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Bensheimer Marktplatz: Harsche Kritik an den „Richter-Brüdern“

Manfred Kern, Bürgermeisterkandidat der GRÜNEN Liste Bensheim (GLB), kritisiert bei einer Kundgebung auf dem Marktplatz den auch nach einem Jahr noch nicht beseitigten Bauschutt am Platz des früheren Hauses am Markt. Der Hobbymusiker besang auch die >never ending story< Haus am Markt.

Ein riesiges Trümmerfeld erinnert an das ehemalige Haus am Markt, das vor Jahresfrist abgerissen wurde.

Doris Sterzelmaier, Fraktionschefin der GLB im Bensheimer Stadtparlament, sieht anstatt einer Belebung der Innenstadt und des Marktplatzes, „nur Stillstand“ ...

... und ein unansehnliches Trümmerfeld auf dem >Marktplatz der Zukunft<.

Dr. Rolf Tiemann (Freie Wählergemeinschaft, FWG, Bensheim) ist ebensowenig angetan von ...

... der aktuellen Geröllwüste im Zentrum Bensheims vor der Stadtkirche St. Georg. Fotos: er

„Jeder von uns ist angehalten, seinen Dreck wegzumachen, wenn er eine auch noch so kleine Baustelle betrieben hat + + + Warum gilt das in Bensheim offenbar nicht für die vom Bruder des Bürgermeisters geführte MEGB, die mit städtischem Geld gut ausgestattet ist?“

BENSHEIM. - „Nur in der Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg, als noch vieles in Schutt und Asche lag, gab es schon einmal ein ähnliches Bild wie wir es heute hier vorfinden.“ Markige Worte wie diese vom GRÜNEN Bürgermeisterkandidaten Manfred Kern gab es zuhauf am Freitagabend auf dem Bensheimer Marktplatz.

Ein Jahr nach dem Abriss des Hauses am Markt vor der Stadtkirche St. Georg erinnert im Zentrum der Stadt immer noch ein großer Schutthaufen an das ehemalige, zum Zeitpunkt des Abrisses erst 40 Jahre alte Gebäude.

Mit der Forderung „den Schutt endlich wegräumen!“ hatte die GRÜNE Liste Bensheim (GLB) auf dem oberen Marktplatz vor dem „traurigen, unansehnlichen und nur unzureichend gesicherten Trümmerhaufen“ zu einem Protest aufgerufen.

Aufgrund einer Ankündigungs-Verweigerung der Tagespresse war die Veranstaltung nur unzureichend bekannt, sodass sich nur knapp drei Dutzend Bürgerinnen und Bürger zu dem Termin eingefunden hatten.

Niemand erinnerte die MEGB an ihre Verpflichtung, den Schutt zu beseitigen

„Jeder von uns ist angehalten, seinen Dreck wegzumachen, wenn er eine auch noch so kleine Baustelle betrieben hat. Warum gilt das in Bensheim offenbar nicht für die vom Bruder des Bürgermeisters geführte MEGB, die mit städtischem Geld gut ausgestattet ist?“, rief Manfred Kern den Bürgerinnen und Bürgern zu.

Die MEGB habe den Auftrag gehabt das Haus am Markt zu bewirtschaften, was sie nach eigenen Angaben nicht erfolgreich getan hat, womit unter anderem der Abriss begründet worden sei.

„Diesen hat sie nun auch wieder nur teilweise hinbekommen – nach dem Ziehen der >Reißleine< durch den kurz erwachten Bürgermeister schlief alles wieder ein, und niemand erinnerte bis heute die MEGB an ihre Verpflichtung, ihren eigenen Schutt ordentlich zu beseitigen“, warf Kern insbesondere den hauptverantwortlichen Richter-Brüdern vor.

Das ist nicht ergebnisoffen

GLB-Fraktionsvorsitzende Doris Sterzelmaier hatte zu Beginn betont, alle wollten die Belebung der Innenstadt und des Marktplatzes, „aber wir erleben nur Stillstand“.

Im jetzt von der Stadtverwaltung ausgeschriebenen Realisierungswettbewerb sei nur ein Teil der Ergebnisse des Bürgerdialogs berücksichtigt worden. „Das ist für uns nicht ergebnisoffen.“

Auch wollten die GRÜNEN wissen, wie hoch die auf die Stadt zukommenden Kosten sind, falls der ursprüngliche Plan mit dem Cafe Extrablatt nicht realisiert werde. Bis dato habe man von der Verwaltung noch keine genaue Antwort bekommen.

So wie es jetzt ist, kann es jedenfalls nicht länger bleiben!

„Viel, sehr viel hat Bürgermeister Richter zur Belebung des Marktplatzes gesagt. Dringend und wichtig sei dies, höchste Priorität hätte es für die Stadt – und dann lässt er es seit einem Jahr so aussehen. Wie glaubwürdig ist das denn?“

Es sei selbstverständlich, dass ein Bauherr – hier die stadteigene MEGB – den Abriss eines Gebäudes zu Ende bringe. Dazu gehöre auch das Abräumen des Bauschutts. „So wie es jetzt ist, kann es jedenfalls nicht länger bleiben!“

Man sehe die MEGB als Bauherrin und Eigentümerin des Grundstücks in der Pflicht, auf eigene Kosten den Bauschutt wegzuräumen. „Der Bürgermeister hat die Aufgabe dafür zu sorgen, das dies geschieht.“

Elementare Hausaufgaben nicht gemacht

Wenn solche elementaren Hausaufgaben nicht gemacht würden, helfe auch keine neue Marke Bensheim zur Attraktivierung der Stadt. Zu den Hausaufgaben gehörten auch die Sanierung der Häuser 2 und 3 und die des früheren Kaufhauses Krämer am Marktplatz.

Das seien „überwiegend Leerstände, wo kein Mensch mehr wohnt“. Dabei werde doch Wohnraum in Bensheim dringend benötigt.

„Innenstädte werden von Menschen belebt, die dort wohnen. Es wird dringend Zeit, das sich hier etwas bewegt und der Stillstand aufhört“, forderte Doris Sterzelmaier.

Kleine Beträge im Vergleich mit bisher versenkten Millionen

Auch Dr. Rolf Tiemann erhob für die Freie Wählergemeinschaft (FWG) Bensheim Forderungen mit dem Ziel der Schuttbeseitigung. Die FWG habe einen entsprechenden Antrag zur nächsten Stadtverordnetenversammlung am 02. Juli gestellt, der durch einen Änderungsantrag der GLB in einem Punkt präzisiert worden sei.

Laut Kostenabschätzung der Stadtbaurätin Nicole Rauber-Jung erfordere die Schuttbeseitigung und Herrichtung der Baustelle zur Nutzung mehr als 50.000 Euro.

„Fachleute haben uns dagegen maximal 30.000 Euro als völlig ausreichend genannt. Dies sind kleine Beträge im Vergleich mit den in diesem Projekt bisher versenkten Millionen.“

Planungen wurden auf Biegen und Brechen vorangetrieben

Im Februar 2019 hätten die Oppositionsgruppierungen mit guten Argumenten gegen den Abriss des HaM und gegen die monströse Planung eines dreigeschossigen Gebäudes gestimmt, rief der FWG-Sprecher in Erinnerung. Zudem habe es massive Bürgerproteste gegen den Abriss des knapp 40 Jahre alten Gebäudes gegeben.

„Es half alles nichts, die Planungen wurden auf Biegen und Brechen vorangetrieben, bis der Bürgermeister nach dem vollzogenen Abriss des HaM das Verfahren stoppte und uns Bensheimern diesen Schuttberg und diesen 'schönen' Bauzaun hinterließ.

Vorschläge selektiv in Richtung eines neuen Gebäudes interpretiert

Ein sogenannter ergebnisoffener Bürgerdialog sollte es nun richten und Gestaltungsvorschläge für den Marktplatz liefern. Es sind viele gute, durchdachte Vorschläge gekommen.“

Diese Vorschläge seien jedoch selektiv in Richtung eines neuen Gebäudes interpretiert und ein entsprechender städtebaulicher Realisierungswettbewerb für ein Gebäude mit den Stimmen von CDU und SPD beschlossen worden.

„Viele Bürgerinnen und Bürger, die sich aktiv im Dialog engagiert hatten, fühlen sich dadurch von der Mehrheit der Stadtverordneten nicht ernst genommen.“

Es geht um wirkliche Bürgerbeteiligung und Mitentscheidung der Bürger

Engagierte Bürger hätten daraufhin eine BI gegründet, damit an Stelle eines Realisierungswettbewerbes ein Ideenwettbewerb durchgeführt wird, dessen Ergebnis nicht notwendiger Weise eine erneute Bebauung zur Folge haben müsse.

„Es geht dabei um wirkliche Bürgerbeteiligung und Mitentscheidung der Bürger.“ Das sei offensichtlich nicht im Interesse der Rathausspitze und der sie tragenden CDU, denn die BI sei von Anfang an diskreditiert, angegriffen und bekämpft worden.

Im Ergebnis wurde von der BI ein Verwaltungsgerichtsverfahren eingeleitet, dessen Ergebnis derzeit noch offen ist.

Absolutistisches und autokratisches Verhalten der an der Macht befindlichen CDU

„Was sind die Schlussfolgerungen aus diesem – meiner Ansicht nach – absolutistischen und autokratischen Verhalten der seit Jahrzehnten in Bensheim an der Macht befindlichen CDU und deren Verwaltungsspitze? Abwählen und sich in der Opposition regenerieren lassen!“

Viele Bürger sollten sich in den Parteien in der Kommunalpolitik engagieren, um die alten Strukturen aufzubrechen und deutlich höhere Bürgerbeteiligung zu erreichen. Der oft gehörte Spruch, >die da oben machen doch sowieso was sie wollen< gelte nur solange, „wie wir da unten sie machen lassen.

Bei der anstehenden Bürgermeisterwahl und der Kommunalwahl im kommenden Jahr haben wir Bürgerinnen und Bürger es in der Hand in dem wir wählen gehen und die etablierten Parteien aufmischen. Tun wir es einfach!“, rief Dr. Tiemann zum Protest an der Wahlurne auf.

„Wir sehen Auftrag und Chance zugleich“

Respekt für die Arbeit der Bürger könne sich nur mit der Berückichtigung aller im Bürgerdialog erarbeiteten Ergebnisse ausdrücken, betonte Gundula Bunge-Glenz, eine der BI-Vertrauenspersonen.

„Deshalb macht sich die BI stark für einen Ideenwettbewerb in dem das vollständige Ergebnis des Dialogprozesses aufgenommen wird, den Marktplatz mit oder ohne einem ein- oder mehrgeschossigen Gebäude am Standort des früheren Haues am Markt zu gestalten.“

Das gebe den Architekten mehr Spielraum für Gestaltungsideen. „So könnten wir dem Anspruch gerecht werden einen >Marktplatz der Zukunft< zu gestalten, der mehr Bensheimer 'mitnimmt' als mit der aktuellen Lösung. Wir sehen darin Auftrag und Chance zugleich.“

Nachhaltige Lösungen mit ernst gemeinter Bürgerbeteiligung und Unterstützung kreativer Experten

Damit könne der Strukturwandel bearbeitet werden, der sich in Leerständen ausdrückt, und gleichzeitig das Belebungs-Problem nachhaltig in Angriff genommen werden. „Das gelingt besser gemeinsam und mit transparenter Dialogkultur!“

Nachhaltige Lösungen seien mit ernst gemeinter Bürgerbeteiligung und mit Unterstützung kreativer Experten, vor allem aber mit einer veränderten Rolle der städtischen Verwaltung im Sinne von weniger Regulator und mehr Moderater möglich.

„Eigentlich hat dieser Ansatz 2019 mit dem Dialogprozess gut begonnen. Aber Machterhalt kann blind machen für das was nötig und möglich ist“, sagte Gundula Bunge-Glenz abschließend.

„In den letzten 10 bis 12 Jahren ist hier überhaupt nichts passiert“

Der Stadtverordnetenbeschluss vom 13. Februar dieses Jahres zur Auslobung eines Realisierungswettbewerbs mit einem eingeschossigen Gebäude sei nur damit zu erklären, dass „nur wenige Stadtverordnete und Bürger – wenn überhaupt – den Abschlussbericht des Bürgernetzwerks zum Dialogprozess gelesen haben“, kritisierte Theo Sartorius für die BI.

Der erfahrene Architekt und Städteplaner verwies auf diesen Schlussbericht, der die eindeutige Empfehlung enthält: „Der Auslobungstext sollte Aussagen zu allen drei verbliebenen Handlungsoptionen enthalten: Keine Bebauung, eingeschossiges Gebäude, zweigeschossiges Gebäude...“

Auch die Argumentation der Kaufleute, „die Innenstadt überlebt das nicht, wenn alles immer wieder in Zweifel gezogen wird und nichts passiert“ sei in diesem Zusammenhang völlig deplatziert. Fakt sei: „In den letzten 10 bis 12 Jahren ist hier überhaupt nichts passiert.“

„Gestaltungswettbewerb für eine eingeschossige Hütte mit Bierausschank und Toilette“

Die weiter im Schlussbericht aufgeführte Erkenntnis die Gastronomie habe als belebendes Element Vorrang - „allerdings mit einer regionaltypischen individuellen Note“, dann stehe das ebenfalls im Widerspruch zu dem vom Bruder des Bürgermeisters ausgehandelten Vertrag mit dem Cafe Extrablatt.

Der Gründer des Bürgernetzwerks, Dr. Hans-Peter Meister, habe es versäumt, sich in die Gestaltungsverhandlungen mit der Stadt einzubringen, sodass jetzt „ein Gestaltungswettbewerb für eine eingeschossige Hütte mit Bierausschank und Toilette“ als Auslobung zu Papier gebracht worden sei.

„Nicht die Einsicht des Bürgermeisters und die Rücksicht auf Bürgermeinung“

Es sei auch nicht die Einsicht des Bürgermeisters und die Rücksicht auf Bürgermeinung gewesen, als der Rathauschef im vergangenen Jahr die „Reißleine gezogen“ habe, sondern schlicht die fehlende und überhaupt nicht in Aussicht stehende Baugenehmigung sowie fehlendes Geld in der Stadtkasse „für dieses Sachwitz-Monstrum“, die ihn zum Umdenken bewogen hätten.

Alleine die bisherigen Kosten inklusive der Vermögensvernichtung durch den Abriss des noch völlig intakten, wenn auch sanierungsbedürftigen Hauses, beliefen ich auf über vier Millionen Euro, erinnerte Sartorius an seine im vergangenen Jahr unwidersprochene Veröffentlichung.

Vor diesem Hintergrund könne man die derzeitigen Geschehnisse im und rund um das Bensheimer Rathaus nur noch mit Humor ertragen, skizzierte Theo Sartorius die aktuellen Ereignisse.

Wie will man so den Marktplatz „beleben“?

Als Student der Architektur in Darmstadt habe er große Städtebauer kennenlernen dürfen, berichtete Manfred Kern. „Und ich habe von ihnen auch einiges gelernt. Ich weiß, dass vieles möglich ist, auch hier am Bensheimer Marktplatz.

Sozusagen von einem ansteigenden freien Platz mit oder ohne Treppe über eine Terrassenbebauung bis hin zu einem oder mehreren mehrstöckigen Gebäuden, die möglicherweise auch rechts und links stehen und in der Mitte den Blick auf das Kirchenportal, also den schönen „Schorschblick“, gewähren könnten.

Ich will mich deshalb nicht auf eine wie auch immer geartete Art der Bebauung festlegen. Und das rate ich auch den Stadtherrinnen und Stadtherren: Eure Festlegung auf willkürlich gesetzte >Eckpunkte< ist viel zu eng und lässt der Kreativität der Gestaltung keinen Raum!

„Gebt der Bürgerinitiative >Bensheimer Marktplatz besser beleben< eine Chance!“

Lasst uns die Möglichkeit schaffen für einen offenen Wettbewerb um die besten Ideen! Gebt jetzt der Bürgerinitiative „Bensheimer Marktplatz besser beleben“ eine Chance!

Lasst die Menschen in Bensheim, und zwar alle, nicht nur eine auserlesene Gruppe, in einem demokratischen Prozess an der Gestaltung dieser Stadt mitwirken!

Und bis dahin, Herr Bürgermeister und Freunde, sorgen Sie dafür, dass es zuerst einmal wirklich einen freien Blick auf die Kirche gibt – indem Sie den Dreck, der hier herumliegt und den die MEGB gemacht hat, schnellstens wegräumen lassen“, lautet die Botschaft Kerns an die Stadtspitze.