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ODENWALD-TILL: Auszug aus dem Tagebuch eines Windrads

Heute schreibt Till in seinen satirischen Geschichten aus dem Odenwald über die Jeremiade eines Windrades, das untätig rumsteht und sich nach einer kräftigen steifen Brise sehnt

ODENWALD. - 15.Oktober 2017:

Ein neuer Tag bricht an. Hoffentlich gibt es mal Wind. Woanders braust der Sturm, heia Ophelia – und hier ist tote Hose. Ich drehe mal ein wenig, damit man sieht, dass ich was tue, obwohl da eigentlich nicht viel rauskommt an Energie.

Eigentlich bringe ich erst richtig Strom, wenn der Wind bei 9m/sec weht, hier im Odenwald ist er im Schnitt höchstens bei 5m/sec. Was soll's. Meine Besitzer wollen ja eher an die Ausgleichszahlungen, der Rest ist Beiwerk.

Zwei Stunden später: Mir ist langweilig, ich stehe still. Sonne scheint, kein Wind, alles doof.

Ein Monster steht auf einem Bein,

das kann doch nur ein Windrad sein

Ich bin das Rad auf einem Bein,

gottlob, ich bin da nicht allein.

Lalalala

Ach wie dämlich, ach wie dumm,

die andern stehen auch nur stumm.

Wenn der Wind partout nicht weht,

das schönste Rad sich auch nicht dreht

Wir alle stehen einfach still,

weil der Wind nicht wehen will.

DĂĽdelschrummschrumm

Leider weht er nicht so oft,

manche hatten mehr erhofft.

Unser Ertrag ist nicht so toll,

Betreiberkonto trotzdem voll.

DĂĽdeldidei

Stunden später: Stehe immer noch still. Wer schubst mich an, dass die Lager im Getriebe nicht einseitig abhängen?

Wiederum eine Stunde später: Die Hoffnung stirbt zuletzt, ich drehe mich ganz sacht. Bringt zwar nix, schaut aber gut aus. Eigentlich war das von Anfang an klar, dass hier nicht soviel los ist.

Aber dank gut geschmierter Lobbyrädchen (auf jeden Abgeordneten im Hohen Haus kommen etwa drei Lobbyisten) werden Vorgaben und Gesetzestexte recht windschnittig industrie- und konzernfreudig gestaltet.

Jedenfalls haben die das echt geschafft, an besonders schlechten Standorten die „erhöhte Anfangsvergütung“ über einen besonders langen Zeitraum in dieses Erneuerbare Energiegesetz reinzuschmuggeln. Einfach brilliant.

Dies erhöht künstlich die Rendite an eigentlich vom Wind her ungünstigen Standorten. Das sollte Betreibern und Verpächtern wie Landes- und Provinzpolitikern Einnahmequellen zum einen verschaffen, aber irrigerweise sollte das auch noch die Einspeisung „glätten“.

Jaja, die Theoretiker. Rausgekommen ist Flatterstrom, der dazu führt, dass Nachbarländer bezahlt werden, wenn bei entsprechenden Tagen zu viel Strom erzeugt wird und das Netz überlastet, andererseits wir diese wieder bezahlen, wenn zu wenig Strom da ist.

Und dann darf es auch Atomstrom sein, von dem beziehen wir immer mehr. Diesen ganzen Wahnsinn zahlt also die Odenwälder Rentnerin und Mieterin einer 2-Zimmer-Wohnung über die EEG Transferzahlungen z.B. an den Großbauern in Niedersachsen oder einen hessischen Grafen. Die großen Unternehmen, die allerdings können sich davon befreien lassen. Ein echtes Schnäppchen!

In windärmeren Gegenden, wie dem Odenwald, sollen nun immer größere und leistungsfähigere Anlagen installiert werden. Man betreibt Kapazitätsaufbau auf Teufel komm raus.

Das wäre im Prinzip, wie wenn der Landrat für den Odenwaldkreis eine ganze Flotte von Ferraris und Porsches anschaffen lassen würde, um dann diese nur in Fußgänger- und verkehrsberuhigten Zonen in Erbach oder Michelstadt fahren zu lassen.

Und mit jedem Windrad mehr geht der Strompreis weiter nach oben, hihi. In Frankreich etwa zahlen sie nur etwa die Hälfte wie die dämlichen Deutschen. Werden wir mal abgeschaltet, weil Sturm ist oder im Sommer, wenn die Solarzellen zu viel Strom ins Netz reinhauen – werden wir trotzdem bezahlt, auch für's Nichtstun – genial!

15 Minuten später: Stehe wieder still. Ich habe den totalen Überblick und sehe in weiter Ferne alle meine Kollegen stillstehen. Wind, Wind, sause, der Strom ist nicht zu Hause, lalala.

Heute echt nix los. Es gab da mal eine Konkurrenz, nämlich ein Gaskraftwerk in Darmstadt, neueste Technik. Durch gesunkene Börsenstrompreise (die aber nicht bei der Odenwälder Rentnerin ankommen) rentiert sich das Gaskraftwerk in Darmstadt nicht, es lief nur von 2013 bis 2016.

2013 hatte es gerade mal 10 Betriebsstunden, danach beachtliche 15 Betriebsstunden (Stand 2015). Jetzt steht es nur noch als Augenweide da. Im Mittelalter gab es den Ablasshandel auf Sünden, heute gibt es das „CO2-Zertifikat“, das ist im Grunde nichts anderes und genauso unsinnig.

Der derzeit viel zu niedrige Preis für diesen Wisch führt jedoch dazu, dass das hocheffiziente Gaskraftwerk nicht mit Kohlekraftwerken, die alles Mögliche, u.a. auch Quecksilber rumschleudern, konkurrieren kann und deshalb kaum in Betrieb ist.

Zwei Stunden später: Ein laues Lüftchen. Das könnte ein Anfang sein für mehr Prognostiziert wird meistens sowas um die 30 bis 33 Tausend Megawatt pro Jahr, kalkuliert wird dann schon bescheidener, sobald einer von uns steht, nämlich ein bis vier Tausend weniger und ähm, das tatsächliche Ergebnis wird erstmal verschwiegen, denn das sind dann bescheidene 23 bis 26 Tausend Megawatt.

Wenn überhaupt. Ups. Etwa 12 Prozent des gesamten Stroms wird von uns Windrädchen geliefert – bin stolz! Da ist nach oben hin noch was offen!

25 Minuten später: Ich habe mich gedreht, wer sagt es denn!! Für alle sichtbar! Soeben habe ich allerdings einen Milan getroffen, was muss der blöde Federwischmopp auch mir in die Quere kommen. Selbst schuld! Denkt doch mal an den Fuchs, der jetzt ein zusätzliches Abendmenü bekommt. „Jeden Tag eine gute Tat“ - man muss nur positiv denken!

P.S: Neueste Meldung - 330 Tausend Haushalte sind ohne Strom, da zu teuer und die Menschen die elektrische Energie nicht mehr bezahlen können. Das ist eben 100 Prozent Stromsparen im Survivalmodus.