kritiker bestĂ€tigt, die seither schon vermuteten, die von der Stadtverwaltung prĂ€sentierten „MietvertrĂ€ge“ seien lediglich AbsichtserklĂ€rungen ohne Rechtskraft. „Vor dem Hintergrund einer noch nicht einmal erteilten Baugenehmigung geschweige denn des geplanten Neubaus wĂ€re alles andere auch kaum vorstellbar“, sagte ein sachkundiger Jurist.

Zu dem im Eilverfahren Ende Januar vorangetriebenen Abriss- und Bauantragsverfahren noch vor der am Donnerstag, 14. Februar, terminierten Stadtverordnetenversammlung, erklĂ€rte der stĂ€dtische Pressesprecher: „Es gibt einen Beschluss der Stadtverordnetenversammlung, in dem festgelegt wird, dass das Haus am Markt an die MEGB verĂ€ußert wird.

„Erneute Beteiligung nicht erforderlich“, Gremium befasst sich dennoch mit der Thematik

Im Zuge dessen wurde auch die Projektentwicklung auf die MEGB ĂŒbertragen. Die Stadtverordnetenversammlung hat der MEGB somit das Projekt Haus am Markt ĂŒbertragen, wodurch die Gremien der MEGB darĂŒber zu entscheiden haben.

Im Übrigen: Der Verlustausgleich, den die Stadt Bensheim an die MEGB fĂŒr die Anmietung förderungswĂŒrdiger Vereine leistet, steigt durch die Erhöhung der Baukosten nicht. Eine erneute Beteiligung der stĂ€dtischen Gremien ist somit grundsĂ€tzlich nicht erforderlich.“

Fragen wirft vor diesem Hintergrund indes auch die folgende Aussage aus dem Bensheimer Rathaus auf: „UnabhĂ€ngig davon, ob eine Befassung der Stadtverordnetenversammlung erforderlich wĂ€re, befasst sich das Gremium in der Sitzung am kommenden Donnerstag (Anm. d. Redaktion: 14.02.2019, 18 Uhr) erneut mit der Thematik.

„JĂ€hrlicher Verlustausgleich von 60.000 Euro wird nochmals bestĂ€tigt“

Im Zuge dessen wird der bereits beschlossene Verlustausgleich der Stadt an die MEGB in Höhe von jĂ€hrlich 60.000 Euro nochmals bestĂ€tigt.“

Nebulös liest sich auch die Antwort, die FACT dazu vom DarmstĂ€dter RegierungsprĂ€sidium (RP) zu dieser Thematik erhielt: „Dem Magistrat obliegt es, die Stadtverordnetenversammlung ĂŒber wichtige Sachverhalte und Entwicklungen zu unterrichten.

Der Stadtverordnetenversammlung wiederum obliegt es, im Rahmen der kommunalen Selbstverwaltung darĂŒber zu befinden, ob der bisherige Beschluss einer ErgĂ€nzung bedarf, ob ein gĂ€nzlich neuer Beschluss gefasst werden muss oder ob kein weiterer Beschluss erforderlich ist“, teilt RP-Pressesprecher Christoph SĂŒĂŸ auf Anfrage allgemeingĂŒltig mit.

Zum konkreten Fall erlĂ€utert er weiter: „Der bisherige Beschluss nennt nicht ausdrĂŒcklich eine festgelegte Obergrenze, sondern nennt die fĂŒr das Projekt veranschlagten Kosten.“

Projektkosten um 1, 7 Millionen auf 6,8 Millionen Euro gestiegen

Dieses Faktum ist gleichwohl völlig unstrittig. Allerdings beliefen sich die zum Beschlusszeitpunkt projektierten Kosten auf 5,1 Millionen Euro, sind zwischenzeitlich jedoch gemĂ€ĂŸ neuer Planung auf 6,8 Millionen Euro gestiegen. Diese Erhöhung sehen befragte Verwaltungsjuristen ebenso als Knackpunkt, wie die im Gesellschaftsvertrag der Stadt Bensheim mit ihrer 100-Prozent-Tochter MEGB verankerten Richtlinien.

Dort ist in § 6, Abs. 4 fixiert: „Alle GeschĂ€fte und Handlungen, welche die Vermögens-, Finanz- und Ertragslage der Gesellschaft beeinflussen oder die besonders risikobehaftet sind, bedĂŒrfen der vorherigen Zustimmung der Gesellschafterversammlung.“

Magistrat ist zustimmungspflichtig, darf ...

Weiter ist in diesem Vertrag geregelt: „Der Gesellschafterversammlung gehören neben dem BĂŒrgermeister sĂ€mtliche Mitglieder des Magistrats als weitere Vertreter an.“ Auf dieser Basis wĂ€re analog des Gesellschaftsvertrages und der RP-Auskunft also der Magistrat der Stadt Bensheim zu den aktuell um 1,7 Millionen Euro erhöhten Kosten fĂŒr das Neubauprojekt vor Bauantragstellung vorab zustimmungspflichtig gewesen.

... aber nur bis 30.000 Euro frei entscheiden

SpĂ€testens an dieser Stelle sehen namhafte Verwaltungsjuristen jedoch das stĂ€dtische Parlament wieder gefordert. Der Magistrat der Stadt Bensheim nĂ€mlich kann gemĂ€ĂŸ der eigenen GeschĂ€ftsordnung (§ 3, b, 2) projektbezogen lediglich bis maximal 30.000 Euro frei entscheiden.

Weiter ist in diesem Passus geregelt, dass bei einem Aufwand zwischen 20.000 und 30.000 Euro sogar „die Zustimmung der zustĂ€ndigen AusschĂŒsse einzuholen ist“.

Fakt ist allerdings, dass weder in der jĂŒngsten Sitzung des Haupt- und Finanzausschusses vom 04. Februar eine Zustimmung zu den aktuell projektierten Kosten von 6,8 Millionen Euro fĂŒr das Projekt >Haus am Markt< erfolgte, noch eine entsprechende Verwaltungsvorlage auf der Tagesordnung zur Stadtverordnetenversammlung am Donnerstag, 14. Februar, zu finden ist.