Die Sanierung der Alten Gerberei liegt im Zeitplan

Die Alte Gerberei, in der das Varieté-Theater Pegasus mehrere Jahre mit internationalen Künstlern Besucher aus der Region Bergstraße-Odenwald und weit darüber hinaus anlockte, wird derzeit für die übergangsweise Unterbringung der städtischen Bibliothek Bensheim umgebaut. Foto: Pressedienst Bensheim
BENSHEIM. - Die Alte Gerberei ist zurzeit eine Baustelle. Vor dem Einzug der Bensheimer Stadtbibliothek muss das denkmalgeschützte städtische Gebäude an der Platanenallee saniert und vorbereitet werden, um als Haus der Bücher eröffnen zu können.
Dies bedarf allerdings einer guten Planung und Vorbereitung sowie einem schonenden Umgang mit der alten Bausubstanz.
Von einer „Sanierung mit viel Feingefühl“, spricht Architektin Nicole Fabian, Technische Leiterin im Team Gebäude und Freiflächen, daher bei einem Ortstermin.
Die Arbeiten werden von den beauftragten und zumeist ortsansässigen Firmen umsichtig umgesetzt. Aktuell laufen die Elektroarbeiten – einer der größten und kostenintensivsten Punkte auf der Aufgabenliste.
Die Elektrik muss aus den 1990er Jahren in die Gegenwart geholt werden, sprich: Die alten, maroden Leitungen müssen raus und durch neue ersetzt werden.
Darüber hinaus wird die Beleuchtung auf energiesparende und kostengünstige LED umgerüstet – ohnehin brauch es für den Betrieb einer Bibliothek mehr Licht als bisher vorhanden, heißt es in einer Pressemitteilung der Stadtverwaltung.
Obwohl das Vorhaben aufwendig und die Herausforderungen mitunter vielfältig sind, liegen die Arbeiten sehr gut im Zeitplan. Von unangenehmen Überraschungen blieb man bisher ebenso verschont wie von Lieferengpässen. Innerhalb der historischen Mauern geht es spür- und sichtbar voran.
Ein großes Gerüst dominiert den ehemaligen Zuschauerraum, aus dezenten Deckenauslässen hängen (neue) Kabel. Die Theke des ehemaligen Varietés wurde entfernt, das fehlende Parkett darunter wird noch ergänzt.
Künftig haben in diesem Bereich in weiteren Regalen 2.400 zusätzliche Medien Platz. Spannender Nebeneffekt der Arbeiten: Hinter der Wandverkleidung kam überraschend ein weiteres Fenster zum Vorschein.
Parallel zu den Elektroarbeiten werden von einer Sanitärfirma drei Heizkörper ausgetauscht, die nicht mehr weiterverwendet werden können. In Vorbereitung befinden sich zudem die Tischlerarbeiten.
Die Sitzstufe vor der Bühne wurde im Detail ausgearbeitet, verwendet wird ein strapazierfähiges Buchenholz – auch weil der Bereich als Spielebene für Kinder genutzt werden soll.
Die Bühne selbst wird zum Reich der Kinder mit viel spannender Literatur zum Stöbern. Die Zeichen und Belastungen der Zeit sind aber auch an der Bühne nicht folgenlos vorübergegangen.
Um die Fläche aufzubereiten, wird jedoch keine Firma beauftragt. Die Veranstaltungsmeister des Parktheaters, die Erfahrung in der Pflege der Bretter haben, die die Welt bedeuten, unterstützen tatkräftig die Arbeiten.
Sie standen auch beratend zur Seite bei Fragen der Akustik. Weil teure Paneele keine Alternative waren und der alte Bühnenvorhang aus Alters- und Brandschutzgründen nicht verwendet werden darf, schlugen die Fachleute aus dem Parktheater einen kostengünstigen Moltonstoff vor.
„Wir sind sehr dankbar für die Unterstützung. Hier wird teamübergreifend zusammengearbeitet, um das Projekt voranzubringen“, freut sich Nicole Fabian.
Das Projekt soll im Sommer zum Abschluss kommen und der Stadtbibliothek eine neue temporäre Heimat mit viel Charme und besonderem Ambiente bieten.
Auf der Galerie stehen den Besuchern dann Sachmedien und Zeitschriften sowie Lern- und Leseplätze zur Verfügung. Darüber hinaus befindet sich dort ein Büro für die Mitarbeitenden der Stadtbibliothek.
Zwei Arbeitsplätze mit Internetzugang und Recherchemöglichkeit im Bibliothekskatalog sind ebenfalls auf der Galerie vorgesehen.
Voraussichtlich mehr als 12.000 Bücher, Zeitschriften, CDs, DVDs und Tonies finden dann in der neuen, zentral gelegenen Heimat der Stadtbibliothek Platz. Im Saal stehen Romane zur Ausleihe bereit, auf der Bühne die Kinderliteratur.
Ein Terminal, an dem die Nutzer ihre Bibliotheksausweise einlesen und Medien selbst verbuchen können, wird ebenfalls im Erdgeschoss installiert.
Während in der Alten Gerberei die Handwerker sich die Klinke in die Hand geben, planen Stadtkultur und Fachteam im Rathaus die Unterbringung der Medien.
Ein Teil der Bücher wird künftig in der Alten Feuerwache des Museums, nur wenige Meter entfernt vom neuen Standort, in Rollregalen gelagert. Auch Räume in der Alten Post können nach einer Brandschutzertüchtigung durch den Vermieter als Lager genutzt werden.
Dort können die hochwertigen Regale aus dem Obergeschoss der bisherigen Bücherei im Neumarkt-Center aufgebaut werden. Das Team der Stadtbibliothek beschäftigt sich bereits intensiv mit den Vorbereitungen für den Umzug.
Was auch bedeutet, den Bestand durchzuschauen, auszusortieren und zu entscheiden, ob die Bücher direkt in die Alte Gerberei zur Ausleihe kommen oder zunächst in eines der beiden Magazine.
Das Team der Stadtbibliothek sortiert jedoch nicht nur den Bestand aus, sondern ist darüber hinaus mit der Bestellung und Einarbeitung neuer Medien für die Wiedereröffnung befasst.
Hinzu kommt die Durchführung der verschiedenen Veranstaltungsreihen, die trotz Schließung der Einrichtung im Neumarkt-Center weiter erfolgreich und mit einer positiven Resonanz angeboten werden.
Auch bei der Planung und Ausführung der Umbauarbeiten bringen die Mitarbeitenden sich mit ihrem bibliotheksspezifischen Wissen aktiv ein.
Aktuelle Infos zur Stadtbibliothek und ihrem Angebot unter www.stadtkultur-bensheim.de, auf der Facebook-Seite der Stadtkultur oder auf der Startseite des WebOPAC https://webopac.winbiap.de/bensheim.
Hintergrund: Die Alte Gerberei in Bensheim kann auf eine wechselvolle Geschichte zurückblicken. Sie wurde 1873 als Rindenmagazin mit Gerberwerkstätte durch den Rotgerber Philipp Franz Müller gebaut.
In einem Rindenmagazin wurden die angelieferten Baumrinden gelagert, die dann gemahlen für den Gerberprozess gebraucht wurden. Rotgerber verarbeiteten mit fein gemahlener Baumrinde, meistens Eiche oder Fichte, Tierhäute zu Leder. Mit Eichenlohe gegerbtes Leder ist rot bis braun, daher leitete sich die Berufsbezeichnung ab.
Die Gerberei an der Lauter wurde 1915 an die Großherzogliche Weinbaudomäne verkauft. Nach dem Ersten Weltkrieg ging sie in den Besitz der Verwaltung der Staatsweingüter über, die das Gebäude jahrzehntelang als Wohnung und Weinlager nutzte.
1990 kaufte die Stadt Bensheim das Anwesen und ließ es 1995 komplett sanieren. Ein Jahr später eröffnete dort das Varieté-Theater Pegasus.